Deutscher Gewerkschaftsbund

26.03.2008
Mindestlohn-Interview

Christian Bäumler: Flächendeckende Kombilöhne wären Fass ein ohne Boden

Dr. Christian

Dr. Christian Bäumler, CDA CDA

Im Juli 2008 einigte sich die Große Koalition nach zähem Ringen auf einen Mindestlohnkompromiss, der den Weg für die Einführung branchenspezifischer Mindestlöhne ebnen soll. Nach den Plänen der Regierung wird das Arbeitnehmerentsendegesetz ausgeweitet und das Mindestarbeitsbedingungengesetz novelliert. Doch trotz des Kabinettsbeschlusses gibt es in der CDU zahlreiche Gegner der Mindestlohns,  die stattdessen ein flächendeckendes Kombilohnmodell fordern. Anders die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), der Arbeitnehmerflügel der CDU. Dr. Christian Bäumler ist Landesvorsitzender der CDA in Baden-Württemberg und stellvertretender CDA-Bundesvorsitzender.

Herr Bäumler, auf der CDA-Tagung in Nürtingen hagelte es kürzlich Kritik an der CDU-Spitze. Die nordbadische CDA forderte sogar den Rücktritt von CDU-Generalsekretär Thomas Strobel. Worum geht es bei den Auseinandersetzungen innerhalb der CDU? Wo genau verlaufen die Konfliktlinien?

Christian Bäumler: Wir halten die Politik der Südwest-CDU für arbeitgeberlastig und treten für eine sozial ausgewogene Wirtschafts- und Sozialpolitik ein. Konkret fordern wir die Wiedereinführung der Pendlerpauschale, branchenspezifische Mindestlöhne und eine Rente für Geringverdiener. Im Land fordern wir ein Konjunkturprogramm und die Aussetzung der Nettonullverschuldung.

Allem Anschein nach stößt das Konzept des Mindestlohns bei vielen Unionsmitgliedern, so auch bei Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), auf wenig Gegenliebe. Stehen Sie mit Ihrer Forderung allein da?

Christian Bäumler: Die Mehrheit der CDU- Wähler und der CDU-Basis in Baden-Württemberg ist für Mindestlöhne. Die politische Führung der CDU steht hier im Abseits.

Im vergangenen Jahr hat der nordrheinwestfälische Arbeitminister Karl-Josef Laumann (CDU) die landesweiten Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe sowie für das Hotel- und Gaststättengewerbe für allgemeinverbindlich erklärt. Welche Chancen sehen Sie für vergleichbare Erklärungen in Baden-Württemberg?

Christian Bäumler: Im Land gibt es schon einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für Friseure und Friseurinnen. Ein solcher Tarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe und die Gastronomie wäre möglich. Wir haben vor, diese Frage am 29. Januar mit der Sozialministerin Dr. Stolz zu besprechen.

Trotz der Einigung der Großen Koalition wird der wirtschaftsfreundliche Flügel in der CDU nicht müde, die Einführung von verbindlichen Lohnuntergrenzen weiter zu blockieren und sich öffentlich für eine Kombination von Lohn zu Lohnzuschuss stark zu machen – de facto für einen Kombilohn. Wie beurteilt die CDA diese Forderung?

Christian Bäumler: Kombilöhne gehören heute schon zum arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium. Sie sind als Lohnzuschüsse sinnvoll, um am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen eine Chance zugeben, sollten aber die Ausnahme bleiben. Flächendeckende Kombilöhne wären ein Fass ohne Boden.

Der Kompromiss der Großen Koalition sieht unter anderem die Ausdehnung des Entsendegesetzes auf Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent vor. Acht Branchen haben einen Antrag auf Aufnahme gestellt. Führende Unionspolitiker, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel, lehnen die Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz jedoch strikt ab. Wie steht die CDA zu diesem Richtungswechsel?

Christian Bäumler: Angela Merkel hat diese Position schon immer vertreten. Die CDA befürwortet dagegen die Aufnahme der Leiharbeit in das Entsendegesetz. Löhne von 4 oder 5 Euro pro Stunde sind nicht vertretbar. Geschäftsmodelle von Firmen, die auf die Aufstockung durch Arbeitslosengeld II setzen, stellen einen Missbrauch von Sozialleistungen dar.

Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wächst, immer mehr Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor und sind „arm trotz Arbeit“. Vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession setzt die CDU vor allem auf Steuersenkungen, um den Konsum anzukurbeln: „Jetzt die Mitte stärken“, lautet das aktuelle Motto. Wäre es nicht an der Zeit, auch die Geringverdienenden „am Wohlstand teilhaben“ zu lassen, wie es auf einer Kabinettsklausur vom Juni 2007 hieß?

Christian Bäumler: Wir sind für eine Abflachung des Steuertarifs für Geringverdiener. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ist auf Druck der CDU in den letzten Jahren von 6,5 Prozent auf 2,8 Prozent abgesenkt worden, was auch den Geringverdienern hilft. Im Vordergrund des von der CDA Baden-Württemberg geforderten Konjunkturprogramms stehen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, den Klimaschutz, die Schulen und den Hochschulbau. Damit könnten wir Arbeitsplätze erhalten und so auch Niedriglöhne stabilisieren.

Eine Umfrage des DGB hat ergeben, dass 81 Prozent der CDU/CSU-Wähler die Einführung von Mindestlöhnen befürworten, genau wie 80 Prozent der Gesamtbevölkerung. Warum verleiht die Union dem Willen der Mehrheit durch ihre Politik keinen Ausdruck?

Christian Bäumler: Da müssen Sie Angela Merkel fragen.


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