Deutscher Gewerkschaftsbund

07.03.2023
Klimapolitik

Klimagerechtigkeit – eine Herausforderung auf allen Ebenen

von Noah Afriyie, Praktikant in der Abteilung Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik

Der Klimawandel schreitet in rasantem Tempo voran. Aktuelle Studien gehen von einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 1.6 - 4.7 Grad – verbunden mit massiven ökologischen und sozialen Umbrüchen – aus. Aus Sicht des DGB gehört die Dimension der Klimagerechtigkeit ins Zentrum einer progressiven Klimapolitik.

Glasklare Weltkugel in grünem Gras

DGB/stockwerkfotodesign/123RF.com

Besonders jetzt, wo die Auswirkungen des Klimawandels auch in Deutschland immer deutlicher zutage treten und auch die Kosten der Transformation, wie die CO2-Bepreisung spürbarer werden, gewinnt die Debatte um Verteilungsfragen an Bedeutung. Das Konzept der Klimagerechtigkeit, das den menschengemachten Klimawandel unter politischen und ethischen Gesichtspunkten betrachtet, liefert hier wichtige Einblicke. So gibt der aktuelle Climate Inequality Report 2023 des World Inequality Labs einen umfassenden Überblick darüber, wie die Umweltbelastungen in Abhängigkeit des Vermögens verteilt sind.

Hauptleidtragende verursachen die wenigsten Emissionen

Besonders der Vergleich zwischen den Industrienationen und Ländern des globalen Südens ist eindrucksvoll. So ergeben aktuelle Forschungsergebnisse, dass die USA und Europa gemeinsam für knapp 50 Prozent der (historischen) CO2-Emissionen (seit 1850) verantwortlich sind, wohingegen Afrika und Lateinamerika gemeinsam lediglich auf 10 Prozent kommen. Auch Deutschland liegt mit einem CO2-Ausstoß von 8,5 Tonnen pro Kopf weit über dem Durchschnitt von 4,9 Tonnen. Gerade vor dem Hintergrund, dass Deutschland knapp 1,8 Prozent des weltweiten CO2-Austoßes verursacht, ist der Pro-Kopf Ausstoß ein wichtiger Indikator und zeigt die Verantwortung für eine schnelle Dekarbonisierung. 

Bei der Betrachtung der Auswirkungen des Klimawandels zeichnet sich ein gänzlich anderes Bild: Länder des globalen Südens, deren Bevölkerung ihren Lebensunterhalt stark durch Landwirtschaft erwirtschaftet, sind besonders stark von Naturkatastrophen getroffen. Extremwetter wie Dürren, Überflutungen und Hurrikans sind mindestens zu einem Drittel auf den Klimawandel zurückzuführen und bedrohen insbesondere die Existenzen von Menschen aus ärmeren Ländern.

Infografik: Klimaungerechtigkeit

DGB/Eigene Darstellung, Datenquelle: Climate Injustice Report 2023, S.86

Das Phänomen der Verteilungsgerechtigkeit ist jedoch nicht nur auf zwischenstaatlicher Ebene zu beobachten. Der aktuelle Climate Inequality Report verdeutlicht, dass Emissionsungleichheit auch innerstaatlich eine immer größere Herausforderung darstellt. Auch hier bedrohen die Konsequenzen des Klimawandels vornehmlich die Menschen aus unteren und mittleren Einkommensschichten. Denn während Superreiche, für die steigende Energiekosten mit keinen besonderen Einsparungen verbunden sind, allerdings einen überproportionalen Anteil an Energie verbrauchen, haben untere Einkommensschichten ihren Verbrauch auf das Nötigste reduziert und müssen sich immer weiter einschränken.

Diese Ungleichheit wird bei einem Blick auf die zugrundeliegenden Daten noch deutlicher: In Deutschland tragen die reichsten 10 Prozent ebenso viel zum CO2-Ausstoß bei, wie die unteren 40 Prozent.

Infografik:Energieverbrauch ind Deutschland nach Einkommensgruppen

DGBE/Datenquelle: Yannick Oswald, Leeds University/Süddeutsche Zeitung, 2022

Weltweit ist die Ungleichheit beim Energieverbrauch sogar noch weitaus größer: Der Energieverbrauch der oberen 10 Prozent liegt gleichauf mit dem Verbrauch der unteren 80 Prozent der Weltbevölkerung.

Echte Nachhaltigkeit bedeutet gerechte Verteilung

Die Berichte über die zunehmende Emissionsungleichheit sind zwar bedenklich, doch die Thematik ist nicht neu. Bereits 2020 konstatierte Oxfam, dass die reichsten ein Prozent der Menschen zwischen 1990 und 2015 doppelt so viel CO2 ausgestoßen haben, wie die komplette ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

Die Perspektive der Klimagerechtigkeit ist bei der Entwicklung und Umsetzung von wirksamen Maßnahmen für den Klimaschutz nach wie vor zentral. Daher braucht es ein Umdenken in Richtung einer engeren und mehrdimensionalen Zusammenarbeit, um wirksame Klimaschutzmechanismen zu etablieren.

