Kann aufgrund einer Pandemie eine Betriebsversammlung nicht stattfinden, bestellt das Arbeitsgericht auf Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern auch dann einen Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrates, wenn die antragstellenden Arbeitnehmer nicht zuvor zu einer Betriebsversammlung eingeladen hatten.
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In dem Betrieb mit etwa 190 Arbeitnehmern besteht kein Betriebsrat. Zu einer an sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz notwendigen Betriebsversammlung luden die Antragstellerinnen aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht ein. Sie baten jedoch in einem an alle Mitarbeiter gerichteten Infoschreiben um Bekundung eines Interesses an der Mitarbeit in einem Wahlvorstand. Die Antragstellerinnen beantragten vor dem Arbeitsgericht, dieses solle zur Durchführung der Betriebsratswahl einen aus drei Personen bestehenden Wahlvorstand bestellen. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen.
Eine Einladung zu einer Betriebsversammlung ist im Grundsatz nicht verzichtbar. Hier liegt jedoch ein Sonderfall vor. Vor dem Hintergrund drohender erheblicher Gesundheitsbeeinträchtigungen ist es nicht möglich oder zumindest nicht zumutbar, verantwortungsvoll eine Betriebsversammlung durchzuführen, an der 190 Personen gleichzeitig in einem Raum teilnehmen. Es wäre widersinnig, von den Antragstellerinnen die Einladung zu einer Betriebsversammlung zu verlangen, wenn sie dann (eigentlich) gleichzeitig darauf hinweisen müssten, dass die Betriebsversammlung wegen der Pandemie nicht stattfinden kann.
Arbeitsgericht Lingen, Beschluss vom 19. März 2021 – 1 BV 1/21