Deutscher Gewerkschaftsbund

18.03.2011
klartext 10/2011

Einzelhandel: Mehr Brutto bei "Netto"

Gerade zwei Jahre ist es her, dass der Textildiscounter Kik wegen sittenwidriger Löhne vom Landesarbeitsgericht Hamm verurteilt wurde. Die Entscheidung sorgte für großes Aufsehen, Kik musste Gehälter und Sozialabgeben nachzahlen. Doch dies hat die Branche offenbar nicht beeindruckt: Jetzt wurde bei der Lebensmittelkette  "Netto Marken-Discount" ein neuer Fall von Lohndumping bekannt.

Wer glaubte, dass sich Einzelhandels-Discounter nach der Schlappe von KiK vor Gericht die Zahlung sittenwidriger Löhne nicht mehr trauen, wird in diesen Tagen eines Besseren belehrt: Jetzt „KiKt’s" bei „Netto".

Der Fall: Ein Hartz IV-Empfänger in Nordrhein-Westfalen wurde vom Jobcenter unter Androhung von Sanktionen aufgefordert, einen 325 Euro-Job bei Netto Marken-Discount in Bottrop anzunehmen - und dafür 50 Stunden pro Monat zu arbeiten. Der Arbeitsvertrag weist einen Stundenlohn von 5,50 Euro aus, zuzüglich 1 Euro Zulagen, mit denen alle weiteren Ansprüche abgegolten werden - etwa Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Das sei sittenwidrig, kritisiert ver.di, denn laut NRW-Tarifvertrag für den Einzelhandel beträgt die unterste Lohnstufe 8,98 Euro pro Stunde. Sittenwidrigkeit beginnt nach allgemeiner Rechtsprechung da, wo Löhne um mehr als ein Drittel von den tariflichen oder ortsüblichen Löhnen nach unten abweichen. Hier liegt der Grundlohn von 5,50 Euro - und nach Ansicht von ver.di kann nur der zugrunde gelegt werden - sogar fast 40 Prozent darunter.

Dieser Fall im Einzelhandel zeigt exemplarisch das Desaster am Arbeitsmarkt auf: Durch die Ausdehnung des Niedriglohnsektors werden immer mehr ArbeitnehmerInnen in schlecht bezahlte unfreiwillige Teilzeit, Leiharbeit, befristete Beschäftigung und Minijobs abgedrängt. Von den bundesweit 72.000 Netto-MitarbeiterInnen sind nach ver.di-Angaben 30.000 geringfügig beschäftigt. Insgesamt - über alle Branchen betrachtet - arbeiten fast 15 Prozent aller Beschäftigten in Minijobs. Das Perfide: Obwohl auch Minijobbern mindestens der unterste Tariflohn zusteht, unterlaufen ihn nicht wenige Unternehmen mit Dumpinglöhnen. Ganz perfide ist dieses Vorgehen: Ehemals Vollzeitbeschäftigten wird die tariflich entlohnte Arbeitszeit reduziert und die Lücke mit billigeren Minijobbern gefüllt. Und die werden der Firma - wie in diesem Fall - auch noch von den Jobcentern unter Androhung von Leistungskürzungen bei Nichtgehorchen zugeführt.

Jetzt sind Konsequenzen aus der Zerlegung früherer Normalarbeitsverhältnisse fällig: Erstens, die nicht Existenz sichernden Minijobs müssen in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden. Zweitens, Deutschland braucht nicht nur einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. Zudem müssen Drittens in möglichst allen Branchen Mindestlöhne eingeführt werden, die auch für nicht tarifgebundene Unternehmen verbindlich gelten.

Für die anstehende Tarifrunde im Einzelhandel in NRW hat ver.di angekündigt, einen tariflichen Mindestlohn zu fordern. Und der Discounter Netto sollte von dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm gewarnt sein: Das hatte KiK vor zwei Jahren bescheinigt, mit 5,20 Euro einen sittenwidrigen Lohn gezahlt zu haben und die Kette zur Nachzahlung der Löhne und der Beiträge für die Sozialkassen aufgefordert. „AusgeKiKt".


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