Deutscher Gewerkschaftsbund

06.07.2023

„Diskriminierende Wissensbestände müssen ins Bewusstsein rücken“

AnStadt Intoleranz – Diversität leben. Werte achten – so lautet der Titel eines Projekts des Gesamtpersonalrats (GPR) der Stadtverwaltung Frankfurt am Main. Damit hat der GPR klare Kante, wenn es um die Diskriminierung von vermeintlichen Minderheiten unter den Beschäftigten ging, gezeigt. Mit dem Projekt wird auch die interkulturelle Kompetenz gefördert und somit ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Diversität unter den Beschäftigten als Bereicherung gesehen wird. Über das Projekt sprachen wir mit Mareike Müller, Projektleiterin und Büroleiterin in der Geschäftsstelle des GPR Frankfurt am Main.

Menschenansammlung in einem Kreis

DGB/skynesher/iStock

Was hat euch dazu bewogen, ein Projekt zum Thema Diversität anzugehen?

Auslöser waren verschiedene Dinge, die wir durch den Austausch mit örtlichen Personalräten und den direkten Kontakt mit Kolleg*innen wahrgenommen haben. Darunter fanden sich auch zunehmend Fälle von fremdenfeindlichen Statements oder Ausgrenzung. Diese Entwicklung wurde vom GPR deshalb mit Sorge wahrgenommen, da für uns eine zentrale Aufgabe der Stadtverwaltung die Umsetzung von Grundrechten in konkretes Handeln auf der Ebene des Zusammenlebens von Menschen ist. Respekt gegenüber allen Menschen ergibt sich nämlich auch aus der arbeitsvertraglichen und dienstlichen Verpflichtung, welche sich von der Bedeutung des öffentlichen Diensts im Allgemeinen und der Kommunalverwaltung im Besonderen ableitet. Zudem ist es eine Kernaufgabe von Personalvertretungen das Gleichbehandlungsgebot umzusetzen.

Der Titel AnStadt Intoleranz erklärt sich nicht unbedingt von selbst. Was habt ihr gemacht? Wie seid ihr im Projekt vorgegangen?

Obwohl der Titel unter den Kolleg*innen heftig diskutiert wurde, haben wir ihn absichtlich gewählt, um die Kampagne ins Gespräch zu bringen. Damit dennoch klar wird, was sich dahinter verbirgt, haben wir "Diversität leben. Werte achten." beigefügt. Zuerst haben wir eine Plakatserie als Teaser-Kampagne unkommentiert in den Liegenschaften der Stadtverwaltung veröffentlicht. Den offiziellen Start haben acht Kick-off-Veranstaltungen gebildet, die über das Projekt informieren und zur aktiven Teilnahme motivieren sollten. Da wir eine Kampagne von Beschäftigten für Beschäftigte durchführen wollten, haben wir neben Vorträgen auch ein spezielles WerkStadt-Konzept entwickelt, das die Kolleg*innen aktiv miteinbezogen hat und ein Kennenlernen und Verstehen von Kulturen, Lebensstilen und Lebensrealitäten anregen sollte. Vernetzt wurde alles über eine eigens eingerichtete stadtinterne Website.

Wie haben die Dienststellenleitung und die Beschäftigten das Projekt angenommen?

Von Beginn an hat die Kampagne sehr viel Unterstützung von Politik, Dienststelle und Beschäftigten erfahren. Neben den Grußworten verschiedener Dezernatsmitglieder bei den Kick-off-Veranstaltungen, hat etwa der ehemalige Bürgermeister Uwe Becker interreligiöse Rundgänge persönlich angeboten und durchgeführt. Auch die notwendigen finanziellen Mittel sind durch den damaligen Personaldezernenten Stefan Majer zur Verfügung gestellt worden. Zum Kampagnenstart hat der GPR die Amts- und Betriebsleitungen um die Unterstützung des Vorhabens gebeten. In diesem Zusammenhang sind auch Projektbotschafter*innen als Schnittstellen zwischen dem GPR und den Ämtern und Betrieben benannt worden.

Portrait: Mareike Müller, Projektleiterin und Büroleiterin, Geschäftsstelle des GPR Frankfurt am Main

Mareike Müller, Projektleiterin und Büroleiterin der Geschäftsstelle des GPR Frankfurt am Main. Mareike Müller, Geschäftsstelle des GPR Frankfurt am Main

Problematisch scheint oft die fehlende solide Datengrundlage. Was muss aus eurer Sicht beachtet werden, sollten mittels Beschäftigtenbefragungen auch Minderheits- bzw. Diversitätsmerkmale erhoben werden?

Wir vertreten die Haltung, dass wir die Abfrage derartiger Daten als kritisch betrachten und uns klar dagegen aussprechen. Nicht zuletzt die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass der Missbrauch solcher Daten viel zu leicht erfolgen und viel zu großen Schaden auslösen kann. Daher vertritt der GPR die Meinung, dass Angaben über Migrationshintergrund oder Diversitätsmerkmale erst gar nicht erhoben werden dürfen. Bisher ist uns auch nicht überzeugend dargelegt worden, wie diese Merkmale genau definiert und konkret abgefragt werden sollen. Für unsere Kampagne ist eine derartige Datengrundlage ohnehin nicht relevant, da wir alle Kolleg*innen miteinbeziehen möchten.

Um die Diversitätskompetenzen von Beschäftigten aller Hierarchieebenen zu verbessern, sind Schulungen ein Schlüssel. Inwieweit könnt ihr als GPR auf das Schulungsangebot Einfluss nehmen?

Das bleibt nach wie vor eine Herausforderung. In allen Schulungsangeboten sind entsprechende Kompetenzen zumindest zum Teil schon vorhanden. Dennoch wünschen wir uns eine andere Art von Herangehensweise und Umgang in den Fortbildungen damit. Aus unserer Sicht bedarf es einer intensiven Beschäftigung mit Diversität und deren Herausforderungen für alle Kolleg*innen im täglichen Tun bei ständig steigender Arbeitsbelastung.

Und eine letzte Frage: Was würdet ihr anderen Personalräten raten, wenn diese sich die Steigerung des Diversitätsbewusstsein unter den Beschäftigten zum Ziel gesetzt haben?

Eine derartige Kampagne lebt von der Beteiligung der Kolleg*innen im Betrieb. Diese gilt es daher so stark wie möglich in die Kampagne miteinzubeziehen und für die Sache zu aktivieren. Daneben finden wir es aber auch wichtig, den Kolleg*innen beim Thema Diversität nicht mit erhobenem Zeigefinger zu begegnen. Wir alle verfügen über diskriminierende Wissensbestände. Um diese bearbeiten zu können, muss man sie sich erst einmal bewusstmachen. Wichtig ist aus unserer Sicht hier jeden Menschen mitzunehmen, egal, wie weit die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema schon fortgeschritten ist.


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