Deutscher Gewerkschaftsbund

02.03.2023

Der DGB begleitet die Pläne zur Krankenhausreform

Gut, dass die Krankenhausreform endlich angegangen wird. Mit den Vorschlägen der Regierungskommission im Auftrag des BMG werden konkrete Ideen und Maßnahmen sichtbar, die nun rechtzeitig im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens breit diskutiert werden müssen. Eine Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems hin zu einer bedarfsgerechten und qualitätsgesicherten Versorgung ist dringend notwendig.

Schreibtisch mit Stethoskop und Kladde, Hände und Arm Ärztin nah

DGB/morganka/123rf.com

Die Behandlung von Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern soll künftig mehr nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Kriterien erfolgen. Das empfiehlt die 17-köpfige „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“. Dafür sollen die Kliniken nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen, doch das Wichtigste: eine Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems ist vorgesehen. Die Empfehlungen der Experten-Kommission soll Grundlage für die im Koalitionsvertrag angekündigte große Krankenhausreform sein, die einen kalten Strukturwandel im Krankenhaussektor – mit immer mehr Klinikschließungen – verhindern soll.

Derzeit erfolgt die Finanzierung von Krankenhausleistungen weitestgehend über Fallpauschalen (DRG’s). Fixkosten – wie das Vorhalten von Gebäuden, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik – müssen überwiegend ebenfalls über die Fallpauschale erwirtschaftet werden, da die Länder die Investitionskosten (bislang 50 Milliarden Euro weniger als sie müssten) nicht übernehmen. Um die Bedeutung der Krankenhäuser für die Daseinsvorsorge zu unterstreichen und um den wirtschaftlichen Druck bei der Behandlung von Erkrankungen zu senken, empfiehlt die Regierungskommission, künftig einen festen Betrag als Vorhaltekosten zu definieren, den Krankenhäuser – je nach ihrer Zuordnung nach Versorgungsstufen und Leistungsgruppen – immer erhalten. Damit würde erheblicher wirtschaftlicher Druck von den Krankenhäusern genommen. Mit der künftigen Einteilung der Krankenhäuser in Versorgungsstufen der Grundversorgung, der Regelversorgung sowie der Maximalversorgung sollen je nach Level einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten. Damit würden erstmals einheitliche Standards für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung geschaffen, die die Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten maßgeblich erhöhen könnte.

Die lediglich grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) in Krankenhäusern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (z.B. „Kardiologie“). Derzeit behandeln Krankenhäuser Krankheitsfälle zu häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung, etwa Herzinfarkte ohne Links-Herzkatheter, Schlaganfälle ohne Stroke Unit oder onkologische Erkrankungen ohne zertifiziertes Krebszentrum. Solche Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus vorher die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Voraussetzung für die Zuteilung ist die Erfüllung genau definierter Strukturvoraussetzungen für die jeweilige Leistungsgruppe, etwa bezüglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level. Die Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten wird so maßgeblich verbessert.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Regelungen nicht sofort gelten zu lassen, sondern in einer großzügigen Übergangsphase innerhalb von fünf Jahren schrittweise einzuführen. Damit bliebe den Krankenhäusern, den Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und Ländern ausreichend Zeit, sich auf das veränderte Finanzierungssystem einzustellen.

Der DGB begrüßt die Reformideen als erste wichtige Schritte in Richtung einer notwendigen Systemumstellung der Krankenhausplanung und -finanzierung. Die anreizgetriebenen Fehlsteuerungen sind zu beseitigen und die vollständige Refinanzierung aller bei wirtschaftlicher Betriebsführung entstehenden Kosten und Ausgaben müssen gewährleistet sein. Das beinhaltet insbesondere die sogenannten Vorhalte- und Ausbildungskosten sowie die Kosten für eine umfassende Notfallversorgung. Besonders wichtig ist aus Sicht des DGB, dass bedarfsnotwendige Versorgungsstrukturen erhalten bleiben und ein sog. ‚kalter Strukturwandel‘ über Insolvenzen abgewendet wird. Die Eingruppierung der Häuser in Leistungsgruppen und Versorgungsstufen soll eine höhere Versorgungsqualität und einen besseren Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen ermöglichen, hier bleiben die Länder mit ihren individuellen Gegebenheiten in der Verantwortung. Dabei gilt es sicherzustellen, dass die öffentlichen Daseinsvorsorge – insbesondere in strukturschwachen Gebieten – nach einheitlichen Qualitätskriterien gewährleistet bleibt und entsprechende Kontrollmechanismen greifen. Insbesondere gilt es aus gewerkschaftlicher Sicht sicherzustellen, dass eine gute Erreichbarkeit der Krankenhäuser – verbunden mit einer hohen Behandlungsqualität sowie einer bedarfsgerechten Personalausstattung – etwas in Entbindungsstationen – gewährleistet ist.

