Erste Erkenntnisse des Auftakttreffens zur Konzertierten Aktion: Löhne sind keine Inflationstreiber, die Ursachen liegen auf der Angebotsseite. Daraus müssen nun die richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise folgen. Zu strikte Geldpolitik und ein staatlicher Sparkurs gehen an den Ursachen vorbei und verschärfen die Krise.
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Am Montag trafen sich Vertreter*innen von DGB und Mitgliedsgewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Wissenschaft und Bundesbank mit dem Bundeskanzler und anderen Politiker*innen. Der Anlass: Im Rahmen einer „Konzertierten Aktion“ soll in den nächsten Monaten erörtert werden, was gegen Inflation und Energiekrise, gegen die Auswirkungen der Gas-Knappheit und andere wirtschaftliche Risiken getan werden muss.
Nach dem Auftakttreffen wurde klar: Bezüglich der aktuellen Krisen-Ursachen besteht bereits in wichtigen Punkten Einigkeit. So betonte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zu Recht, dass die Inflationstreiber „auf der Angebotsseite“ zu finden sind: „Energiekosten, Rohstoffknappheit, fehlende Vorprodukte durch unterbrochene Lieferketten […] Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber, aber die Menschen spüren die Inflation.“
Diese Erkenntnis ist wichtig. Sie räumt mit der falschen Theorie einer „Lohn-Preis-Spirale“ (besser „Preis-Lohn-Spirale“ genannt) auf, die besagt, dass es aufgrund von guten Lohnerhöhungen angeblich wieder zu Preissteigerungen kommt. Zugleich wird klar, dass die Menschen angesichts der hohen Inflation weitere Entlastungen brauchen. Die Tarifpolitik kann mit Lohnsteigerungen zur Kaufkraftsicherung beitragen. Aber auch die Bundesregierung wird erneut unterstützen müssen.
Die Analyse der Situation und der Krisen-Ursachen gibt auch ein Signal an die Finanz- und Geldpolitik, welche Maßnahmen notwendig und welche unangebracht sind: Wenn klar ist, dass keine Preis-Lohn-Spirale besteht und die Inflation nicht von einer „überhitzten“ Nachfrage angetrieben wird, muss sich etwa die Zentralbank weniger genötigt sehen, die Geldpolitik zu straffen, also die Zinsschraube zu stark anzuziehen, um so Nachfrage, Konjunktur und Preisentwicklung abzuwürgen. Eine zu strikte Geldpolitik wäre schließlich doppelt fatal: Sie würde zu neuen Spannungen in der Eurozone führen und das Wirtschaftswachstum weiter ausbremsen – in einer Zeit, in der die Rezessionsgefahr ohnehin schon steigt.
Auch die Fiskalpolitik der Bundesregierung muss berücksichtigen, dass die Inflation nicht von boomender Nachfrage getrieben wird, dass die Energiepreise vielmehr auch die Konjunktur bedrohen. Der Plan des Bundesfinanzministers, über einen staatlichen Sparkurs die Inflation bremsen zu wollen, geht an den „angebotsseitigen“ Ursachen des Preisanstiegs vorbei, ändert nichts an Gas- und Rohstoffknappheit und unterbrochenen Lieferketten.
Quelle: BMF, eigene Darstellung
Radikale Ausgabenkürzungen, wie sie die Bundesregierung für die nächsten Jahre ankündigt (siehe Grafik), bringen aber zahlreiche Probleme: Sie bremsen die Konjunktur und fördern Arbeitslosigkeit, sie gehen schnell direkt zu Lasten der Schwächeren in der Gesellschaft und sie stehen der notwendigen Erneuerung der Infrastruktur und Stärkung des Öffentlichen Dienstes entgegen.
Ein Sparkurs wäre derzeit völlig falsch. Das Gegenteil wäre richtig: Denn eine Entlastung der inflationsgeplagten Bürger*innen wird weitere Staatsausgaben nötig machen. Die Bekämpfung der Ursachen der Inflation braucht öffentliche Investitionen in erneuerbare Energien und Nahverkehr. Und eine aktive staatliche Begleitung der Transformation ist weiterhin unabdingbar, um Wirtschaft und Arbeitsplätze krisensicher zu machen.
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