Zum Jahresbeginn 2019 wurde ein „Sozialer Arbeitsmarkt“ in Deutschland eingeführt. Mit Lohnkostenzuschüssen an Arbeitgeber von zunächst 100 Prozent werden Arbeitsplätze geschaffen für Arbeitslose, die in der Regel mindestens sechs Jahre Hartz IV bezogen haben und in dieser Zeit gar nicht oder nur kurz erwerbstätig waren. Im Mai 2021 wurden so 42.000 Arbeitsplätze gefördert.
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Der DGB legt hier eine Zwischenbilanz zum Einsatz des neuen Förderinstruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ („TaAM“) nach § 16i SGB II vor. Dazu hat der DGB Angaben der Bundesregierung, Statistiken der Bundesagentur für Arbeit, den Zwischenbericht des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) sowie Erfahrungsberichte aus der Praxis ausgewertet.
Der DGB bewertet den Grundansatz und den Charakter der neuen Förderung ausgesprochen positiv, analysiert aber auch erhebliche Defizite und fordert gesetzliche Nachbesserungen. In der nächsten Wahlperiode sollte das Förderinstrument weiterentwickelt und auch entfristet werden.
„Es ist ein sehr guter Ansatz, Arbeitslosen, die ansonsten kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, eine öffentlich geförderte Arbeit anzubieten. Erwerbsarbeit schafft soziale Teilhabe und Einkommen: Zwei von drei der Geförderten überwinden damit den Hartz-IV-Bezug. In der Umsetzung läuft aber längst nicht alles rund. Es muss dringend gesetzlich nachgebessert werden, damit der Soziale Arbeitsmarkt seine positiven Wirkungen auch voll entfalten kann“, betont DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.
Aus Sicht des DGB ist es notwendig und sinnvoll, dass die öffentliche Hand selbst zusätzliche Arbeitsplätze initiiert für Langzeitleistungsbezieher*innen, die ansonsten kaum Chancen hätten, einen Arbeitsplatz zu finden. Das neue Förderinstrument soll nicht primär ein Sprungbrett in ungeförderte Arbeit sein, sondern die geförderte Beschäftigung an sich wird als Wert gesehen, da sie soziale Teilhabe und Zugehörigkeit zur Gesellschaft schafft („Sozialer Arbeitsmarkt“). Substanziell neu ist auch die bis zu fünfjährige Förderdauer, die Entwicklungsperspektiven während der Beschäftigung eröffnen soll.
Doch das Versprechen einer fünfjährigen Förderung wird in der Praxis noch nicht ausreichend eingelöst. So lautet der Hauptkritikpunkt des DGB, der dringend nachgebessert werden sollte: Weit über die Hälfte (55,8 Prozent) der geförderten Arbeitsplätze sind auf maximal zwei Jahre befristet, nur ein Drittel (32,1 Prozent) der Arbeitsverträge hat eine Laufzeit von fünf Jahren.
Piel sagt dazu: „Ein Herzstück des Sozialen Arbeitsmarktes ist die bis zu fünfjährige Förderdauer. Das schafft Planungssicherheit, für die Beschäftigten wie für die Arbeitgeber und gibt den vormals Langzeitarbeitslosen ausreichend Zeit, positive Entwicklungsschritte zu erleben. In der Praxis sind aber mehr als die Hälfte der geförderten Arbeitsverhältnisse nur auf maximal zwei Jahre befristet. Das muss sich dringend ändern. Eine mindestens vierjährige Beschäftigung sollte zur Voraussetzung für die Förderung gemacht werden. Zudem müssen gemeinwohlorientierte Betriebe, die keine ausreichenden Erlöse erwirtschaften können, stärker gefördert werden, damit sie die ab dem dritten Jahr der Förderung erforderlichen Eigenanteile auch schultern können.“
Teils nutzen Arbeitgeber den 100-prozentigen Lohnkostenzuschuss in den ersten beiden Jahren, sind aber nicht bereit, die ab dem dritten Jahr anfallenden Eigenanteile zu tragen. Dieses Phänomen ist aber nicht immer mit „missbräuchlichen“ Mitnahmeeffekten gleichzusetzen. Gemeinwohlorientierte Einsatzstellen haben oftmals objektive Schwierigkeiten, einen Teil der Arbeitskosten zu finanzieren. Sie bieten in der Regel gesellschaftlich sinnvolle Dienstleitungen an – beispielsweise Begleitdienste für Ältere im ÖPNV – mit denen sich kaum Erlöse erwirtschaften lassen. Der DGB fordert daher eine verstärkte Förderung für solche gemeinwohlorientierten Einsatzstellen.
Zudem ist das Förderprogramm zu klein dimensioniert. Zurzeit erhalten nur 7,5 Prozent der Arbeitslosen, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden und deshalb gefördert werden könnten, auch tatsächlich ein Arbeitsplatzangebot.
Weiter kritisiert der DGB, dass Frauen und Arbeitslose mit Migrationshintergrund bei der Förderung unterrepräsentiert, die geförderten Beschäftigten vom Schutz der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sind und tarifgebundene Arbeitgeber benachteiligt werden, da nicht alle tariflichen Einkommenskomponenten bei der Berechnung des Lohnkosten berücksichtigt werden. Zudem muss der Lohnkostenzuschuss mit anderen Hilfen zur Arbeitsaufnahme wie etwa Fahrkostenzuschüssen kombiniert werden können, was zurzeit gesetzlich ausgeschlossen ist.
Die konkreten Forderungen des DGB zur Weiterentwicklung des Förderinstruments sind ab S. 14 dargestellt. Sehr positiv bewertet der DGB, dass zwei Drittel der Geförderten durch die Arbeitsaufnahme ihren Hartz-IV-Leistungsbezug beenden können.