Werkverträge, Minijobs und Co.: So steht es um atypisch Beschäftigte in Krisenzeiten

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Die Coronapandemie hat nicht viel Gutes mit sich gebracht. Das große Leid der schwer Erkrankten und Hinterbliebenen, die Unsicherheit, die gesellschaftlichen Verwerfungen. Welche Folgen hatte die Krise für Beschäftigte? Bereits in den ersten Monaten der Pandemie sind die neuralgischen Punkte der Arbeitswelt freigelegt worden: Die Medien machten den dramatischen Personalmangel in der Pflege zum Thema. Ausnahmsweise tauchten auch die miserablen Arbeitsbedingungen in den deutschen Fleischkonzernen auf den Titelblättern der großen Zeitungen auf. Der Grund: Die Löhne waren gering, die Arbeiter*innen waren in Massenunterkünften untergebracht, in denen sich das Coronavirus schnell verbreitet hat. Damals war es üblich, dass Leiharbeiter*innen und Werkvertrags-Beschäftigte per Subunternehmen in vielen Fabriken die harte Arbeit an der Schlachtbank erledigt haben. Die meisten kamen aus Südost- und Mitteleuropa.

Als Reaktion auf die massenhaften Coronafälle in deutschen Schlachthöfen hat der Deutsche Bundestag Ende 2020 strengere Vorschriften für die Fleischindustrie beschlossen. Um Ausbeutung und riskante Arbeitsbedingungen zu verhindern, ist, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, der Einsatz von Werkverträgen seitdem verboten, Leiharbeit nur noch übergangsweise zulässig. Große Fleischproduzenten haben daraufhin die Beschäftigten von Subunternehmern fest angestellt. Allein beim Marktführer Tönnies waren das nach Angaben eines Unternehmenssprechers 6.000 Menschen. Ein großer Erfolg für Gute Arbeit. „Fleischbarone müssen als Arbeitgeber in die Verantwortung und für die Arbeits- und Unterbringungsbedingungen ihrer Beschäftigten geradestehen“, begrüßte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel das neue Gesetz.

Schlechte Arbeitsbedingungen bei Paketboten

Dieses soll aus Sicht von ver.di nun auch Pate stehen für die Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP). Auch sie sind in der Pandemie in den Fokus gerückt. Während der Lockdowns haben sie für viele Haushalte die Versorgung mit allen Produkten des täglichen Bedarfs sichergestellt. Auch hier sind die Arbeitsbedingungen in der Regel hart und die Bezahlung ist schlecht. Im Schnitt werden fast 16 Millionen Sendungen pro Tag zugestellt – davon ca. neun Millionen an private Haushalte. Auch nach der Pandemie ist das Liefervolumen riesig. Mehr als 300.000 Beschäftigte sind nach ver.di-Angaben in der Branche tätig. Bis zu 300 Pakete bringt jede*r Einzelne pro Schicht an die jeweilige Lieferadresse. Nicht selten ergibt das ein Gesamtgewicht von mehr als zwei Tonnen pro Tag – das ist ein ausgewachsener Elefant. Fast jede*r Zweite ist bei einem Subunternehmen angestellt. Ver.di konstatiert, dass die Anzahl der tariflich abgesicherten und beim Paketdienstleister eigenbeschäftigten Zusteller*innen rückläufig ist.

Grund genug für die Gewerkschaft, gesetzliche Regeln zu fordern. So soll der Einsatz von Fremdpersonal zum Transport und zur Auslieferung bei Paketdienstleistern verboten werden. Das würde das Ende von Werkverträgen und Nachunternehmerketten in der Branche bedeuten. Zudem sollen Pakete, die von nur einer Person ausgeliefert werden, auf maximal 20 Kilogramm begrenzt werden. Schwere Fracht soll gekennzeichnet werden. Zudem soll es mehr Kontrollen geben. Dafür will ver.di den Zoll stärken.

Die Paketfahrer*innen sind nur ein Teil der insgesamt 7,3 Millionen Menschen, die derzeit in Deutschland in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Der Auswertung zufolge sind davon inzwischen gut ein Fünftel der insgesamt 34,2 Millionen abhängig Arbeitenden betroffen. Im Vergleich zum Corona-Krisenjahr 2020 sei die Zahl solcher „atypisch“ Beschäftigten um knapp 290.000 Arbeitnehmer*innen gestiegen.

Prekäre Beschäftigung beschränken, Tarifbindung stärken!

Großen Einfluss hatte die Pandemie etwa auf die Verbreitung von Minijobs. Sie sind in der Pandemie stark eingebrochen. Der Grund: Beschäftigte haben keinen Schutz in der Arbeitslosenversicherung und hatten somit auch keinen Anspruch auf Kurzarbeit in der Coronazeit. Werden sie entlassen, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Folgen spüren unter anderem die Arbeitgeber*innen im Gastro- und Hotelgewerbe. Aktuell arbeiten 925.271 Minijobber*innen im Gastgewerbe, das sind zehn Prozent mehr als im Juni 2022 und in etwa wieder der Wert von vor der Pandemie. Trotzdem klagen viele Cafés, Kneipen und Hotels darüber, schwer Personal zu finden – sicher auch, weil viele Ehemalige inzwischen zu besseren Konditionen Arbeit in anderen Branchen gefunden haben.

Problematisch bleibt aus Sicht der Gewerkschaften zudem die sogenannte kurzfristige Beschäftigung, die vor allem für den Einsatz von Saisonarbeitskräften missbraucht wird. „Von unseren Berater*innen vor Ort wissen wir, dass Saisonarbeiter*innen oft keiner weiteren Arbeit in ihrem Heimatland nachgehen, was eigentlich Bedingung für die kurzfristige Beschäftigung wäre. Das heißt für die betroffenen Beschäftigten in der Folge weder Kranken- und Arbeitslosenversicherung noch Rente. Was aus guten Gründen eigentlich nur als Ausnahmeregel für Ferien- und Studierendenjobs vorgesehen war, wird in vielen Fällen von Arbeitgebern gezielt ausgenutzt, um Menschen aus anderen EU-Staaten zu miesen Bedingungen, ohne sozialen Schutz und für wenig Geld zu beschäftigen. Die Bundesregierung darf deshalb nicht vor den Lobbyisten und Landwirtschaftsverbänden einknicken“, mahnt Anja Piel zum Beginn der herbstlichen Erntesaison.

Der DGB fordert, dass die kurzfristige Beschäftigung tatsächlich nur für Gelegenheitsjobs z. B. von Schüler*innen oder Studierenden zulässig sein darf. Sie muss außerdem wieder auf die ursprüngliche Zeitspanne von 50 Tagen im Kalenderjahr begrenzt sein. Saisonarbeitnehmer*innen benötigen vom ersten Tag an Sozialversicherungsschutz, damit sie wie alle anderen Beschäftigten im Krankheitsfall abgesichert sind und nach einem harten Arbeitsleben nicht ohne Rentenansprüche dastehen.

Zudem setzt sich der DGB gemeinsam mit den Mitgliedsgewerkschaften für eine deutliche Stärkung der Tarifbindung ein. In den kommenden Monaten startet der DGB dazu eine Kampagne, um bundesweit den Wert von Tarifverträgen zu verdeutlichen und die Politik unter Druck zu setzen, die Tarifbindung durch verschiedene Maßnahmen endlich zu stärken.

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