SPD, Grüne und die FDP haben in ihren Sondierungsgesprächen erste Vorhaben und Ziele für eine künftige gemeinsame Bundesregierung vereinbart. Jetzt gilt es, in einem Koalitionsvertrag auszuformulieren, wie Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig, klimafreundlich und gerecht gemacht werden können.
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In Sondierungsgesprächen haben SPD, Grüne und die FDP erste Vorhaben und Ziele für eine künftige gemeinsame Bundesregierung vereinbart. Jetzt gilt es, in einem Koalitionsvertrag auszuformulieren, wie Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig, klimafreundlich und gerecht gemacht werden können. Das Ergebnispapier der Sondierungen bietet dazu im Bereich von Wirtschaftspolitik und Daseinsvorsorge Ansatzpunkte.
Gut ist beispielsweise, dass die Parteien das Problem steigender Wohnkosten erkennen und den Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr anstreben, wovon 100.000 „öffentlich gefördert“ sein sollen. Wenn klar gestellt wird, dass es sich hierbei um (dauerhaft) mietpreis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen handelt, entspricht das einer DGB-Forderung.
Auch die Ankündigung eine neue Wohngemeinnützigkeit einzuführen, ist elementar. Wenn Wohnungsunternehmen gefördert werden, die sich gemeinwohlorientierten und sozialen Kriterien statt hohen Gewinnen verpflichten, schafft das mehr bezahlbaren Wohnraum. Die im Sondierungspapier enthaltene Ankündigung, Mieterschutzregeln zu evaluieren und zu verlängern braucht aber Konkretisierung. Der Anstieg der Mietpreise muss kurzfristig effektiv gebremst werden. Der DGB fordert einen zeitlich befristeten Mietenstopp bis ausreichend bezahlbarer Wohnraum geschaffen wurde.
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Insgesamt wollen SPD, Grüne und FDP die Daseinsvorsorge stärken – schnelles Internet, gute Verkehrsanbindungen und „digitalere“ Verwaltungen schaffen. Zudem sollen die privaten und öffentlichen Investitionen (insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung, Forschung und Infrastruktur) „deutlich erhöht“ werden. Das ist auch nötig. Denn auch wenn der Staat in den letzten Jahren wieder mehr investiert hat, liegen Jahrzehnte der Stagnation hinter uns. In vielen Jahren waren die staatlichen Investitionen geringer als die Abschreibungen, die Nettoinvestitionen negativ (siehe Grafik). Zum aufgestauten Nachholbedarf kommt jetzt die nötige Modernisierung wegen Klimawandel und Digitalisierung hinzu.
Um die notwendigen zusätzlichen Mittel in Milliardenhöhe zu generieren, wäre eine Reform der Schuldenbremse sinnvoll. SPD, Grüne und FDP wollen das aber „im Rahmen der […] Schuldenbremse“ gewährleisten. In der Presse werden zur Lösung des Problems z. B. öffentliche Investitionsgesellschaften diskutiert, die nicht unter die Schuldenbremse fallen. Klar sein muss: Solche Gesellschaften müssen in öffentlicher Verantwortung liegen und als Anstalten öffentlichen Rechts – idealerweise unter Einbeziehung von Sozialpartnern und Zivilgesellschaft – ausgestaltet werden. Eine Förderung privater Investitionen ersetzt keine öffentlichen Investitionen. Teure und intransparente Öffentlich-Private-Partnerschaften und Privatisierungen sind auszuschließen.
In Sachen Verteilungsgerechtigkeit sollte die Ampel ebenfalls klarer werden: Ein gerechteres Steuersystem muss kleine Einkommen entlasten und gleichzeitig die Einnahmebasis des Staates stärken. Auch das wichtige Bekenntnis zur Stärkung der Tarifbindung im Sondierungspapier braucht Konkretisierung. Öffentliche Aufträge sollten beispielsweise unter einer neuen Regierung nur an Unternehmen gehen, die Tarifverträge anwenden.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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