Die Wirtschaftsweisen haben wieder ihr Jahresgutachten vorgestellt. Der aktuelle Titel lautet: „Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten“. Darin diskutieren die Wirtschaftsweisen über geeignete Auswege aus der Krise und über Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Viele der Vorschläge sind im Sinne des DGB. Aber vor allem in der Steuerpolitik braucht es ein dauerhaft gerechteres Steuersystem.
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Jedes Jahr im November veröffentlichen die Wirtschaftsweisen im „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ ihr Jahresgutachten. Früher lauteten die Titel schonmal „Mehr Vertrauen in Marktprozesse“ oder gar „Für Wachstumsorientierung – gegen lähmenden Verteilungsstreit“.
Doch die Zeiten marktradikaler Ideologie und Politik-Empfehlungen gegen die Mehrheit der Menschen scheinen im Rat vorerst überwunden. Der aktuelle Titel des Jahresgutachtens lautet „Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten“. Auf 431 Seiten diskutieren die Wirtschaftsweisen geeignete Auswege aus der Krise sowie wirtschaftspolitische Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Ihre Politikempfehlungen gaben sie erstmals seit langem einstimmig ab.
Viele Empfehlungen sind aus Sicht des DGB richtig. So fordert der Sachverständigenrat weitere Unterstützung durch direkte Transfers für besonders von der hohen Inflation Betroffene. Auch die Empfehlung, einen befristeten Energie-Solidaritätszuschlag für Bestverdienende oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes einzuführen, um die Krisenlasten gerechter zu finanzieren, ist gut. Allerdings braucht es nicht nur temporär, sondern dauerhaft ein gerechteres Steuersystem. Der DGB hat detaillierte Vorschläge gemacht, wie die große Mehrheit der Bevölkerung entlastet und Superreiche stärker in die Pflicht genommen werden können.
Der Sachverständigenrat sieht der wirtschaftlichen Entwicklung etwas optimistischer entgegen als andere. Er rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von +1,7 Prozent in diesem und -0,2 Prozent im kommenden Jahr (siehe Grafik). Die Bundesregierung und die Gemeinschaftsdiagnose verschiedenerer Wirtschaftsforschungsinstitute hatten mit -0,4 Prozent zuletzt einen doppelt so starken Rückgang der Wirtschaftsleistung in 2023 vorhergesagt.
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Aber natürlich bleiben die Risiken für die Wirtschaftsentwicklung groß. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass der Rat die Geldpolitik aufruft, auf die konjunkturelle Entwicklung Rücksicht zu nehmen. Denn eine zu restriktive Geldpolitik der EZB und zu schnell steigende Zinsen bremsen die Wirtschaft unnötig aus. Sie gehen außerdem an den Ursachen der Inflation – den hohen Energie- und Lebensmittelpreisen vorbei. Unter Druck dürfte das Wirtschaftswachstum insbesondere kommen, wenn der private Konsum einbricht. Um diesen zu stabilisieren, braucht es aus Sicht des DGB gezielte Entlastungen des Staates, aber auch ordentlich steigende Tariflöhne.
Gut ist, dass sich die Wirtschaftsweisen gegen einen öffentlichen Sparkurs aussprechen. So wird im Gutachten auch eine Ausweitung der staatlichen Kreditaufnahme nicht ausgeschlossen und eine Reform der europäischen Schuldenregeln zur Finanzierung „zukunftsorientierter Ausgaben“ angeregt. Auch die Notwendigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien wird betont. Der DGB fordert seit langem, öffentliche Investitionen in die sozial-ökologische Transformation und eine gute Infrastruktur auszuweiten und auch über Kredit zu finanzieren.
Auch in den Bereich der Daseinsvorsorge muss mehr investiert werden. Wie es um diesen Posten im Bundeshaushaushalt bestellt ist und was starke Daseinsvorsorge leisten kann, diskutieren wir nächste Woche in einer Online-Veranstaltung.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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