Deutscher Gewerkschaftsbund

26.02.2021

Hauptsache saniert? – Gebäudesanierung zu Lasten der Beschäftigten

Was haben Gute Arbeit, Tarifverträge und Weiterbildungen eigentlich mit der Gebäudesanierung zu tun? Alles, denn sie machen den Unterschied!

Moderne Wohnhäuser mit Außenanlagen

DGB/ahfotobox/123rf.com

Treibhausgasneutralität bis 2050: Das ist das politische Ziel. Ein Ziel, dass nur durch die tagtägliche Arbeit vieler Millionen Beschäftigten in Deutschland erreicht werden kann. Damit diese Beschäftigten einen guten Job fürs Klima machen können, braucht es auch immer wieder neue Qualifizierungen durch Weiterbildung. Der Gebäudesektor ist dabei ein mahnendes Beispiel dafür, dass wir unsere Klimaziele nur mit qualifizierten Beschäftigten erreichen werden.

Gebäudesanierung und Beschäftigung: Bestandsaufnahme

Beschäftigung im Zeichen der Energieeffizienz ist zahlenmäßig vor allem durch die Gebäudesanierung dominiert. 2017 waren 573.100 direkte und indirekte Beschäftigte im Bereich der Sanierung von Bestandsgebäuden aktiv (BMWi 2019). 380.100 davon im Bereich der Wohngebäude und 193.000 Beschäftigte im Bereich der Nichtwohngebäude (Abd.).

Balkendiagramm: Anzahl der Beschäftigten durch energetische Gebäudesanierung

DGB/Quelle: Eigene Darstellung nach BMWi 2019

Die Zahl der Beschäftigten schwankt dabei etwas, ist insgesamt aber auf einem hohen Niveau (siehe Abbildung). 2017 teilten sich die 573.100 Arbeitsplätze in 60 Prozent direkte und 40 Prozent indirekte Beschäftigung auf (Ebd.). Von den direkten Beschäftigten entfallen rund 90 Prozent auf die Bauwirtschaft und 10 Prozent auf andere Produktionsbereiche, die direkt Endprodukte für die energetische Sanierung liefern, wie z. B. Fenster, Türen, Heizungskessel (Blazejczak, J. et al. 2020). Immerhin 12 Prozent der Beschäftigten in der Bauwirtschaft arbeiten tagtäglich für die energetische Gebäudesanierung in Deutschland (BMWi 2019). Die Tendenz ist dabei klar steigend, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen möchte.

Die Bezahlung in der Branche könnte dabei vielerorts besser sein. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Tarifbindung in der Branche insgesamt rückläufig ist und gerade im Handwerk Klein- und Kleinstbetriebe dominieren, in denen meist kein Betriebsrat existiert.

State of the art: Technologien und Qualifikationen

Im Bereich der energetischen Gebäudesanierung gibt es eine hohe Innovationsdynamik (z. B. Heizungen, Dämmmaterialien). Außerdem braucht es ein umfassendes Wissen zur Materialauswahl und breite Beratungskompetenzen. Das stellt nicht nur für die Ausbildung neuer Fachkräfte eine Herausforderung dar, sondern auch für die heutigen Fachkräfte (IÖW 2011a). Dieser Herausforderung kann nur durch ein entsprechendes Weiterbildungsangebot begegnet werden.

Günstig für den Arbeitgeber, teuer für das Klima

Die Erfahrungen aus der gewerkschaftlichen Praxis zeigen jedoch, dass bei weitem nicht alle Arbeitgeber, es ihren Beschäftigten ermöglichen, sich gezielt in Sachen Gebäudesanierung weiterzubilden. Vor allem in Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifbindung wird meist nur gemacht, was auch gesetzlich oder als Anforderung im Rahmen von Förderprogrammen vorgeschrieben ist, ohne verbindliche Mitbestimmung durch die Beschäftigten. Das kann dann dazu führen, dass die Einstellung von Anlagen oder die Anbringung von Dämmmaterial fehlerhaft erfolgt. Das ist günstiger für den Arbeitgeber, kommt dem Klima aber teuer zu stehen. Denn diese Fehler, die auf fehlende Qualifizierung und Weiterbildung zurückgehen, verursachen unnötige CO2-Emissionen oder binden Fachkräfte, z. B. indem Wärmedämmungen früher erneuert werden müssen.

Das ist ein Zustand, der politisch nicht hinnehmbar ist. Der Erfolg im Gebäudesektor hängt schlussendlich davon ab, ob Arbeitgeber für die Qualifizierung ihrer Beschäftigten sorgen oder nicht. Die Rechnung ist dabei klar: Den Auftrag bekommt das Unternehmen auch ohne weitergebildete Beschäftigte. Damit wird Qualifizierung mit zusätzlichen Mühen und Kosten gleichgesetzt und Kosten gilt es im Wettbewerb mit anderen zu vermeiden.

Für eine qualifizierte Gebäudesanierung

Die Lösung liegt dabei auf der Hand. Es muss sichergestellt werden, dass Fachkräfte entsprechend aus- und weitergebildet werden, damit die Gebäudesanierung von qualifiziertem Personal ausgeführt wird. Daran anknüpfend muss die Facharbeit entsprechend honoriert werden. Es braucht deshalb politische Maßnahmen. Denkbar wäre z. B. Tarifbindung und Qualifizierungsnachweis bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Förderprogrammen (z. B. über die KfW). Eine Übergangsfrist würde den Arbeitgebern genug Zeit geben, die Weiterbildung ihrer Fachkräfte zu organisieren, ohne aktuelle Aufträge zu verlieren und die notwendigen Tarifverträge mit den Gewerkschaften zu verhandeln.

Die Gebäudesanierung ist eine Branche mit Zukunft. Die Wärmedämmung muss mittel- bis langfristig immer wieder erneuert werden. Politik und Arbeitgeber müssen gemeinsam mit den Gewerkschaften dafür Sorge tragen, dass mit dieser positiven Perspektive für die Wirtschaft auch eine positive Perspektive der Beschäftigten verbunden ist: Eine Perspektive auf faire Löhne und Gute Arbeit.

Quellen:

Blazejczak, Jürgen et al. (2020): Ökonomische Indikatoren von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz – Aktualisierte Ausgabe 2020; https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uib_03-2020_oekonomische_indikatoren_energieeffizienz_aktualisierung_2020.pdf ; aufgerufen am 05.02.2021.

BMWi (2019): Energieeffizienz in Zahlen; https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/energieeffizienz-in-zahlen-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=72 ; aufgerufen am 05.02.2021.

IÖW (2011b): Energieeffizienz und Beschäftigung; https://www.ioew.de/uploads/tx_ukioewdb/Abschlussbericht_Projekt_Energieeffizienz_und_Besch%C3%A4ftigung_01.pdf ; aufgerufen am 12.02.2021.


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