Die Reallöhne steigen zum 1. Mal seit 2 Jahren wieder. Das ist eine positive Entwicklung, an der die Gewerkschaften maßgeblich mit beteiligt waren. Kleine und mittlerere Einkommen stehen allerdings weiterhin unter Druck – es braucht weiterhin kaufkraftstabilisierende Maßnahmen.
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Im 2. Quartal sind die Löhne – erstmals seit 2 Jahren – preisbereinigt gegenüber dem Vorjahreszeitraum wieder gestiegen (siehe Grafik). Das teilte das Statistische Bundesamt diese Woche mit. Zwar betrug dieser Anstieg nur 0,1 Prozent. Angesichts der noch immer hohen Inflationsrate von 6,5 Prozent ist das trotzdem eine Entwicklung, die Hoffnung macht.
Die positive Entwicklung ist auch auf die guten Tarifabschlüsse der Gewerkschaften zurückzuführen. Darüber hinaus wirkt sich die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im vergangenen Oktober positiv aus. Davon profitieren auch geringfügig Beschäftigte, die im zweiten Vierteljahr mit einem Plus von 9,7 Prozent die größten Lohnsteigerungen erhielten.
So manche sprechen bereits von einer Trendwende. Aber zum einen ist nicht garantiert, dass sich die positive Entwicklung der Reallöhne auch auf das Gesamtjahr überträgt. Zum anderen lassen sich mit einem Reallohn-Plus von 0,1 Prozent noch keine großen Sprünge machen – auch angesichts der starken Einkommensverluste in den letzten Jahren.
Fakt ist: Die private Konsumnachfrage schwächelt weiter, wie auch die jüngste Konjunkturprognose des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) bestätigt. Gerade kleine und mittlere Einkommen stehen weiterhin unter Druck. Besonders die Preise für Nahrungsmittel und Haushaltsenergie sind nach wie vor hoch, ebenso die Mietbelastung.
Ob die Energiepreisbremsen über das Jahr 2023 weitergeführt werden, wie vom DGB gefordert, ist unklar. Einem Mietenstopp erteilt die FDP eine Absage. Hinter den Neubauzielen für bezahlbaren Wohnraum fällt die Bundesregierung weit zurück. Weitere kaufkraftstabilisierende Maßnahmen, wie die Einführung eines sozialen Klimageldes oder die vom DGB geforderte Anhebung des Grundfreibetrags auf 14.500 Euro sind nicht in Sichtweite. Ob die für die Kindergrundsicherung veranschlagten Mittel von nunmehr 2,4 Mrd. Euro für eine wirksame Armutsbekämpfung ausreichen, bleibt fraglich. Die Mindestlohnkommission hat sich, ohne die Zustimmung der Gewerkschaften, gegen eine kaufkraftsichernde Anhebung des Mindestlohns entschieden. All diese Punkte zeigen beispielhaft den weiteren Handlungsbedarf bei der Stärkung der Massenkaufkraft.
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Was es aber vor allem braucht, um die Trendwende bei den Reallöhnen nachhaltig wirksam zu machen, sind weiterhin kräftige Lohnsteigerungen in den kommenden Tarifverhandlungen.
So starten im November beispielsweise die Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie Nordwest und Ost. Die Diskussion um die Forderungen läuft. Die Beschäftigten wollen mehr Geld und kürzere Arbeitszeiten.
Auch stehen im Herbst die Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst der Länder an. Eine bessere Bezahlung der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist notwendig: Die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand wird schließlich nicht nur durch notwendige Investitionen in die Infrastruktur sichtbar, sondern auch durch ausreichend gut bezahltes und ausgestattetes Personal in den Schulen, Landesämtern oder bei der Polizei.
Damit gute Lohnabschlüsse und Arbeitsbedingungen insgesamt mehr Beschäftigten zugutekommen, muss die Tarifbindung gestärkt werden. Dafür muss das Bundestariftreuegesetz endlich kommen. Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung müssen unterbunden werden, die Allgemeinverbindlicherklärung erleichtert und weitere Maßnahmen ergriffen werden.
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