Die Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds sendet fatale politische Signale: Zinserhöhungen und staatliche Sparkurse sollen die Inflation bekämpfen. Der DGB warnt: Die Strategie, die Krise durch weniger Wohlstand und mehr Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, birgt nicht nur schlimme Nebenwirkungen für die meisten Menschen, sondern verfehlt auch die Ursache und gefährdet wichtige Zukunftsinvestitionen.
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Vergangene Woche fand die Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) statt. Die politischen Signale, die von dort ausgingen, bedeuten nichts Gutes: IWF-Vize-Chefin Gita Gopinath unterstützte im Handelsblatt den Plan des Bundesfinanzministers, die Schuldenbremse wieder anzuziehen und Staatsausgaben zurückzufahren. Sie hofft, dadurch die Inflation zu bekämpfen: „Die Europäische Zentralbank erhöht die Zinsen. Aber auch die Finanzpolitik sollte ihren Beitrag leisten. Deshalb lautet unser Rat, auf eine expansive Fiskalpolitik zu verzichten“, so Gopinath im Interview.
Ein staatlicher Sparkurs und Zinserhöhungen der EZB wirken auf ähnliche Weise: Ersterer entzieht der Wirtschaft direkt Nachfrage. Letztere verteuern insbesondere Investitionen. Beides drückt das Wirtschaftswachstum und befördert tendenziell die Arbeitslosigkeit. Wenn mit der Zahl der Beschäftigten auch die Löhne sinken und die Nachfrage zurückgeht, soll das auch die Preise bremsen. Die Inflation soll also durch weniger Wohlstand und mehr Arbeitslosigkeit bekämpft werden – eine Strategie mit schlimmen Folgen für die meisten Menschen.
Zudem geht diese Strategie an den Ursachen der aktuellen Krise vorbei: Die Wirtschaft ist keineswegs aufgrund zu hoher Nachfrage „überhitzt“. Alle Prognosen sagen vielmehr einen deutlichen Einbruch der Nachfrage in den kommenden Monaten voraus. Die Inflation ist vom mangelnden Angebot – den kriegsbedingten Engpässen bei Energie und Lebensmitteln – getrieben. Die Inflationsrate im September, war zu zwei Dritteln auf den Anstieg bei Kraftstoffen, Energie und Lebensmitteln zurückzuführen (siehe Grafik). Es gibt auch keine „Zweitrundeneffekte“ – etwa in der Form, dass die Löhne aufgrund der Inflation unverhältnismäßig stiegen und dadurch Kosten und Preise weiter antrieben. Im Gegenteil: Die Löhne gehen mittlerweile seit 2021 preisbereinigt zurück. Sie müssen nicht weiter gedrückt, sondern dringend gestärkt werden.
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Die Energiepreise lassen sich weder durch die Zinspolitik noch durch staatliche Ausgabenkürzungen in den Griff bekommen. Im Gegenteil: Um die Energieversorgung sicherzustellen und auf erneuerbare Energien umzustellen, braucht es massive Investitionen – auch der öffentlichen Hand. Solche Investitionen erhöhen auch die Produktivität, sodass zusätzliche Ausgaben hier keineswegs die Inflation treiben, sondern Preise stabilisieren können.
Außerdem können Energiepreise auch kurzfristig direkt staatlich angegangen werden. Das hat die Bundesregierung erkannt und zuletzt einen (bei allem verbalen Festhalten an der Schuldenbremse letztendlich kreditfinanzierten) 200 Milliarden Euro schweren Schutzschirm aufgespannt. Der darin vorgesehene Gaspreisdeckel wurde von der eingesetzten Kommission umrissen und wird noch weiter konkretisiert. Er kann die Energiekosten für Bürger*innen und Unternehmen senken und bei richtiger Ausgestaltung direkt die Inflation drücken. Das macht große Zinsschritte der EZB noch überflüssiger.
Ein Sparkurs und zu hohe Zinsen befördern eine Rezession und gefährden wichtige Zukunftsinvestitionen. Das muss verhindert werden!
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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