Deutscher Gewerkschaftsbund

01.03.2023

Fokusgruppe private Altersvorsorge

Das Finanzministerium hat eine Fokusgruppe eingerichtet, die zwei Prüfaufträge abarbeiten soll: Die Möglichkeiten zur Zulassung von privaten Produkten mit höheren Renditen und die Ausgestaltung eines öffentlich verwalteten Alterssicherungsfonds mit Abwahlmöglichkeit. Der DGB nimmt an der Fokusgruppe teil und hat hierzu eine Stellungnahme eingereicht.

Hände eines älteren Menschen halten Münzen

DGB/Anna Nikonorova/123rf.com

In den 2000er Jahren hat der Bundestag beschlossen, dass Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung auf bis zu 43 Prozent in 2030 und danach noch weiter abzusenken. Ziel war, den Beitragssatz zur GRV zu begrenzen, um die Arbeitgeber bei den Lohnkosten zu entlasten. Die Beschäftigten sollen den abgebauten vormals verpflichtenden und paritätisch finanzierten Teil durch freiwillige private Altersvorsorgeprodukte ausgleichen. 20 Jahre später lässt die Verbreitung mehr als nur zu wünschen übrig. Nur rund sieben Millionen Personen „riestern“ annähernd wie vorgesehen. Die Produkte sind vielfach sehr teuer, intransparent und renditeschwach. Zuletzt führte der niedrige Zins in Verbindung mit den hohen Provisionen und Abschlussgebühren dazu, dass in der Regel nicht mal mehr die eingezahlten Beiträge garantiert werden können. Unklar ist bis heute, da diese Daten nicht erhoben werden, wie hoch die Renten aus den geförderten Riesterverträgen tatsächlich sind.

Neben der makroökonomisch umstrittenen Frage, ob Kapitaldeckung überhaupt (generationen)gerechter, fairer oder effizienter ist, hält die Realität offensichtlich nicht was versprochen und erwartet wurde. Die Versicherungswirtschaft macht dafür die Regulierung und die strengen Vorgaben verantwortlich und will mit dem Geld der Versicherten mehr Risiken eingehen und weniger Garantien und Haftungen übernehmen. Einen Eingriff in die Kosten- und Vertriebsstrukturen lehnt die Versicherungswirtschaft ab. Aus Sicht des DGB haben sind individuelle Produkte kein sinnvoller Teil einer staatlichen Alterssicherungspolitik und sollten daher nicht weiter forciert werden.

Die Ideen eines verpflichtenden staatlichen Fonds mit Abwahlmöglichkeit erscheint, mit Blick auf die schlechten privaten Produkte, zwar als sinnvoller. Aus sozial- und verteilungspolitischer Perspektive ist es jedoch eher, wie den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Denn die Vorschläge zum Staatsfonds drücken sich weitgehend vor der Leistungsphase, wollen keine Erwerbsminderungsrenten absichern, arbeiten mit noch höheren Renditeerwartungen als die Versicherungswirtschaft und verfestigen durch ihren verpflichtenden Charakter die Beitragslastverschiebung auf die Beschäftigten. Denn, werden die Beschäftigten staatlicherseits gedrängt (neudeutsch nudging), vier Prozent ihres Bruttolohns direkt über den Arbeitgeber an einen Staatsfonds abzugeben, wird der Spielraum für eine Betriebsrente verengt. Zumal die Vorschläge zum Staatsfonds regelmäßig vorschlagen, diesen als Standardbetriebsrente gerade für kleiner Betriebs zu etablieren. Damit aber würden die Arbeitgeber, staatlich flankiert, endgültig aus ihrer Finanzierungsverantwortung für eine gute Alterssicherung ihrer Beschäftigten entlassen. Sozialpolitisch eine Rolle rückwärts mit Ansage.

Für den DGB ist klar, dass es viele private Gründe gibt, eine zusätzliche Rentenversicherung abzuschließen. Teil einer sozialen staatlich-regulierten Alterssicherungspolitik können sie nicht sein, da individuellen Verträgen jeder soziale Ausgleich fremd ist, sowohl zwischen arm und reich wie auch zwischen den Generationen. Zumal die Umverteilung zwischen den Generationen bei kapitalgedeckten, privaten Rentenversicherungen nicht nur weniger offensichtlich als in der transparenten und demokratisch kontrollierbaren gesetzlichen Rentenversicherung ist, sie ist faktisch sogar Geschäftsgeheimnis der gewinnorientierten privaten Versicherungen.

Die näheren Ausführungen und Hinweise sind in der Stellungnahme zur Fokusgruppe private Altersvorsorge ausführlich erläutert.


Nach oben

sozialpolitik aktuell - Newslettermeldungen

07.03.2024
Warum wir einen star­ken So­zi­al­staat und ge­schlech­ter­sen­si­ble Me­di­zin brau­chen
Hand hält Stethoskop ins Bild
DGB/everythingpossible/123rf.com
Ein handlungsfähiger und gerechter Sozialstaat kommt allen zugute. Er stärkt die Demokratie und gleicht strukturelle Ungleichheiten aus. Bestimmte Gruppen sind besonders auf ihn angewiesen, darunter viele Frauen, die mit Blick auf das Thema Frauengesundheit und geschlechtersensible Gesundheitsversorgung weiterhin benachteiligt sind.
weiterlesen …

04.03.2024
Die Trag­fä­hig­keit des So­zi­al­staats ist ei­ne po­li­ti­sche Ent­schei­dung, kein Na­tur­ge­setz!
Stethoskop auf Geldscheinen abgelegt
Colourbox.de
Eine gute Versorgung kostet Geld. Wer Sozialbeiträge senken will, stellt die Verteilungsfrage. Dies wollen die Familienunternehmer und die Jungen Unternehmer. Sie haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches mit Formulierungen von Kipppunkten und Analogien zum Klimawandel die Verteilungswünsche der Unternehmen als Naturgesetze verkauft. Kritik adelt Schund, aber sie ist hier dringend nötig.
weiterlesen …

23.02.2024
Kurs­wech­sel jetz­t: Ren­ten­ni­veau dau­er­haft sta­bi­li­sie­ren
Frau hält Tafel mit Schriftzug "Rente"
DGB/Bjoern Wylezich/123rf.com
Es bleibt uns noch zu sagen: Das Rentenniveau muss dauerhaft stabilisiert und wieder angehoben werden. Die Arbeitnehmer*innen brauchen eine gute verlässliche Alterssicherung – heute und in Zukunft. Dazu muss die Regierung die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung endlich auf den Weg bringen.
weiterlesen …

19.12.2023
Nach der Pfle­ge­re­form ist vor der Pfle­ge­re­form
Foto von zwei Krankenpflegern (von hinten fotografiert) in blauen Kasacken, die in einem Krankenhausflur ein Krankenhausbett schieben.
DGB/Thomas Range
Obwohl 2024 weitere Teile der letzten Reform in Kraft treten, verbessert sich die Situation für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen nicht wesentlich. Massiv steigende Eigenanteile belasten pflegebedürftige Menschen in den Heimen.
weiterlesen …