Deutscher Gewerkschaftsbund

22.10.2021
19. Deutsch-Britisches Gewerkschaftsforum

Gemeinsame Erklärung des Trades Union Congress (TUC) und DGB

Im Rahmen des 19. Deutsch-Britischen Gewerkschaftsforums haben der britische Trades Union Congress (TUC) und der DGB eine gemeinsame Erklärung mit Anforderungen an die Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation verabschiedet. Als Gewerkschaften mit einer langen industriellen Geschichte und vor dem Hintergrund der bevorstehenden UN-Klimakonferenz bekräftigen TUC und DGB die Notwendigkeit für ambitionierten Klimaschutz, der mit nachhaltigem Wohlstand, Guter Arbeit und sozialer Gerechtigkeit zusammengebracht werden muss.

Deutsche und britische Flagge

DGB/sermax55/rf.coFlagge

Im Rahmen des jährlichen Deutsch-Britischen Gewerkschaftsforums und im Hinblick auf die bevorstehende UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), bekräftigen der Trades Union Congress (UK) und der DGB die Notwendigkeit, die Transformation sozial und ökologisch nachhaltig zu gestalten. Soziale Gerechtigkeit, inklusiver Wohlstand und wirksame Klimaschutzmaßnahmen müssen zusammengebracht werden, um eine nachhaltige Zukunft zu gewährleisten.

Als Gewerkschaftsorganisationen aus Ländern mit einer langen industriellen Geschichte haben wir viele industrielle Wandlungsprozesse miterlebt. Ihre Ursachen und Ausgangspunkte waren unterschiedlich, doch hatten sie alle eines gemeinsam: Jede Transformation, die allein dem Markt überlassen wurde, schadete der Gesellschaft und der Umwelt gleichermaßen.

Der soziale und wirtschaftliche Fortschritt ist menschengemacht. Als Gewerkschaften wollen wir einen Wandel, der mit und für die Arbeitnehmer*innen gestaltet wird.

Wir unterstützen das Pariser Abkommen und setzen uns für ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen auf internationaler Ebene und in Deutschland und Großbritannien ein. Wir brauchen zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen eine klimaneutrale Zukunft. Aktuelle Katastrophen verdeutlichen, dass wir schnell und solidarisch handeln müssen. Dieser Prozess muss ökologisch und sozial nachhaltig sein, um niemanden zurückzulassen.

Das Pariser Abkommen und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bilden einen geeigneten Rahmen für diesen Prozess. Wir sind davon überzeugt, dass die notwendige Transformation neben Risiken auch große Chancen für Gute Arbeit und neue Formen nachhaltiger Beschäftigung mit sich bringt. Dafür braucht esr entsprechende politische Rahmenbedingungen und eine wirkungsvolle Klimapolitik mit einer Just Transition als Leitprinzip, um den sozialen Ausgleich sicherzustellen.

Der DGB und der TUC wollen für eine Politik des gerechten Übergangs folgende Punkte umsetzen:

  • 1. Investitionen und ein handlungsfähiger Staat

    Für eine gerechte Transformation braucht es massive öffentliche und private Investitionen in klimaneutrale Technologien, nachhaltige Infrastrukturen und Gute Arbeit. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, benötigt insbesondere der energieintensive Industriesektor als Basis des Wohlstands und Guter Arbeit sowohl in der britischen als auch in der deutschen Wirtschaft enorme Investitionen.

    Es bedarf einer aktiven Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichrangig verfolgt. Um zu gewährleisten, dass niemand zurückgelassen wird, bedeutet das die Schaffung von guten und nachhaltigen Arbeitsplätzen, welche von aktiven Maßnahmen eines gerechten Übergangs begleitet werden müssen. Angesichts der aktuellen und bevorstehenden Transformationsprozesse muss die Politik proaktiv handeln bevor Arbeitsplätze verloren gehen. Ebenso wichtig sind Investitionen in Klimaanpassung und den Schutz der Beschäftigten.

  • 2. Gerechte Finanzierung

    Die Finanzierung der Transformation muss sozial gerecht gestaltet werden. Steuersenkungen für Reiche oder Haushaltskürzungen zulasten des Sozialstaats lehnen wir entschieden ab. Steuererhöhungen müssen sich auf die Wohlhabenden konzentrieren. Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen müssen für alle bezahlbar sein. Ebenso müssen diese Maßnahmen die Beschäftigungs- und Verteilungseffekte berücksichtigen, um eine gerechte Lastenverteilung während des Übergangs zu gewährleisten.

