Vergangene Woche haben in Thüringen CDU und FDP mit den Stimmen der AfD einen Gesetzentwurf zur Grunderwerbsteuer durchgesetzt. Dieser Entwurf entlastet vor allem Reiche und fördert die gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Wer auf eine gute Infrastruktur und eine verlässliche Erledigung öffentlicher Aufgaben angewiesen ist, sollte den simplen Steuersenkungsversprechen nicht auf den Leim gehen.
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Bröckelt die „Brandmauer“ nach rechts? Diese Frage nach dem Verhältnis der Konservativen zur rechtsextremen AfD beherrschte vergangene Woche die Schlagzeilen, denn im Thüringer Landtag hatten Christdemokraten und Liberale mit den Stimmen der AfD einen Gesetzentwurf zur Grunderwerbsteuer durchgesetzt. Zu Recht richtete sich die öffentliche Empörung dagegen, dass gemeinsame Sache mit der Partei des Faschisten Björn Höcke gemacht wurde. Es lohnt aber auch ein Blick darauf, zu wessen Gunsten das geschieht. Denn das beschlossene Gesetz entlastet Reiche stärker und wird für die Allgemeinheit teuer.
So soll in Thüringen der Grunderwerbsteuersatz für Immobilienkäufer ab Januar um 1,5 Prozentpunkte abgesenkt werden. Dazu soll bei Ersterwerb einer selbst genutzten Immobilie bis zur Wertobergrenze von 500.000 Euro eine Förderung gezahlt werden, die der entrichteten Steuer entspricht. Anders als bei anderen Förderprogrammen, soll dieser Zuschuss unabhängig davon gezahlt werden, wie hoch das Einkommen der Häuslebauer ist oder wie viele Kinder sie haben. Im Vergleich zur geltenden Rechtslage wird der alleinstehende Erwerber einer 2 Millionen Euro teuren Villa davon einen Vorteil von 55.000 Euro haben, eine Familie, die sich ein Haus für nur 350.000 Euro leisten kann, wird dagegen nur um 22.750 Euro entlastet.
Tatsächlich sind die Grunderwerbsteuersätze in manchen Bundesländern vergleichsweise hoch (siehe Grafik). Das hat aber einen Grund: Mit dem Aussetzen der Vermögensteuer ab 1997 gingen erhebliche Einnahmeausfälle für die Bundesländer einher. Zum Ausgleich wurde die Grunderwerbsteuer angehoben, die wie die Vermögensteuer den Ländern zusteht. Da die Anhebung nicht ausreichte und die finanzielle Situation der Bundesländer weiter auseinanderdriftete, durften die Länder ab 2006 die Steuersätze selbst bestimmen. Kein Wunder, dass vor allem Länder in angespannter Finanzlage, wie Thüringen, davon stärker Gebrauch machen mussten.
Mit dem Aussetzen der Vermögensteuer ab 1997 gingen erhebliche Einnahmeausfälle für die Bundesländer einher. Deshalb dürfen die Bundesländer seit 2006 die Höhe der Grunderwerbsteuer selbst bestimmen. DGB
Nicht nur die Aussetzung der Vermögensteuer entlastete Reiche auf Kosten der Länderhaushalte. Im ganz großen Immobiliengeschäft wird ohnehin oft gar keine Grunderwerbsteuer gezahlt, weil sich die handelnden Unternehmen mit so genannten Share Deals der Steuer entziehen. Der Antrag der Thüringer CDU enthält kein Wort zu diesen Steuertricks, ihre Abschaffung wird von Konservativen im Bund seit Jahren verweigert.
Die Bundesländer tragen die Hauptverantwortung für zentrale gesellschaftliche Aufgaben wie den sozialen Wohnungsbau oder die Bildung. Deren Finanzierung darf nicht weiter ausgedünnt werden. Nur Top-Vermögende, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, können darauf verzichten. Wer auf eine gute Infrastruktur und eine verlässliche Erledigung öffentlicher Aufgaben angewiesen ist, sollte deshalb simplen Steuersenkungsversprechen nicht auf den Leim gehen. Auch nicht, wenn tatsächlich ein Hauskauf angestrebt wird. Denn: Was hilft es, Grunderwerbsteuer zu sparen, wenn Gebühren für Kitas, Hausanschlüsse und anderes zum Ausgleich steigen?
Wer erwerbstätig ist und für sich und seine Kinder bezahlbaren Wohnraum und gute Bildung bei moderaten Steuern wünscht, kommt nicht um die Forderung nach einer gerechteren Lastenverteilung zwischen oben und unten herum. Sozialstaatsfeindliche, ungerechte Steuersenkungsversprechen von Rechts stehen dem entgegen.
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