Deutscher Gewerkschaftsbund

24.03.2022
GKV-Finanzen

Mit der Reformzange die Finanzlücken schließen

Die gesetzlichen Krankenkassen befinden sich in einer äußerst angespannten Finanzlage. Deshalb muss die Bundesregierung dringend geeignete und gerechte Maßnahmen vorlegen, um die GKV wieder finanziell zu stabilisieren. Während auf der Ausgabenseite Verschlechterungen der Versorgung auszuschließen sind, bedarf es einnahmenseitig einer deutlichen Stärkung des Solidarprinzips.

Stethoskop auf Geldscheinen abgelegt

Colourbox.de

Gleich zweimal innerhalb einer Woche ließen Nachrichten zu den GKV-Finanzen aufhorchen. Zuerst wurde berichtet, dass die Krankenkassen das Jahr 2021 mit einem Rekorddefizit von 5,6 Mrd. Euro abgeschlossen haben. Wenige Tage später folgte eine GKV-Prognose, nach der die Krankenkassen im Jahr 2023 mit einer Finanzierungslücke von 17 Mrd. Euro rechnen. Damit ist offenkundig, dass die GKV ein dringendes Finanzierungsproblem hat. In den vergangenen Legislaturperioden wurden die Ausgaben der GKV insbesondere zur Ausweitung von Leistungsvergütungen erhöht, während keine Maßnahmen zur Gegenfinanzierung getroffen wurden. Letztlich wurden die Krankenkassen durch bundespolitische Entscheidungen in eine Situation gebracht, in der dauerhaft Ausgaben stärker wachsen als Einnahmen. Das Ergebnis ist ein jährlich wachsendendes Loch in den Finanzen. Spürbare Verbesserungen der Versorgungssituation werden damit aber nicht erzielt. Laut einer Prognose des IGES-Instituts soll dieses Finanzloch bis 2025 jedes Jahr um knapp 4 Mrd. Euro wachsen.

Verschärfend kommt hinzu, dass im vergangenen Jahr massiv auf die Rücklagen der Krankenkassen zugegriffen wurde, um die Gesamtsumme der Beitragssätze der Sozialversicherungen unter 40 Prozent zu halten. Dadurch wurde die Widerstandskraft der Krankenkassen gegenüber Krisen weiter geschwächt. Krisen, die sich bei anhaltender Pandemie und gleichzeitiger ökonomischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegenseitig zu verstärken drohen. Zudem birgt die Russland-Krise das Risiko, den fiskalpolitischen Handlungsspielraum weiter einzuschränken: Sollte die Ampel-Regierung tatsächlich an der schwarzen Null festhalten wollen, so setzen die angekündigten Rüstungsvorhaben auch die erforderlichen Bundesmittel für die GKV unter zusätzlichen Spardruck. Im Jahr 2022 wurden die Beitragssätze der GKV nämlich nur deshalb nicht erhöht, weil der Bund den ergänzenden Bundeszuschuss kurz vor knapp auf insgesamt 14 Mrd. Euro erhöht hat.

Stabile Finanzen, gute Versorgung

Die Bundesregierung muss zeitnah handeln, um die GKV als den zentralen Anker einer guten Gesundheitsversorgung finanziell zu stabilisieren. Letztlich muss die Ampel dazu das Auseinanderstreben von Einnahmen und Ausgaben mit der Reformzange wieder zusammen führen. Auf der Ausgabenseite müssen Versichertenbeiträge konsequent für eine gute Versorgung und nicht für private Profitinteressen verwendet werden. Das Versprechen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, keine Leistungskürzungen vorzunehmen, muss uneingeschränkt gelten. Versorgungsunwirksame Vergütungssteigerungen wie beispielsweise die extrabudgetäre Vergütung von Sprechstundenzeiten oder die weitgehend freie und nutzenunabhängige Vergütung von digitalen Gesundheitsanwendungen sind zeitnah zu korrigieren. Auch die überfälligen Reformen der Versorgungsstrukturen und Vergütungssysteme müssen endlich angegangen werden; im Sinne einer integrierten, sektorenübergreifenden und bedarfsgerechten Versorgung. Das ist zwingend erforderlich, um auch die beiden Kostentreiber Mehrfachbehandlungen und Mengenausweitungen zu bekämpfen.

Nicht zuletzt muss die Reformzange aber auf der Einnahmenseite greifen. Gerade auf kurze Sicht muss die Beteiligung des Bundes gestärkt und ebenso verlässlich wie angemessen gestaltet werden. Noch immer zahlt der Bunde keine kostendeckenden Beiträge für ALG-II-Bezieher*innen. Auch die Kostenübernahme für von der GKV übernommene gesamtgesellschaftliche Leistungen muss zuverlässig geregelt werden. Letztlich ist jedoch klar: Eine leistungsfähige und krisenfeste Gesundheitsversorgung für alle lässt sich nur solidarisch finanzieren. Seit Jahrzehnten ist klar, dass der Dualismus des Krankenversicherungssystems in diesem Sinne überwunden werden muss. Die Bürgerversicherung ist und bleibt die zentrale Reformperspektive für eine nachhaltige wie gerechte Finanzierung – auch wenn sich die Spitzen der FDP und CDU/CSU dieser Einsicht noch immer versperren.

Zugleich darf die Blockadehaltung der FDP bei der Bürgerversicherung nicht zur Abwehr jeglicher Forderungen nach einer Stärkung solidarischer Gesundheitsfinanzierung führen. Das wäre angesichts der Zusammensetzung der Ampel-Koalition geradezu grotesk. Besserverdienende müssen stärker an der Finanzierung der Gesundheitsrisiken beteiligt werden. Das ist auch unter Beibehaltung des Dualismus von GKV und PKV möglich. Mehr Besserverdienende müssen Beitragszahlende in der GKV werden, sprich:  die Versicherungspflichtgrenze muss deutlich angehoben werden.

Im Sinne einer gerechten Lastenverteilung und des Prinzips einkommensabhängiger Beiträge muss in jedem Fall die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze immer den Vorrang vor der Anhebung der Beitragssätze haben.


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