  • 3. Gute Arbeit in der Transformation

    Unabhängig von der Geschichte des Arbeitsplatzes (etabliert oder neu), dem Sektor (Industrie, Fertigung, Handwerk oder Dienstleistungssektor), den Eigentumsverhältnissen (privat oder öffentlich) oder der Größe (multinationale Konzerne, KMU oder Kleinstunternehmen) müssen Gute Arbeit, Tarifverhandlungen und Mitbestimmung gestärkt werden. Wenn der Übergang die Arbeitsplatzsicherheit der Menschen in Frage stellt, wird er als Bedrohung empfunden werden und Widerstand hervorrufen. Gute Arbeit schafft Sicherheit im Wandel und sorgt für Akzeptanz.

  • 4. Qualifizierte Beschäftigte als Transformationsgestalter*innen

    Beschäftigte sind Innovator*innen. Sie entwickeln Produkte und Dienstleistungen, sie optimieren Systeme und nutzen neue Technologien. Damit Beschäftigte Innovator*innen bleiben, müssen sie ihre beruflichen Qualifikationen aufrechterhalten und weiterentwickeln können.

    Welche Fähigkeiten genau in einer klimaneutralen Zukunft benötigt werden ist an vielen Stellen noch nicht abzusehen. Der Staat muss deshalb eine aktive Rolle bei der Antizipation von benötigten Qualifikationsniveaus übernehmen und die notwendigen Mitteln für den Ausbau und die Verbesserung des Qualifikationsangebots bereitstellen.

  • 5. Demokratische Gestaltung der Transformation

    Die Transformation betrifft die Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer Breite. Für eine gemeinwohlorientierte Transformation brauchen wir gesellschaftliche Leitplanken. Dazu gehören eine sozial gerechte Finanzierung, der Schutz vor Arbeitslosigkeit, Abwertung und sozialem Abstieg, Geschlechter- und Generationengerechtigkeit,  Chancengleichheit,  gesellschaftliche Teilhabe  und  Beteiligung,  gleiche  Bildungschancen  sowie  gleichwertige  Lebensverhältnisse.  Mitbestimmung  in  den  Betrieben  ist  gelebte  Demokratie  in Wirtschaft  und Arbeitsgesellschaft. Transformation  gestalten  heißt  Demokratie leben: in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in den Betrieben. Kein Raum für Fremdenhass, Antisemitismus  und  Rassismus!  Politische  Bildung  und Teilhabe  sind  dabei  für  uns  die  zentralen Leitplanken. Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeber tragen Verantwortung dafür, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Sie müssen alles daran setzen, dass die Menschen in der Transformation nicht auf der Strecke bleiben.

  • 6. Stärkung der internationalen Partnerschaft und Solidarität

    Klimaneutralität können wir nur erreichen, wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam und koordiniert handelt. In Zeiten globaler Krisen ist der Multilateralismus wichtiger denn je. Pandemien oder der Klimawandel machen an nationalen Grenzen nicht halt. Benachteiligte und verletzliche Bevölkerungsgruppen in den Industrieländern, doch vor allem im globalen Süden, sind am stärksten von den Auswirkungen betroffen.

    Die Industrienationen müssen ihrer besonders hohen Verantwortung gerecht werden. Wir fordern, dass die Regierungschefs ihre Verantwortung aus dem Pariser Abkommen und anderen internationalen Vereinbarungen entschlossen wahrnehmen. Die Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft muss auch die ausreichende Unterstützung des Globalen Südens sowie die Erfüllung der bestehenden Verpflichtung zur Klimafinanzierung in Höhe von 100 Milliarden  US-Dollar mit einschließen. Darüber hinaus müssen Just Transition-Kriterien in  den national festgelegten Beiträgen (NDCs) im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verankert werden.

    Abschließend erklären TUC und DGB, dass sie den Erfahrungsaustausch, die Zusammenarbeit und den Gedankenaustausch im Hinblick auf die Gestaltung einer nachhaltigen Just Transition fortsetzen und vertiefen werden.


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Stellungnahmen (ab 2018)

05.07.2023
Stel­lung­nah­me des DGB zum So­lar­pa­ket I
Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Referentenentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung („Solarpaket I“)
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23.06.2023
Wei­te­re Stel­lung­nah­me des Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des zum Ge­set­zes­vor­ha­ben Ge­bäu­de­ener­gie­ge­setz
Mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) soll die Gebäudewärme auf Klimakurs gebracht werden. Dafür braucht es eine kohärente, sozial ausgewogene Strategie. Der DGB kommentiert das Gesetzgebungsvorhaben mit einer weiteren Stellungnahme.
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22.06.2023
Stel­lung­nah­me des Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des zum Re­fe­ren­ten­ent­wurf ei­nes Zwei­ten Ge­set­zes zur Än­de­rung des Bun­des-Kli­ma­schutz­ge­set­zes
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften unterstützen die Klimaziele der Bundesregierung. Ob Deutschland seine Klimaziele erreicht, steht und fällt damit, ob die notwendigen privaten und öffentlichen Investitionen in die klimaneutrale Modernisierung mobilisiert werden können.
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