Deutscher Gewerkschaftsbund

09.11.2023
klartext 39/2023

Tarifflucht kommt der Allgemeinheit teuer zu stehen

Nur noch rund die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland profitiert von Tarifverträgen – mit gravierenden Folgen. Für Beschäftigte bedeutet diese fehlende Tarifbindung im Schnitt finanzielle Einbußen und schlechtere Arbeitsbedingungen, für die Allgemeinheit entstehen enorme Kosten. Wie teuer die Tarifflucht für uns alle ist, wurde diese Woche in unserer Tarifflucht-Bilanz offengelegt.

Grafik mit Tarifbindung-Icon auf weißen Untergrund mit Pfeilen in der Farbe Petrol, die leicht nach oben zeigen.

DGB

Tarifverträge sorgen für mehr Sicherheit und bessere Arbeitsbedingungen

Tarifverträge sind eine tragende Säule der Tarifautonomie und unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung. Sie sind die Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Außerdem fördern sie Gleichbehandlung und Gerechtigkeit.

Mit Tarifvertrag haben die Beschäftigten im Schnitt 12 Prozent mehr in der Lohntüte. Außerdem gibt es mit Tarifvertrag öfter Urlaubs- und Weihnachtsgeld, mehr Urlaub, bessere Regeln bei Überstunden, Kurzarbeitergeld und bei der betrieblichen Altersvorsorge.

Sinkende Tarifbindung führt zu enormen Nachteilen für Beschäftigte und Allgemeinheit

Doch immer weniger Beschäftigte in Deutschland sind durch einen Tarifvertrag abgesichert. Aktuell profitiert nur noch rund die Hälfte aller Beschäftigten.

Die sinkende Tarifbindung gefährdet jedoch nicht nur die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, sondern erzeugt auch enorme Kosten für die Allgemeinheit. Denn geringere Einkommen bedeuten gleichzeitig auch weniger Einzahlungen in die Sozialversicherungen. Und auch die Einnahmen aus der Einkommensteuer fallen geringer aus.

Tarifflucht-Bilanz legt Kosten der fehlenden Tarifbindung offen

Laut der neuen Tarifflucht-Bilanz des DGB (siehe Abbildung) entgehen allein den Sozialversicherungen in Deutschland durch Tarifflucht und die entsprechend niedrigeren Löhne jährlich rund 43 Milliarden Euro an Beiträgen. Dazu kommen aus demselben Grund noch circa 27 Milliarden Euro weniger Einnahmen aus wegbleibender Einkommenssteuer. Insgesamt wirkt sich die fehlende Tarifbindung auch negativ auf die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung aus. Rund 60 Milliarden Euro hätten Beschäftigte mehr zur Verfügung, würde es eine flächendeckende Tarifbindung geben. Betrachtet man die Gesamtkosten der Tarifflucht, belaufen sich diese auf 31 Milliarden Euro im Osten und 99 Milliarden Euro im Westen.

Balkendiagramm: Jährliche Schäden der Tarifflucht in Deutschland

Insgesamt wirkt sich die fehlende Tarifbindung auch negativ auf die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung aus. Rund 60 Milliarden Euro hätten Beschäftigte mehr zur Verfügung, würde es eine flächendeckende Tarifbindung geben. Betrachtet man die Gesamtkosten der Tarifflucht, belaufen sich diese auf 31 Milliarden Euro im Osten und 99 Milliarden Euro im Westen. DGB / Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage Sonderauswertung Statistisches Bundesamt, VSE 2022

Es ist Zeit für eine Tarifwende

Dieser Zustand ist inakzeptabel und muss aktiv bekämpft werden. Deshalb setzt sich der DGB weiterhin dafür ein, dass die Tarifflucht bekämpft wird. Wir brauchen eine Wende hin zu mehr Tarifbindung – eine Tarifwende!

Auch die Arbeitgeber müssen dafür in die Pflicht genommen werden. Mitgliedschaften in Verbänden „ohne Tarifbindung“ (OT) müssen zurückgedrängt werden. Die Mitgliedschaft in einem Verband geht auch mit einer Verantwortung zu Fairness und Tarifpartnerschaft einher. Außerdem muss die Allgemeinverbindlicherklärung für Tarifverträge gestärkt werden, damit Tarifverträge einfacher auf alle Unternehmen einer Branche Anwendung finden können.

Bundesregierung muss Versprechen aus Koalitionsvertrag einlösen

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, durch ein Bundestariftreuegesetz, neue Regeln für die Fortgeltung von Tarifverträgen bei Betriebsausgliederungen und durch ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften in Betrieben für mehr Tarifbindung und Tarifanwendung zu sorgen. Dies muss nun alles schnell auf den Weg gebracht werden. Die Bundesregierung hat zudem noch genau ein Jahr Zeit, um die europäische Mindestlohnrichtlinie umzusetzen, die einen „Aktionsplan zur Förderung der Tarifbindung“ vorschreibt.

Kampagne "Eintreten für die #Tarifwende" macht sich für Tarifbindung stark

Der DGB wird in den kommenden Jahren nicht lockerlassen, um die Tarifbindung zu stärken und startet dazu eine Kampagne. Mehr Infos unter: www.tarifwende.de.


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Der DGB-Steuerrechner

DGB
Wieviel Netto bleibt vom Brutto? Wie hoch sind die Steuern und Abgaben? Was kann eine gerechte Lohnsteuerreform bewirken? Der DGB-Steuerrechner zeigt auf einen Blick, wieviel mehr Netto vom Brutto mit den DGB-Steuervorschlägen für Ihren Haushalt am Jahresende übrig bleiben würde.
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Lohn- und Gehaltscheck

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Nutzen Sie den Lohn- und Gehaltscheck von Lohnspiegel.de und vergleichen Sie Ihr Gehalt. Über 500 Berufe werden abgedeckt und zahlreiche persönliche Merkmale berücksichtigt. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut.
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Stellungnahmen

Reichstag Berlin
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Hier finden Sie die Stellungnahmen und Positionen der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
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Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Globus und Geldmünzen

DGB/hqrloveq/123rf.com

Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.

Kontakt

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Bundesvorstand
Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Keithstraße 1
10787 Berlin

E-Mail: info.wirtschaftspolitik.bvv@dgb.de

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Telefon +49 30 24060-727


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Telefon +49 30 24060-107

Ansprechpartner*innen

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Abteilungsleiter Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik


Dr. Dominika Biegoń
Europäische und internationale Wirtschaftspolitik


Nora Rohde
OECD/TUAC
Öffentliche Daseinsvorsorge
Handelspolitik

Raoul Didier
Steuerpolitik


Dr. Robby Riedel
Tarifpolitische Koordinierung und Mindestlohn

 

Dr. Inga Jensen
Wohnungs- und Verbraucher*innenpolitik

 
Friederike Posselt
Tarifkoordination
 
Tarifkoordination
 
Henriette Neumann
Allgemeine Wirtschaftspolitik Marktregulierung und Verteilungspolitik