- Nutzen die EU-Programme "Better Regulation" und "REFIT" allen - oder nur der Wirtschaft?
- Was bedeuten die EU-Programme "Better Regulation" und "REFIT" für Arbeitnehmerrechte?
Mit ihrem REFIT-Programm ("Regulatory Fitness and Performance") nimmt die EU-Kommission unter dem Vorwand des Bürokratrieabbaus auch Arbeitsschutz- und Mitbestimmungsrechte ins Visier. Sie folge damit "der so alten wie falschen Argumentation, Regeln seien per se Hindernisse für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit", schreibt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in einem
Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau.
Bei der EU-Richtline, die Beschäftigte besser vor berufsbedingten Krebserkrankungen schützen soll, herrscht völliger Stillstand. "Das kostet buchstäblich Menschenleben", so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in der Frankfurter Rundschau. Colourbox
Am 19. Mai stellt Frans Timmermans, EU-Kommissar für "bessere Rechtsetzung", seine Agenda vor
Hoffmann: "Großangelegtes Deregulierungs-Programm"
Bisherige REFIT-Folgen: Kein besserer Mutterschutz, Anti-Krebs-Richtlinie liegt auf Eis
Auch drei Richtlinien mit Mitbestimmungsrechten der Beschäftigten sollen "überprüft" werden
Er werde "hellhörig, wenn Arbeitnehmerrechte zu 'regulatorischen Hindernissen' erklärt werden, die angeblich 'schlankeren' und 'effektiveren' Verwaltungsstrukturen im Weg stehen", so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in der Frankfurter Rundschau. Am 19. Mai wolle Frans Timmermans, neuer "Kommissar für bessere Rechtsetzung", seine Agenda vorstellen und habe bereits angekündigt, die europäische Rechtsetzung auf das Wesentliche reduzieren zu wollen, so Hoffmann. Hinter dem "biedermännisch daherkommenden Programm zum Abbau von Bürokratie" verberge sich aber "ein großangelegtes Deregulierungs-Programm zum Abbau von Mindeststandards im Arbeitsrecht, in der Sozial- und Umweltpolitik sowie im Verbraucherschutz."
Seit mehr als zwei Jahren läuft die REFIT-Überprüfung bereits. Während dieser "Fitnesschecks" seien notwendige Reformen etwa im Arbeitsschutz ausgesetzt worden, kritisiert Hoffmann.
Die EU-Kommission startete im Jahr 2012 das so genannte REFIT-Programm, um unnötige bürokratische Regelungen abzubauen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert – sofern die Kommission tatsächlich darauf abzielt, europäisches Recht effizienter zu machen. Der DGB sieht allerdings mit Sorge, dass die Kommission offenbar auch den Arbeitsschutz-Bereich als "zu bürokratisch" und potenzielles Wettbewerbshemmnis ansieht und deshalb auch Arbeitsschutz-Standards in den Fokus nimmt. Für die Gewerkschaften ist klar: Was Gesundheit und Leben der Beschäftigten schützt, ist keine unnötige "Bürokratie" – sondern ein elementarer Arbeits- und Sozialstandard.
2008 hatte die Kommission einen Reformvorschlag für die Mutterschutzrichtlinie vorgelegt, seitdem sei nichts passiert. "Nach sieben Jahren Stillstand droht die Kommission nun, ihren eigenen Vorschlag zurückzuziehen", so Hoffmann. "Zeitgemäßer Mutterschutz – nicht fit für Europa?"
Auch die Reform der Krebsrichtlinie liegt auf Eis – "und das kostet buchstäblich Menschenleben", so Hoffmann. "Krebs verursacht mehr als die Hälfte aller berufsbedingten Todesfälle, in der EU sterben jährlich 100.000 Menschen daran. Die aktuelle Richtlinie ist veraltet, sie deckt nur 20 Prozent der realen Arbeitssituationen ab, in denen Beschäftigte mit krebserregenden Stoffen in Berührung kommen."
"Auch die Mitbestimmungsrechte stehen zur Disposition", warnt Hoffmann. Drei Richtlinien, in denen es um Mindeststandards bei Information und Konsultation von Beschäftigten geht, unter anderem bei Massenentlassungen und Unternehmensübergängen, sollen erneut überprüft werden. Dabei habe bereits 2012 eine Studie im Auftrag der Kommission ergeben, die Vorschriften seien weitgehend "zweckmäßig" und bedürften keiner Überarbeitung. Warum also eine neue Prüfung, die doppelte Arbeit bedeutet und somit dem Auftrag von REFIT sogar widerspricht? "Weil die Kommission offenbar der so alten wie falschen Argumentation folgt, Regeln seien per se Hindernisse für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit", so Hoffmann.
Frankfurter Rundschau: Bürokratieabbau als Vorwand - von Reiner Hoffmann