Deutscher Gewerkschaftsbund

26.01.2022

Arbeitsschutz: Deutschland ohne Aufsicht

von Annika Wörsdörfer, SOP

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat vor wenigen Tagen den "Bericht über Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2020" veröffentlicht. Der DGB hat den aktuellen Bericht ausgewertet und stellt in Bezug auf die Arbeitsschutz-Überwachung eklatante Lücken fest. Die Bundesregierung hat in Ende 2020 zwar das Arbeitsschutzkontrollgesetz verkündet, eine zügige Umsetzung liegt jedoch in den Händen der neuen Regierung.

Drei Bauarbeiter*innen / Handwerker*innen mit Schutzhelm und Mund-Nasen-Schutz; blicken mit verschränkten Armen nach links

DGB/123rf.com/visoot

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat vor wenigen Tagen den "Bericht über Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2020" veröffentlicht. Das Berichtsjahr 2020 war von der Corona-Pandemie geprägt. Die Bekämpfung und Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 erforderten wirksame und koordinierte Maßnahmen zur Sicherstellung eines ausreichenden Infektionsschutzes. Die einzelnen Aktivitäten der Arbeitsschutzbehörden und der Unfallversicherungsträger zur Bewältigung der Pandemie werden im diesjährigen Bericht vorgestellt.

Der DGB hat den aktuellen Bericht ausgewertet und stellt in Bezug auf die Arbeitsschutz-Überwachung eklatante Lücken fest. Dem Bericht nach sind bundesweit 1.490 Aufsichtspersonen mit Arbeitsschutzaufgaben betraut. Rechnerisch macht das 25.362 Beschäftigte, die auf eine Aufsichtsperson kommen. In einigen Bundesländern, wie z.B. Bayern, beträgt das Verhältnis sogar 40.000 Beschäftigte auf eine Aufsichtsperson. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) empfiehlt jedoch im Übereinkommen 81 eine Quote von maximal 10.000 Beschäftigten pro Aufsichtsperson. Deutschland verfehlt damit internationale Vorgaben zusehends. Selbst der Bericht spricht mit Blick auf die vergangenen Kontrolltätigkeiten von einem "keinesfalls zufriedenstellenden Arbeitsschutzniveau". Aufsichtsdienste müssten "gestärkt" und mehr "aktive Betriebsbesichtigungen" angestrebt werden. Für den DGB kann eine Bankrotterklärung in der Arbeitsschutz-Überwachung kaum noch deutlicher ausfallen.

Die Zahl der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen ging zuletzt von bundesweit auf 128.000 Besichtigungen deutlich zurück, lag die Zahl zwei Jahre zuvor noch bei 167.000. Als einer der Gründe für den starken Rückgang verortet der DGB die Anweisung Arbeitsschutzkontrollen vom heimischen Schreibtisch auszuführen. Nach Ansicht des DGB können wirksame Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden können jedoch nur vor Ort im Betrieb stattfinden, da die Behörden erst dort ihre Beratungs- und Überwachungsaufgaben vollständig wahrnehmen können. Nicht alle Beschäftigten arbeiten vor Infektionsgefährdungen und tödlichen Arbeitsunfällen geschützt im häuslichen Bereich. Der Bedarf an wirksamen Kontrollen ist hoch. Im Berichtsjahr ist rein statistisch alle vier Tage ein Bauarbeiter tödlich verunglückt. Auch die Zahl von insgesamt 77.115 meldepflichtigen Arbeitsunfällen von Januar bis September ist auf einem erschreckend hohen Niveau.

Die Bundesregierung hat in Ende 2020 zwar das Arbeitsschutzkontrollgesetz verkündet, eine zügige Umsetzung liegt jetzt jedoch in den Händen der neuen Regierung. Durch Einführung einer Mindestbesichtigungsquote im Arbeitsschutzgesetz soll schrittweise eine deutliche Steigerung bei den Betriebsbesichtigungen erreicht werden. Die 96. Arbeits- und Sozialministerkonferenz hatte 2019 die Einführung einer jährlichen Mindestbesichtigungsquote von fünf Prozent der im jeweiligen Land vorhandenen Betriebe einschließlich eines Zielkorridors bis 2026 einstimmig gebilligt und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebeten, die Absprachen gesetzlich zu fixieren. Der DGB stellt bei der gegenwärtigen Entwicklung fest, dass es eines schnellen und entschlossenen Handelns bedarf, um nicht der weiteren Erosion der Aufsichtstätigkeiten der Arbeitsschutzbehörden der Länder zusehen zu müssen.


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