Am 1. Dezember 2023 wird der Haushalt vom Bundestag beschlossen. Bis dahin sollten die Bundestagsabgeordneten grundlegende Verbesserungen bei Umfang und Struktur des Haushalts vornehmen. Denn Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, die mutiger angegangen werden müssen. Andernfalls ist die Zukunftsfähigkeit Deutschlands in Gefahr.
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Die erste "Haushaltswoche" liegt hinter uns. In den kommenden Wochen werden die Fachpolitiker in den Bundestags-Ausschüssen über den Entwurf des Bundeshaushalts 2024 beraten und Änderungen ausarbeiten. Am 1. Dezember wird der Haushalt vom Parlament beschlossen. Die Bundestagsabgeordneten sollten die Zeit nutzen, um grundlegende Verbesserungen bei Umfang und Struktur des Haushalts vorzunehmen. Denn Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, die mutiger angegangen werden müssen.
Der Bundeskanzler hat in der Haushaltswoche einen "Deutschland-Pakt" angekündigt, mit dem er Bürokratie zurückdrängen, Digitalisierung vorantreiben und mehr Mut zum Risiko fördern will. Doch das wird nicht reichen, solange Bundesfinanzminister Lindner dem Land einen Sparkurs aufzwingt. Die geplanten Ausgabenkürzungen – zum Beispiel bei den Mitteln zur Verwaltungs-Digitalisierung – laufen dem Ansinnen des Bundeskanzlers jedenfalls deutlich entgegen.
Lindner bemüht argumentative Tricks, um die verordnete Kürzung der Staatsausgaben um 30 Mrd. Euro (also 6,4 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr zu rechtfertigen. So betont er, dass die Ausgaben 25 Prozent über dem Vorkrisenniveau von 2019 lägen. Tatsächlich ist das Geld aufgrund der hohen Inflation aber viel weniger wert als vor Corona. Und auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt erreichen die geplanten Ausgaben des Bundes 2024 wohl nur das gleiche Niveau wie 2019. Vor allem aber steht der Staat heute vor noch größeren Herausforderungen als damals. Der Bundesfinanzminister mag sich ein Zurück zur "finanzpolitischen Normalität" wünschen. Die Zeiten sind aber alles andere als "normal".
Schon 2019 waren die Staatsausgaben zu niedrig. Der DGB forderte seinerzeit gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie ein staatliches Investitionspaket von 450 Mrd. Euro, um die Infrastruktur zu modernisieren, Bildung, Wohnungsbau und Dekarbonisierung zu fördern.
Deutschland wird dieses Jahr wohl als einziges westliches Industrieland eine schrumpfende Wirtschaftsleistung aufweisen. Das zeigen Prognosen von OECD, IWF und auch der EU-Kommission. DGB/Quelle: EU-Kommission
Seitdem sind diese Bedarfe eher gewachsen. Die Bahn bricht bei der Unpünktlichkeit alle Rekorde und allein die Kommunen schieben einen Investitionsrückstand von 166 Mrd. Euro vor sich her. Hinzu kommen zusätzliche Herausforderungen: Infolge des Ukraine-Krieges hat die Zahl der Geflüchteten zugenommen. Um Kinderarmut zu beenden, muss eine wirksame Kindergrundsicherung her. Bis ausreichend günstige erneuerbare Energie vorhanden ist, braucht es einen vergünstigten Industriestrompreis, um Produktion und Arbeitsplätze zu erhalten. Werden Zukunftsaufgaben wie diese jetzt nicht sofort angepackt, bringt das mittelfristig viel höhere Kosten für die heutige Gesellschaft und künftige Generationen.
Auch die konjunkturelle Lage wäre Grund, gegenzusteuern. Deutschland wird dieses Jahr wohl als einziges westliches Industrieland eine schrumpfende Wirtschaftsleistung aufweisen. Das zeigen Prognosen von OECD, IWF und auch der EU-Kommission, die erst vor wenigen Tagen neue Zahlen veröffentlichte (siehe Grafik). Die übertriebenen Zinserhöhungen der Zentralbank bremsen Investitionen. Reallohnverluste bremsen den privaten Konsum. Und jetzt würgt der Bundesfinanzminister auch noch die staatliche Nachfrage ab.
Die deutsche Haushaltspolitik braucht dringend mehr Mut. Sie muss sich daran orientieren, was geboten ist, um kurzfristig Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich zu sichern und mittelfristig die sozial-ökologische Transformation zum Erfolg zu machen. Der Ideologie-Mix aus Schuldenbremse und steuerlicher Verschonung von Super-Reichen verspielt Deutschlands Zukunftsfähigkeit.
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