Deutscher Gewerkschaftsbund

Zahlen, Daten, Fakten

28.09.2023
BM 09/2023 - Das Magazin für Beamtinnen und Beamte

Der öffentliche Gesundheitsdienst

Raus aus dem Krisenmodus?

Im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) führten wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes Sparzwang und jahrelanger Personalabbau zu unattraktiven Beschäftigungsbedingungen. Hinzu kommen eine vernachlässigte Infrastruktur und eine nur schleppend in Fahrt kommende Digitalisierung. Besonders deutlich exponiert zeigte sich diese Schieflage unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Bund und Länder haben sich deshalb auf den Pakt für den ÖGD verständigt. Fragt sich, was dieser bislang bewirkt hat.

Foto von einem Frauenoberkörper in einem Arztkittel mit Stethoskop, dass um den Hals hängt. Die Hände der Frau sind vor ihr ausgestreckt, als würde sie um einen unsichtbaren Ball greifen. Im Vordergrund ist eine Art "Mind-Map", bei der in der Mitte in einer runden Blase "ÖGD" steht.

DBG/Natali_Mis/iStock

Insgesamt 4 Milliarden Euro stellt der Bund mit dem Pakt für den ÖGD für die Jahre 2021 bis 2026 zur Verfügung. Damit wird das Ziel verfolgt, deutschlandweit bis zu 5.000 neue Stellen zu schaffen, die Digitalisierung in den Gesundheitsämtern voranzutreiben und die Attraktivität des öffentlichen Gesundheitsdienstes für die Berufswahl zu steigern. Beschlossen wurde der Pakt von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Regierungschef*innen der Länder am 29.09.2020. Mit dem Geld greift der Bund den Ländern unter die Arme, denn Gesundheit ist grundsätzlich Ländersache.

Zwischenbilanz zum Personalaufbau

Von den insgesamt 4 Milliarden Euro entfallen 3,1 Milliarden Euro auf Maßnahmen zum Personalaufbau. Mit dem zur Verfügung gestellten Geld sollten die Länder in einem 1. Schritt bis Ende 2021 mindestens 1.500 neue unbefristete Vollzeitstellen schaffen und mit Ärzt*innen sowie Fach- und Verwaltungspersonal besetzen. In den nächsten Jahren sollen weitere 3.500 Stellen hinzukommen: jeweils 1.050 Stellen in den Jahren 2022 und 2023 und jeweils 700 Stellen in den Jahren 2024 und 2025. Wie das Bundesministerium für Gesundheit Mitte 2022 erklärte, haben die Länder und Kommunen bis Ende 2021 insgesamt 2.290 unbefristete Stellen neu geschaffen und besetzt. Das Ziel, das mit dem Pakt für den ÖGD vorgegeben wurde, ist bezogen auf das Jahr 2021 also sogar übertroffen worden. 1.775 Stellen von den 2.290 werden durch Bundesmittel im Rahmen des Paktes finanziert; darunter seien 365 Ärzt*innen, 725 Stellen für Fachpersonal und 680 Stellen für Verwaltungspersonal. 1.635 der neuen Stellen seien in den örtlichen Gesundheitsämtern angesiedelt. Die Zahlen für das Jahr 2022 lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags noch nicht vor.

Eine Erhebung des Statistischen Bundesamts (Stichtag 31. Dezember 2021), an der 90 Prozent der betroffenen Behörden teilgenommen haben, kam zu dem Ergebnis, dass auf Bundesebene für diese insgesamt 19.390 unbefristete Stellen erfasst waren. Das Personal bestand zu 20 Prozent aus Ärzt*innen sowie Zahnärzt*innen, zu 52 Prozent aus Fachpersonal und zu 28 Prozent aus Verwaltungspersonal. 93 Prozent der unbefristet Beschäftigten arbeiten in örtlichen Gesundheitsämtern.

Personalgewinnung in Teilen schwierig

Auch das Land Brandenburg hat die Vorgaben zum Stellenaufbau aus dem Pakt für den ÖGD (über-)erfüllt. Gemäß dem Königsteiner Schlüssel hätte Brandenburg bis Ende 2026 insgesamt 153 neue Stellen schaffen müssen. Wie die zuständige Ministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen) bekannt gab, wurden in den Gesundheitsämtern des Landes sowie im Gesundheitsministerium bereits bis Juli 2023 insgesamt 198,96 Stellen für den ÖGD neu geschaffen. 116 dieser Stellen konnten bislang besetzt werden. Neben Ärzt*innen seien Sozialarbeiter*innen und medizinische Fachangestellte eingestellt worden. Doch die Akquise von Fachkräften stelle das Land vor großen Herausforderungen: "Wir haben auch als Ministerium große Schwierigkeiten, Arztstellen oder Juristen einzustellen: Über die Gehälter des öffentlichen Dienstes lachen manche potenziellen Bewerber nur", führte Nonnemacher mit Bekanntgabe der Zahlen aus.

