Mit dem kommunalen Vorkaufsrecht haben Kommunen ein wichtiges Instrument um Spekulationen am Wohnungsmarkt entgegenzuwirken. Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erschwert diese Praxis allerdings. Der DGB fordert deshalb eine Gesetzesänderung, damit das Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten weiterhin angewendet werden kann und so Mieter*innen weiter geschützt werden.
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Das Vorkaufsrecht der Kommunen ist ein wichtiges Instrument, um der Spekulation am Wohnungsmarkt und explodierenden Mieten entgegenzuwirken. Damit kann eine Kommune beim Verkauf eines Grundstücks bzw. Hauses in den Kaufvertrag eintreten und das Grundstück z. B. für ein öffentliches Wohnungsunternehmen oder eine Genossenschaft „vorkaufen“.
In der Vergangenheit konnte damit immer wieder Wohnraum in von Mietpreissteigerungen und Verdrängung betroffenen Gebieten in öffentliches bzw. Gemein-Eigentum überführt werden.1857 Wohnungen hat das Land Berlin allein zwischen 2016 und 2020 vorgekauft, indem es 80 Mal das kommunale Vorkaufsrecht für bebaute Grundstücke wahrnahm (siehe Grafik). In München wurde seit 2018 in 42 Fällen von dem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht.
Jetzt erschwert ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum „Gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten mit Erhaltungssatzung“ diese Praxis erheblich. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Kommunen keinen Gebrauch von ihrem Vorkaufsrecht machen können, sofern ein Grundstück entsprechend den „Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird“ und die betroffenen Immobilien nicht in einem absolut desolaten Zustand sind.
Ebenfalls betroffen von dem Urteil ist die kommunale Praxis, Käufer*innen von Immobilien in Milieuschutzgebieten mit einer so genannten Abwendungsvereinbarung auf soziale und bauliche Ziele der Nutzung zu verpflichten. Verweigerten die Käufer*innen eine entsprechende Verpflichtung, drohte bislang der Vorkauf. Mit dem Wegfall dieser „Drohkulisse“ büßen Kommunen bzw. Bezirke ein effektives Instrument ein, um Käufer*innen zu einer mieterfreundlichen und nachhaltigen Bestandsbewirtschaftung zu bewegen.
DGB/ Quelle: Berichte über die Wahrnehmung von Vorkaufsrechten Senat von Berlin/Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass ein „Weiter so“ nicht ausreicht, um Spekulation, Mietpreissteigerungen und Verdrängung zu verhindern. Vielmehr braucht es einen massiven Ausbau des öffentlichen und kommunalen Wohnungsbestands, um langfristig leistbare Mieten zu sichern und Wohnraum aus der Spekulations- und Preisspirale zu lösen. Auch um notwendige Investitionen in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge, wie z. B. Kitas oder Krankenhäuser, umsetzen zu können, brauchen Kommunen Zugriff auf bebaubare Flächen.
Die nächste Regierungskoalition muss hier dringend Maßnahmen ergreifen. Im bislang vorliegenden Sondierungspapier sind zwar wichtige Ankündigungen – wie die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit enthalten, allerdings insgesamt nur wenige regulierende Eingriffe in den Wohnungsmarkt. Instrumente mit mietpreisbegrenzender Wirkung, wie Kappungsgrenzen, gehen zudem nicht weit genug.
Der DGB fordert daher, neben einer Investitionsoffensive in den öffentlichen und sozialen Wohnungsbau, die Einführung eines zeitlich befristeten Mietenstopps sowie eine Änderung des Paragraphen 26 BauGB. Eine solche Änderung muss Bezirke und Kommunen wieder in die Lage versetzen, das kommunale Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten anzuwenden und den Schutz der Mieter*innen in den Vordergrund zu stellen. Das ist die Lehre aus dem Bundesverwaltungsgerichts-Urteil.
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