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Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an deutschen Hochschulen sind nur befristet angestellt. Eine Reform des "Wissenschaftszeitvertragsgesetzes" soll diese extrem hohe Quote von Befristungen einschränken. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack erklärt im Interview, was der DGB von dieser Reform und von der Bundesregierung erwartet.
Frage: Rund 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den deutschen Hochschulen haben nur einen Fristvertrag. Mehr als die Hälfte dieser Verträge hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Die Große Koalition hat nun angekündigt in einem Wissenschaftszeitvertragsgesetz für mehr stabile Beschäftigung zu sorgen. Was muss aus Sicht des DGB im Mittelpunkt einer solchen Reform stehen?
DGB/Simone M. Neumann
Eine Allianz von Wissenschaftsorganisationen wehrt sich in einem Brief an die Bundesregierung dagegen, dass Befristungsmöglichkeiten an Hochschulen und in der Wissenschaft eingeschränkt werden. Diesen Arbeitgeber-Positionen darf der Gesetzgeber aber nicht nachgeben: "Im Grunde wehren sich die Wissenschaftsorganisationen gegen jedwede Einschränkungen des Befristungsunwesens. Sie wollen ein weitgehendes Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft. Die drastische Ausweitung der Fristverträge und immer kürzere Vertragslaufzeiten zeigen aber, dass die Arbeitgeber in der Wissenschaft mit diesen Möglichkeiten nicht verantwortungsvoll umgehen können", so DGB-Vize Elke Hannack.
Elke Hannack: Die Bundesregierung muss das Gesetz wieder auf seine ursprüngliche Aufgabe zurückführen: Ziel ist es, die Befristung von Arbeitsverträgen zu regeln, die einer wissenschaftlichen Qualifizierung dienen soll. Zum Beispiel einer Promotion. Das hat dann aber auch konkrete Auswirkungen: Wir brauchen eine Mindestlaufzeit von Verträgen, in der sich das Qualifizierungsziel auch erreichen lässt. In der Regel werden das mindestens drei Jahren sein. Auch bei Drittmittelprojekten ist die Laufzeit der Verträge an die Laufzeit der Projekte zu koppeln. Und die Befristung von Beschäftigten in Verwaltung und technischem Bereich hat in dem Gesetz nichts zu suchen. Sekretärinnen und Sekretäre, Laboranten und Studienberater erledigen Daueraufgaben und dafür brauchen sie Dauerstellen. Natürlich müssen auch die Gewerkschaften für die Beschäftigten günstigere Regelungen, die vom Gesetz abweichen, aushandeln können. Deshalb muss die Tarifsperre aus dem Gesetz gestrichen werden.
Gehen die Pläne der Bundesregierung in die richtige Richtung?
Hannack: Das lässt sich noch nicht sagen. Offiziell liegen noch keine Eckpunkte für die Gesetzesreform vor. Es scheint allerdings so, als ob die Koalition die Tarifsperre im Gesetz lassen will. In Interviews haben sich sowohl die Bundesministerin Johanna Wanka und auch die SPD-Expertin Simone Raatz für Mindestvertragslaufzeiten ausgesprochen. Dann gab es aber einen Brief der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, in der aus Sicht der Arbeitgeber Bedenken gegen die Reform angemeldet haben. Deshalb ist der Gesetzgebungsprozess anscheinend ins Stocken geraten.
Was will die Allianz?
Hannack: Im Grunde wehren sich die Wissenschaftsorganisationen gegen jedwede Einschränkungen des Befristungsunwesens. Sie wollen ein weitgehendes Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft. Die drastische Ausweitung der Fristverträge und immer kürzere Vertragslaufzeiten zeigen aber, dass die Arbeitgeber in der Wissenschaft mit diesen Möglichkeiten nicht verantwortungsvoll umgehen können. Am Ende schadet diese Hire-and-Fire-Mentalität den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, denn wenn wissenschaftliche Arbeit in Kurzzeitverträge zerstückelt wird, bleibt die Kontinuität und damit die Qualität der Arbeit auf der Strecke. Wir brauchen deshalb eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Die Regierung muss hierfür ihre Eckpunkte noch vor der Sommerpause vorlegen.