Um die Verteilungskomponente im Klimaschutz zu adressieren, scheint ein stärkerer Dialog über Solidarität und Gerechtigkeit angebracht. Aus Gewerkschaftssicht ist klar: Große Vermögen und Einkommen, die auch mehr Emissionen ausstoßen, müssen stärker für die Finanzierung der Transformation herangezogen werden. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder eine Vermögensabgabe ist also auch aus klimapolitischer Sicht angebracht. Auch ein gemäßigter und sozial-ausgestalteter Einsatz von CO2-Preisen kann einen Beitrag leisten. Da kleine- und mittlere Einkommen gemessen am Haushaltsbudget überproportional Energie- und damit auch CO2-Kosten haben, ist auf einen sozialen Ausgleich und einen wohldosierten Einsatz zu achten. Damit klimafreundliches Verhalten unabhängiger vom Geldbeutel wird, bedarf es daher massive öffentliche Investitionen in klimafreundliche Alternativen, etwa in den ÖPNV oder in die Erneuerbaren Energien.

Auf internationaler Ebene sollte ein starker Fokus auf die Entwicklungszusammenarbeit gelegt werden. Positive Erfahrungen und wirksame Mechanismen sollten die Grundlage neuer Entwicklungsinstrumente bilden. Um dabei das volle Potenzial entwicklungspolitischer Maßnahmen auszuschöpfen, ist ein breiterer Kontext zu beachten. Es gilt, Klimaschutz und Entwicklungsmaßnahmen eng miteinander zu verknüpfen, und dabei besonders vulnerable Gruppen in den Blick zu nehmen. Gerechte Arbeitsbedingungen, Zugang zu Bildung und saubere Energieversorgung sind wichtige Stichpunkte, die in der Entwicklungspolitik der Gegenwart nicht unterschätzt werden dürfen.

Die konsequente und effektive Umsetzung von Mechanismen wie den sogenannten Just Energy Transition Partnerschaften, bei denen Industrienationen Partnerschaften mit Ländern des Südens eingehen, um deren Energiewende zu unterstützen, sind ein wichtiges Instrument. Sie können dazu beitragen, die soziale und ökologische Gerechtigkeit zwischen den Staaten im Kontext des Klimawandels zu adressieren. Dabei drängen Gewerkschaften gemeinsam darauf, dass die JETPs ihrem Namen auch gerecht werden. Dazu zählt, dass Gelder an die Einhaltung von Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechten gekoppelt werden und ein echter Dialog mit Einbindung der Sozialpartner initiiert wird. Zudem müssen die Mittel auch zur sozialen Absicherung sowie für Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten eingesetzt werden und die Stärkung gewerkschaftlicher Begleitstrukturen unterstützen. Das trägt maßgeblich zur nachhaltigen Entwicklung bei und kann zudem die Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit deutlich verbessern.


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Stellungnahmen (ab 2018)

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25.04.2024
Stel­lung­nah­me des DGB zur Um­set­zung der CSRD in deut­sches Recht
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet Unternehmen, transparente und vergleichbare Informationen zu den Auswirkungen ihrer unternehmerischen Tätigkeit auf Nachhaltigkeitsaspekte offenzulegen. Die Richtlinie sieht außerdem Möglichkeiten der Einflussnahme durch Arbeitnehmervertretungen vor. In der Stellungnahme zum entsprechenden Referentenentwurf werden diese Möglichkeiten eingefordert.
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26.03.2024
DGB-­Stel­lung­nah­me zur zu­künf­ti­gen Aus­rich­tung der EU-Struk­tur­po­li­tik
Knapp ein Drittel der EU-Mittel stehen den europäischen Strukturfonds zur Verfügung, um wirtschaftliche Unterschiede innerhalb und zwischen den Mitgliedsstaaten abzubauen. Anlässlich der bevorstehenden Verhandlungen zum mittelfristigen Finanzrahmen beginnen die Debatten, um die zukünftige Ausrichtung der europäischen Strukturpolitik.
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25.03.2024
CO2-Ab­schei­dung, Spei­che­rung und Nut­zung sind ein Bau­stein ei­ner um­fas­sen­den Trans­for­ma­ti­onss­tra­te­gie
Das BMWK hat Eckpunkte für eine Carbon Management Strategie und die Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vorgelegt und will damit rechtliche Rahmenbedingungen für die zügige Anwendung von CO2-Abscheidung, Speicherung und Nutzung schaffen. Der DGB sieht CCU/S-Technologien als ein Baustein einer umfassenden Transformationsstrategie und hat sich mit einer Stellungnahme zu Wort gemeldet.
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