Bestätigt wird dieser Fakt vom Beirat zur Beratung zukunftsfähiger Strukturen im öffentlichen Gesundheitsdienst in Umsetzung des Paktes für den ÖGD. Er wurde von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um Vorschläge zu erarbeiten, die dabei helfen, bestehende Missstände im ÖGD abzubauen. In seinem 4. Bericht kommt der Beirat zu dem Ergebnis, dass sich die Personalgewinnung für den ÖGD für bestimmte Professionen (z. B. in der Medizin) bisher schwierig gestalte. Um hier voranzukommen, müssten laut Beirat einerseits attraktive Arbeitsbedingungen geschaffen und andererseits eine konkurrenzfähige monetäre Vergütung geboten werden.

Der öffentliche Gesundheitsdienst

Der Öffentliche Gesundheitsdienst wird oft als „3. Säule“ des Gesundheitswesens bezeichnet. Einrichtungen gibt es auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen. Zentrale Institutionen sind die insgesamt 380 Gesundheitsämter auf kommunaler Ebene. Ihre Aufgaben folgen insgesamt aus Bundes- und Landesgesetzen bzw. -verordnungen. Zu ihnen zählen die Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsplanung, die Gesundheitsförderung und Prävention, die Gesundheitshilfe (richtet sich bspw. an behinderte Menschen, Migrant*innen, Obdachlose, chronisch Kranke und unterstützungsbedürftige Eltern), der Infektionsschutz, die Hygieneüberwachung sowie das Ausstellen von amtlichen Bescheinigungen, Zeugnissen und Gutachten.

Blick auf die Praxis

Auch im Gesundheitsamt der Stadtgemeinde Bremen ist ein Personalaufwuchs zu verzeichnen. Aktuell arbeiten hier 320 Beschäftigte; vor der Pandemie waren es ca. 220. Das sieht nach einem immensen Zuwachs aus, doch Phillip Bergstedt, der im Gesundheitsamt der Stadtgemeinde Bremen arbeitet und Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe ist, relativiert. Denn besonders stark aufgestockt worden sei die Infektionsepidemiologie in Zeiten der schweren Pandemielage sowie die klassische Verwaltung. Im letztgenannten Bereich sei der Personalaufwuchs vor allem auf Abordnungen von Beschäftigen aus anderen Behörden zurückzuführen, erklärt Bergstedt. Er sieht es darüber hinaus kritisch, dass es nur wenige Bemühungen und Anreize gebe, Fachpersonal im ÖGD zu binden. Insgesamt, so bestätigt es der ver.di-Betriebsgruppensprecher, sei es auch in Bremen schwer, geeignetes Fachkräftepersonal zu gewinnen. Das betreffe insbesondere Hygienekontrolleur*innen (ehemals Gesundheitsaufseher*innen). Hier sei es in Teilen sogar so, dass sich die unterschiedlichen Stellen des ÖGD das wenig vorhandene Personal gegenseitig abluchsen. Erschwerend für das Gesundheitsamt der Stadtgemeinde Bremen komme hinzu, dass hier nach TV-L (gilt auch für die Stadtstaaten Berlin und Hamburg) bezahlt werde. In (fast) allen anderen kommunalen Gesundheitsämtern der Bundesrepublik findet der TVöD Anwendung, der eine attraktivere Bezahlung (so auch bspw. in Bremerhaven, das zum Bundesland Bremen gehört) mit sich bringe. Ohne Gegenmaßnahmen, befürchtet Bergstedt, werde deshalb immer mehr Fachpersonal in die Umlandgemeinden oder andere Städte wechseln.

Zukünftige Finanzierung von neuen Stellen unklar

Bislang ist vielerorts unklar, wie die über die Bundesmittel neu geschaffenen und finanzierten Stellen nach Auslaufen des Paktes Ende 2026 verstetigt werden. Klar ist, dass die mit den Mitteln des Pakts für den ÖGD geschaffenen Kapazitäten nur langfristig erfolgreich sein können, wenn diese Stellen zukünftig verstetigt und entfristet werden. Das empfiehlt auch der Beirat zur Beratung zukunftsfähiger Strukturen im öffentlichen Gesundheitsdienst. Der künftige Beitrag des Bundes dabei ist allerdings schon klar: Im März 2023 hat der Haushaltsausschuss des Bundestags als Maßgabe der Bundesregierung den Beschluss gefasst, die finanzielle Beteiligung des Bundes am Pakt für den ÖGD nicht über 2026 hinaus zu verlängern.


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