DGB/Simone M. Neumann
Im Juni 2008 hatte der Chef der italienischen Zentralbank die Krise für beendet erklärt. „Probleme im Bankensektor bedeuten keine ernsthafte Bedrohung für die Gesamtwirtschaft mehr“, sagte Mario Draghi damals. Er sollte nicht Recht behalten. Die Binnennachfrage geht in fast allen westlichen Ländern zurück – und schlimmer noch: Die Exporte westlicher Industriegüter brechen ein.
Zuerst trifft es die US-amerikanischen Autobauer, dann die europäischen, dann deren Zulieferer und schließlich die gesamte Realwirtschaft. Über 40 Millionen Jobs gehen weltweit durch diese erste Krisenwelle verloren. Auch in Deutschland werden Hunderttausende arbeitslos oder auf Kurzarbeit gesetzt. Deutschland und andere Länder legen Konjunkturpakete auf – aus Sicht der Gewerkschaften müssten sie aber noch weit umfangreicher ausfallen.
Die drei US-Autokonzerne General Motors, Chrysler und Ford bitten um staatliche Darlehen in Höhe von insgesamt 34 Milliarden US-Dollar. Sie legen dem Kongress ihre Sanierungspläne vor.
Der deutsche Automobil-Zulieferer Schaeffler braucht kurzfristig einen Milliardenkredit.
Merrill Lynch ist endgültig 100-prozentige Tochter der Bank of America.
Die deutsche Autoindustrie verzeichnete im Dezember 2008 Exportrückgänge von rund 20 Prozent. Inzwischen sind zehntausende Beschäftigte der Branche in Kurzarbeit.
Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt 25 Prozent plus eine Aktie an der Commerzbank.
Die USA melden die höchste Arbeitslosigkeit seit 16 Jahren.
Die große Koalition einigt sich auf den „Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes“ – das Konjunkturpaket II enthält auch eine Umweltprämie für die Anschaffung neuer PKW („Abwrackprämie“). Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) spricht sich nach diesem zweiten Hilfspaket mit Verweis auf die Staatsverschuldung gegen weitere staatliche Konjunkturpakete aus.
Die Bank of America, die erst kurz zuvor die schwächelnde Bank Merill Lynch übernommen hatte, bekommt staatliche Milliardenhilfen der US-Regierung.
In Irland wird die Anglo Irish Bank verstaatlicht.
Als einer der ersten deutschen Großkonzerne meldet das Chemie-Unternehmen BASF wegen Umsatzeinbrüchen an verschiedenen Produktionsstätten Kurzarbeit an.
In den USA, Europa und Deutschland greift die Krise immer mehr auf die Realwirtschaft über. Der US-Konzern Chrysler muss sich mit dem italienischen Autokonzern Fiat zusammentun, um einer Pleite zu entgehen. Viele weitere deutsche Automobilhersteller und -zulieferer melden Kurzarbeit an, darunter auch die Großkonzerne VW und BMW. BMW überlegt außerdem für seine Konzern-Finanzsparte eine Staatsbürgschaft zu beantragen. Auch in Frankreich steckt die Automobilindustrie in einer massiven Absatzkrise. Frankreichs Regierung kündigt Staatshilfen von fünf bis sechs Milliarden Euro für die Autobranche an. Auch der Handelskonzern Metro kündigt ein massives Sparprogramm an, mit dem bis 2012 15.000 Stellen weltweit abgebaut werden sollen – Metro begründet die Sparpläne mit „Produktivitätsverbesserungen“.
Die Hypo Real Estate erhält weitere Staatsgarantien – noch einmal zwölf Milliarden Euro.
Die Bundesregierung erwartet für 2009 die schwerste Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik mit einem Minus des Bruttoinlandsprodukts von 2,25 Prozent.
Immer mehr Industrieunternehmen geraten in den westlichen Ländern unter Druck – nicht mehr nur in der Automobilbranche. Vor allem sinkende Exportnachfragen sorgen in Deutschland für Probleme. Audi und Ford melden an den deutschen Standorten ebenfalls Kurzarbeit an. Der deutsche Chip-Hersteller Qimonda geht Pleite, der US-Chiphersteller AMD meldet Milliardenverluste. Der US-Maschinenbauer Caterpillar kündigt in Folge der Krise an, 20.000 Stellen abzubauen. Die Kunden des Flugzeugherstellers Airbus können ihre Bestellungen nicht bezahlen. Deutschland und Frankreich, die an Airbus beteiligt sind, erwägen staatliche Kredithilfen für die Airbus-Kunden.
