Deutscher Gewerkschaftsbund

19.12.2023
Pflegepolitik

Nach der Pflegereform ist vor der Pflegereform

Obwohl 2024 weitere Teile der letzten Reform in Kraft treten, verbessert sich die Situation für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen nicht wesentlich. Massiv steigende Eigenanteile belasten pflegebedürftige Menschen in den Heimen. Die angekündigte Strukturreform lässt weiter auf sich warten.

Mit Inkrafttreten des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes zur Jahresmitte 2023 wurden nur einige wenige der im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen zur finanziellen Entlastung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen Realität. Vor dem Hintergrund der schlechten finanziellen Bedingungen durch die Inflation sowie die massiv gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten verpufften viele Maßnahmen zur Stabilisierung der finanziellen Situation in der Pflege schnell. Trotz deutlich gestiegener Alterseinkünfte wird demnach der Anteil der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, bis Ende des Jahres wieder auf ein Drittel anwachsen.

Mit Beginn des neuen Jahres 2024 tritt der zweite Teil der Reform in Kraft. Erneute Leistungszuschläge zum Eigenanteil stationär Pflegebedürftiger werden um 5-10 Prozent (je nach Dauer der Pflegebedürftigkeit) angehoben. Dieser Betrag ist aus Sicht des DGB jedoch viel zu gering und wird von der zu erwartenden Lohnentwicklung in der Pflege sowie den steigenden Lebenshaltungskosten umgehend egalisiert werden. Notwendig ist hingegen die lange versprochene Strukturreform in der Pflegeversicherung mit einer Deckelung der Eigenanteile in einem ersten Schritt und danach die Etablierung einer Pflegebürgervollversicherung, die alle pflegerischen Leistungen zuverlässig übernimmt.

Auch wenn mit Beginn des kommenden Jahres das Pflegegeld sowie ambulante Sachleistungen um 5 Prozent angehoben werden, findet damit kein adäquater Inflationsausgleich seit dem Zeitraum der letzten Anpassung im Jahre 2017 statt. Erst zum 1. Januar 2025 sowie zum 1. Januar 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert werden. Aus Sicht des DGB greift diese Regelung trotz Erhöhung der ambulanten Geld- und Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 viel zu spät und lässt die Pflegebedürftigen mit den Auswirkungen der massiv gestiegenen Inflations- und Lebenshaltungskosten allein. Der DGB hatte sich beim Gesetzgeber für die Beibehaltung der regelhaften Dynamisierung auf Basis der kumulierten Inflationsrate der letzten drei Jahre schon ab 2024 und dann wieder 2027 eingesetzt.

Immerhin beim Pflegeunterstützungsgeld gibt es Positives zu vermelden. Es soll künftig für bis zu zehn Arbeitstage je Kalenderjahr von mehreren pflegendem Angehörigen in Anspruch genommen werden können. Diese Regelung ist aus gewerkschaftlicher Sicht ein erster richtiger Schritt, um die häusliche Pflege zu vereinfach und somit zu stärken. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende An- und Zugehörige ist dagegen weiterhin leider nicht in Sicht.

Somit bleibt festzuhalten, dass die letzte Pflegereform keine entscheidenden strukturellen Verbesserungen zur nachhaltigen Finanzierung der Pflege gebracht hat, weil die dazu notwendigen finanziellen Grundlagen nach wie vor fehlen. So wurden die Pandemiekosten noch immer nicht vollständig durch Steuermittel ausgeglichen. Auch der geplante Bundeszuschuss aus Steuermitteln in Höhe von je 1 Mrd. Euro wurde aufgrund der Haushaltslage für die Jahre 2024 bis 2027 gestrichen. Auch wenn zur Kompensation die beitragsfinanzierten Mittel für den Pflegevorsorgefonds bis 2027 entsprechend reduziert werden, kann es so nicht weitergehen. Eine Umfassende Finanzreform ist unvermeidlich, wenn die Eigenanteile der Versicherten nicht weiter massiv ansteigen sollen. Aus gewerkschaftlicher Sicht bedeutet das, dass die Deckelung der Eigenanteile und die Dynamisierung der Leistungen in einem ersten Schritt absolute Priorität haben. In einem zweiten Schritt muss eine solidarische Pflege-Bürgerversicherung kommen, in die alle paritätisch einzahlen, und die sämtliche pflegerischen Kosten übernimmt. Des Weiteren ist der Ausgleich der Pandemiekosten in der Pflegeversicherung durch Steuermittel weiter überfällig. Die Beibehaltung eines festen Bundeszuschusses aus Steuermitteln ist – genau wie in der GKV – dringend nötig. Versicherungsfremde Leistungen wie die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige müssen zwingend aus Steuermitteln übernommen werden.

