Deutscher Gewerkschaftsbund

28.01.2008
Kolumne Rechtsfrage

Zählt Nachtdienst zur Arbeitszeit?

Frage: Ich arbeite als Erzieher und absolviere einmal wöchentlich einen Nachtdienst von sieben Stunden. Davon werden nur 25 Prozent als Arbeitszeit anerkannt und vergütet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) soll aber Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit gelten, wenn sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss. Bedeutet dies, dass mir auch die restlichen Stunden meines Nachtdienstes als Arbeitszeit angerechnet werden müssen?

Antwort: Seit 2000 hat der EuGH in mehreren Verfahren zu Arbeitszeitbestimmungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten festgestellt, dass ein Arbeitnehmer, der sich am Arbeitsplatz bereit hält, um bei Bedarf seine Arbeit aufnehmen zu können, Arbeitsleistung erbringt. Deshalb darf durch die Anordnung von Bereitschaftsdiensten die in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegte Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden pro Woche nicht überschritten werden. Gegenstand dieser Verfahren war nämlich die Frage, inwieweit eine solche Überschreitung der Höchstarbeitszeiten zulässig ist, da Ziel der Arbeitszeitrichtlinie die Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes durch die Festlegung von Mindestanforderungen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat 2003 das Arbeitszeitgesetz infolge dieser Rechtsprechung geändert, und Abweichungen von der Höchstarbeitszeit nur zugelassen, wenn dies in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen wird. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird und der Arbeitnehmer muss der Arbeitszeitverlängerung infolge der Anordnung von Bereitschaftsdienst zustimmen. Mit der Rechtssprechung und der Neureglung sollten grundsätzlich überlange Arbeitszeiten von 60 Stunden und mehr, vor allem im Gesundheitsdienst unterbunden werden, auch wenn im Arbeitszeitgesetz für Regelungen, die solche Arbeitszeiten zulassen, Übergangszeiten vorgesehen sind, die gerade bis Ende 2006 verlängert worden sind. Grundsätzlich gilt aber: Solange Bereitschaftsdienst nicht zu einer Überschreitung der Höchstarbeitszeiten führt, kann er zulässigerweise angeordnet werden. Davon unabhängig ist die Frage, ob mit der Anrechnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit auch eine volle Vergütung verbunden ist. Diese Frage hat der EuGH ausdrücklich gerade nicht entschieden. Möglich wäre, dass die Arbeitsleistung des sich Bereithaltens geringer vergütet wird, als die Arbeitsleistung der tatsächlichen aktiven Tätigkeit in der jeweiligen konkreten Funktion. Ob hierfür eine Vergütung von 25Prozent für die gesamte Zeit angemessen ist, hängt von den konkreten Anforderungen ab. Insofern kann zwar im vorliegenden Fall die Anrechnung des Bereitschaftsdienstes auf die Arbeitszeit gefordert werden, leider bedeutet das aber nicht automatisch, das diese Zeit auch wie die übrige Arbeitszeit vergütet wird.

Martina Perreng, Deutscher Gewerkschaftsbund/Tagesspiegel KARRIERE


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