Häuser der ersten Stufe sollen auf lokaler Ebene die wohnortnahe Grundversorgung der Bevölkerung abdecken. Dazu sollen sie eng mit niedergelassenen Ärzten vor Ort zusammenarbeiten und komplett aus dem Fallpauschalensystem herausgelöst werden. Problem: Zur Refinanzierung werden sog. Tagespauschalen angesetzt, also wieder eine pauschale Abgeltung der Leistungen. Hier muss genau geschaut werden, dass nicht wieder bei der Pflege gespart wird.

Auch problematisch ist die weiterhin fehlende Finanzierung der Investitionskosten, die eigentlich durch die Länder erfolgen müsste. Die Kliniken haben diese Kosten bislang über Mengenausweitungen gegenfinanziert. Dazu wird nun keine Möglichkeit mehr bestehen. Folglich droht hier nun eine beträchtliche Finanzierungslücke zu entstehen, die nur die Länder schließen können und müssen, wenn sie moderne und adäquate Versorgungsstrukturen vorhalten wollen.

Auch das Problem der Mengensteuerung ist mit den genannten Vorschlägen noch nicht behoben. Bislang ist allein eine Mindestmengenregelung geplant, nicht jedoch eine Höchstmengenregelung. Bei Beibehaltung der Finanzierung durch Pauschalen, wenngleich nur für maximal 60 Prozent, bleibt dieses Problem weiter ungelöst.

Vertreter der Krankenhausträger befürchten, dass viele Kliniken unter der geplanten Umstrukturierung ihren bisherigen Auftrag zur Patientenversorgung verlieren könnten und fordern deshalb ein Letztbestimmungsrecht der Bundesländer. Ein solch großer Strukturwandel benötige darüber hinaus erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel, welche in einem ‚Sondervermögen Krankenhaus‘ zu berücksichtigen seien, doch bislang sind keine zusätzlichen Mittel eingeplant. Um der Befürchtung zu begegnen, dass viele Krankenhäuser ihren bisherigen Versorgungsauftrag verlieren könnten hat das BMG angekündigt, die bisherigen Pläne auf ihre möglichen Auswirkungen hin wissenschaftlich analysieren zu lassen. 

Bereits am 2. Dezember 2022 wurde die Einführung von sektorengleicher Vergütung (Hybrid-DRG’s), egal ob für ambulant (EBM) oder stationär (DRG) erbrachte Leistungen, ab März 2023 beschlossen. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss aufgepasst werden, dass diese Regelung nicht zu Lasten des Pflegepersonals geht, weil für ambulante Behandlungen im Krankenhaus weniger Stellen eingeplant werden, aber faktisch der Aufwand hoch bleibt. Ebenfalls beschlossen wurde die Einführung der Pflegepersonalbemessungsregelung (PPR 2.0), erstmal probeweise, ab 2025 sanktionsbewehrt. Wichtig ist hier, dass am Ende eine Personalbemessung herauskommt, die sich am Versorgungsbedarf orientiert und die tatsächlich eingehalten wird. Dass die PPR 2.0 nach zweieinhalb Jahren nun endlich auf den Weg gebracht wurde ist ein riesiger Erfolg, den die vielen Proteste und Kämpfe in den Kliniken bewirkt haben. Eine konsequente Umsetzung der PPR 2.0 wird sowohl die Arbeitsbedingungen in der Krankenhauspflege als auch die Versorgung nachhaltig verbessern.


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