Die Auswirkungen der Krise auf den deutschen Arbeitsmarkt werden immer deutlicher: Die Bundesagentur für Arbeit meldet allein im Januar fast 400.000 Arbeitslose mehr – trotz massiver Kurzarbeit.
Die Bundesregierung erklärt, die Hypo Real Estate nicht Pleite gehen zu lassen. Allein im Januar 2009 sind in Deutschland und weltweit zwei- bis dreistellige staatliche Milliardenbeträge zur Bankenrettung bereitgestellt oder beantragt worden: Zwölf Milliarden für die deutsche Hypo Real Estate, 35 Milliarden US-Dollar für den US-Immobilienfinanzierer Freddie Mac, 16 Milliarden US-Dollar für die US-Hypothekenbank Fannie Mae und in den Niederlanden übernimmt der Staat ein Kreditpaket der ING-Gruppe im Wert von über 22 Milliarden Euro. ING kündigt außerdem einen Stellenabbau von rund 7000 Arbeitsplätzen an.
Frankreich wollte ursprünglich fünf bis sechs Milliarden Euro für seine angeschlagenen Automobilhersteller zur Verfügung stellen – nun werden es 6,5 Milliarden Euro. Die EU untersucht, ob die staatlichen Hilfen gegen europäisches Recht verstoßen.
Der deutsche Bankenrettungsfonds stellt der Hypo Real Estate weitere zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Die Schweizer Bank Credit Suisse meldet einen Jahresverlust von 5,5 Milliarden Euro.
Die deutschen Exportzahlen für Dezember und Januar werden bekannt: Insgesamt sinken die Exporte um 7,7 Prozent, die der Maschinenbauer sogar um 40 Prozent. In der Euro-Zone geht die Industrieproduktion so stark zurück, wie noch nie zuvor in einem einzigen Monat seit Beginn der Statistik. Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im letzten Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,1 Prozent.
Woche der Wahrheit bei vielen Autobauern weltweit: Daimler meldet eine Halbierung des Konzerngewinns, General Motors (GM) und Chrysler müssen ihre Sanierungspläne vorstellen, mit denen sie staatliche Hilfen beantragen. Chrysler will 3000, General Motors sogar 47.000 Stellen streichen. Opel, eine GM-Tochter, rückt in Deutschland ins Zentrum politischer Diskussionen.
Die HSH Nordbank, zum Großteil im Besitz der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein, will Ausschüttungen an ihre Anteilseigner vornehmen – trotz Abbau von 1100 Arbeitsplätzen und Milliardenverlusten.
Das Bundeskabinett beschließt einen Gesetzentwurf, der Bankkunden vor Fehlberatung und Verlust ihrer Spareinlagen schützen soll.
Der Automobilzulieferer Continental meldet massive Verluste. Erst kürzlich hatte der wesentlich kleinere Auto-Zulieferer Schaeffler den Conti-Konzern für zehn Milliarden Euro übernommen – jetzt sind die Continental-Aktien nur noch zwei Milliarden Euro wert. Schaeffler droht die Pleite. Beschäftigte demonstrieren für Staatshilfen.
Das deutsche Konjunkturpaket II passiert den Bundesrat und kann in Kraft treten. Am selben Tag meldet der schwedische Auto-Hersteller Saab, wie Opel Tochter von General Motors, Insolvenz an.
Der Opel-Aufsichtsrat legt einen Rettungsplan für den Autobauer vor: Gemeinsam mit der einer anderen europäischen General Motors-Tochter, Vauxhall, will man sich aus dem GM-Konzern lösen und neue Investoren suchen.
Die US-Hypothekenbank Fannie Mae macht trotz Milliardenstützen des Staates fast 60 Milliarden US-Dollar Verlust.
Weitere Banken brauchen Hilfen oder melden Verluste: Die Commerzbank, vom Bund teilverstaatlicht, hat einen Verlust von fast einer halben Milliarde Euro erwirtschaftet. Die Volkswagen Bank erhält zwei Milliarden Euro aus dem Bankenrettungsschirm.