Deutscher Gewerkschaftsbund

17.01.2008
Kolumne Rechtsfrage

Wer muss als Erster gehen?

Ein Arbeitnehmer fürchtet nach 20-jähriger Unternehmenszugehörigkeit gekündigt zu werden. Mit 42 Jahren gehört er zu den jüngsten Mitarbeitern. Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen ihm zur Verfügung, um die drohende Kündigung abzuwenden?

Frage; Ich bin seit 20 Jahren in meiner Firma beschäftigt, mit 42 aber einer der jüngsten. Nun stehen Kündigungen an - muss ich damit rechnen, dass ich gehen muss?

Antwort: Ob eine Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht, ist im Kündigungsschutzgesetz geregelt. Zunächst muss der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund nennen. In Frage kommen betriebsbedingte, personen- oder verhaltensbedingte Gründe. Beruft er sich auf einen betriebsbedingten Grund, so muss er beispielsweise darlegen können, dass aufgrund eines starken, dauerhaften Rückgangs von Aufträgen der Beschäftigungsbedarf für bestimmte Arbeitsplätze weggefallen ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen "dringende betriebliche Erfordernisse der Weiterbeschäftigung entgegenstehen". Leichte Auftragsrückgänge oder vorübergehende finanzielle Einbußen reichen nicht aus. Außerdem muss feststehen, dass andere freie Arbeitsplätze, auf denen die zu kündigenden Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden können, nicht zur Verfügung stehen. Liegt ein betriebsbedingter Grund vor, muss der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchführen.

Seit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes muss der Arbeitgeber dazu die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine vorliegende Schwerbehinderung bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer berücksichtigen. Diese Kriterien der Sozialauswahl kann der Arbeitgeber unterschiedlich gewichten, er darf aber keines der Kriterien völlig unter- oder überproportional bewerten. Im vorliegenden Fall kann also, besonders wenn der Arbeitnehmer auch noch gegenüber seiner Familie Unterhaltspflichten hat, der jüngere, länger beschäftigte Arbeitnehmer schutzwürdiger sein, als ein älterer Arbeitnehmer. Ist das der Fall, dann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Weiterbeschäftigung, denn die Kündigung wäre unwirksam. Wird trotzdem eine Kündigung ausgesprochen, so kann der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht Klage erheben. Erhebt er die Klage nicht rechtzeitig, wird die Kündigung wirksam - trotz eigentlich nicht gerechtfertigter Kündigung.

Erhebt der Arbeitnehmer Klage, kann er sich dabei und im weiteren Verfahren durch einen Gewerkschaftsvertreter oder einen Anwalt vertreten lassen. Er kann aber auch auf der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichtes seine Klage zu Protokoll erklären. Einen Vertretungszwang gibt es in erster Instanz vor den Arbeitsgerichten nicht. Vor Gericht wird dann zunächst versucht, eine gütliche Einigung, etwa eine Beendigung mit Abfindung, oder aber die Weiterbeschäftigung, herbeizuführen. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet das Gericht. Gewinnt der Arbeitnehmer den Prozess, hat er Anspruch darauf, zu den bisherigen Bedingungen weiter beschäftigt zu werden. Für die Zeit, in der er arbeitslos war, hat er Anspruch auf Nachzahlung seines Lohnes.

 

Martina Perreng, Deutscher Gewerkschaftsbund/Tagesspiegel KARRIERE 

 


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