Krankenhausreform - Versorgungsreform

Der DGB fordert Bund und Länder auf, die Chancen einer Einigung für eine nachhaltige Krankenhausreform nicht zu verspielen.

Die Verhandlungen zwischen BMG und Ländern zur Krankenhausreform dauern weitern an. Der Stopp des Krankenhaustransparenzgesetzes durch die Länder im Bundesrat wirkt sich nachteilig auch auf die anstehende Strukturreform aus. Das Zeitfenster schließt sich. Aus Sicht des DGB ist jedoch klar: Ein Scheitern der Krankenhausreform ist keine Option.

Eigentlich hätte es zum Ende des Jahres eine Einigung zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Krankenhausreform geben sollen, die in einen gemeinsam abgestimmten Gesetzentwurf gemündet hätte. Doch die von beiden Seiten dringend gewünschte Reform verzögert sich weiter, weil Misstrauen und Differenzen bezüglich der wichtigsten Punkte in Sachen Krankenhausplanung und Finanzierung weiter vertieft statt nivelliert wurden. Mit dem vorerst von den Ländern gestoppten Krankenhaustransparenzgesetz noch vor Bekanntwerden der eigentlichen Strukturreform-Pläne zur Krankenhausreform wurde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, um von Seiten des Bundes Einfluss geltend machen zu können. Beide Seiten bauen weiterhin Druck auf, doch ein Scheitern der Reform kann sich niemand leisten.

Hauptdissens ist weiterhin die ungeklärte Finanzierung der Reform. Die vom BMG postulierte Kostenneutralität durch mögliche Umverteilungs- und Einspareffekte ist dabei nur schwer nachvollziehbar. Deshalb fordert der DGB den Bund und die Länder auf, endlich gemeinsam ihrer Finanzverantwortung nachzukommen. Ohne Etablierung eines steuerfinanzierten Transformationsfonds zur Umsetzung und Begleitung der Reform wird diese nicht nur hinter den Erwartungen und Bedarfen der Bevölkerung zurückbleiben, sondern auch zu Lasten der Beschäftigten und der Beitragszahler*innen gehen. Daran kann niemandem gelegen sein.

Frühestens am 2. Februar 2024 kann sich der Bundesrat erneut mit dem Krankenhaustransparenzgesetz befassen, dessen Ausgestaltung maßgeblichen Einfluss auch auf die eigentliche Krankenhausreform hat. Einigt man sich, soll das Gesetzgebungsverfahren um die Osterzeit stattfinden und die Reform zur Jahresmitte in Kraft treten. Alle Beteiligten sind gefordert, diese Chance nicht erneut verstreichen zu lassen.

Gleichzeitig stockt auch die Transformation der ambulanten Versorgung. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) sollte eigentlich schon zu Beginn dieses Jahres eingebracht werden. Doch die Ampelparteien konnten sich bisher nicht auf wichtige Regelungsdetails einigen. Insbesondere in der zentralen Frage der der Finanzierung herrscht, wie so oft, Uneinigkeit.

Der DGB fordert eine schnelle Einigung und das Vorlegen eines konsentierten Referentenentwurfs, um die Gesundheitsversorgung im Sinne der Versicherten und Patient*innen wirksam zu verbessern. Denn schon jetzt herrscht insbesondere in strukturschwachen Regionen ein eklatanter Mangel an medizinscher Versorgung, um mit den Anforderungen einer alternden Gesellschafft schritthalten zu können. Zudem muss die ambulante Versorgung gestärkt werden, um auf die Auswirkungen einer sich verändernden Krankenhauslandschaft reagieren zu können. Auch hier liegt noch viel Arbeit vor allen Beteiligten für das kommende Jahr.


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