Haushalt, Home-Schooling oder andere familiäre Verpflichtungen: Die Hauptlast der Sorgearbeit in der Corona-Pandemie wird von Frauen geleistet. Der WSI-Gleichstellungsreport zeigt, dass die Politik dringend gefordert ist, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Corona-Krise zu sichern und auszubauen.
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Die Corona-Krise stellt erwerbstätige Frauen und Männer vor große Herausforderungen. Beruf, Home-Schooling, Hausarbeit und möglicherweise noch die Pflege eines Familienangehörigen – die Belastung ist in vielen Haushalten enorm. Höchste Zeit, die Gleichstellung in der Corona-Pandemie unter die Lupe zu nehmen.
So kommt der WSI-Gleichstellungsreport 2021 zu differenzierten Ergebnissen: „In einigen Familien verfestigt sich die traditionelle Verteilung der unbezahlten Kinderbetreuung, in anderen eröffnen sich aber auch neue Chancen für eine fairere Aufteilung.“ Scheinbar kurzfristige Fortschritte beim Gender Pay Gap treffen auf möglicherweise dauerhafte Verschlechterungen der Arbeitszeit-Situation von erwerbstätigen Frauen, warnen die Wissenschaftlerinnen Dr. Yvonne Lott und Dr. Aline Zucco. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack sagt: „Frauen tragen die Hauptlast der Krise. Ob sie beruflich wie privat langfristig als Verliererinnen aus ihr hervorgehen, liegt in den Händen der Politik.“
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Auch wenn sich inzwischen mehr Männer zu Hause einbringen: Die Differenzen bei der Aufteilung der Sorgearbeit bleiben groß und drohen sich zu vertiefen. „Deshalb muss Politik hier gegensteuern. Ein Zurück zum überkommenen Modell „Heimchen am Herd“ kann niemand wollen“, betont Hannack. Ein großes Problem: Vor allem Frauen haben in der Corona-Krise ihre Arbeitszeit reduziert, um sich besser um die Kinder kümmern zu können. „Es besteht die Gefahr, dass ein Teil dieser Arbeitszeitreduzierungen auch nach Ende der akuten Krise nicht zurückgenommen werden kann, falls Arbeitgeber an einer Aufstockung der Arbeitszeit kein Interesse haben“, heißt es im WSI-Report.
Der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen scheint durch die Krise etwas kleiner zu werden. Das hat allerdings wenig mit Verbesserungen bei den Fraueneinkommen zu tun, sondern damit, dass in der ersten Welle der Pandemie mehr Männer als Frauen arbeitslos geworden sind und in Kurzarbeit arbeiten mussten. Dadurch sind Männer-Einkommen im Mittel stärker unter Druck geraten. Die Forscherinnen warnen: „Dieser Effekt könnte sich zudem mittlerweile umkehren, zumindest war die Arbeitsmarktentwicklung für Frauen im Januar 2021 schlechter als bei Männern. Außerdem erhalten verheiratete Frauen durch das Ehegattensplitting bei Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit häufig niedrigere Sozialleistungen, was ihre Einkommen schmälert.“
Der DGB fordert: Die Politik kann und muss die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Sorge- und Erwerbsarbeit besser zwischen Männern und Frauen verteilt werden können. Dafür ist es wichtig, die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Pflegebedürftige bedarfsgerecht auszubauen. Zudem braucht es mehr Arbeitszeitsouveränität für die Beschäftigten. Auch ein Recht auf Homeoffice und staatliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen können dazu beitragen, Beruf und familiäre Verpflichtungen unter einen Hut zu kriegen.
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Ganz zentral: Eine bessere Bezahlung von frauendominierten Berufen bleibt auf der Agenda. Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig die Arbeit der vielen Frauen in diesen Bereichen für eine funktionierende Gesellschaft ist. „Es ist höchste Zeit, die „Systemrelevanz“ dieser Berufe endlich anzuerkennen – auch durch Tarifabschlüsse, mit denen die Gewerkschaften und Arbeitgeber gute Löhne für die Beschäftigten vereinbaren. Auch hier ist der Gesetzgeber gefordert, indem er es erleichtert, dass Tarifverträge für alle Beschäftigten einer Branche gelten können“, fordert Elke Hannack. Dass der Weg dahin sehr weit ist, zeigt sich am Tarifvertrag in der Altenpflege. Ver.di und die Arbeitgeber in der Pflege wollten den Tarifvertrag allgemeinverbindlich erklären lassen. Allerdings scheiterte das Vorhaben am Veto des christlichen Wohlfahrtsverbands Caritas. Dieser lehnte einen bundesweit gültigen Tarifvertrag ab.
Um alle Herausforderungen anzugehen bedarf es langfristiger Schritte. So gilt es den Gender Pay Gap, den Gender Time Gap und den Gender Care Gap dauerhaft zu reduzieren. Die WSI-Wissenschaftlerinnen haben im Gleichstellungsreport umfassende Empfehlungen formuliert.