Deutscher Gewerkschaftsbund

05.07.2023

Neuer Wind für Just Transition im internationalen Klimadiskurs

Der Juni 2023 war geprägt von intensiven Klimadebatten auf internationaler Ebene. Zwei Wochen verhandelten Arbeitgeber, Regierungen und Gewerkschaften bei der 111. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz  über Handlungsempfehlungen, um die sozial-ökologische Transformation gerecht und aktiv zu gestalten. Das Ergebnis gibt wichtige Impulse für internationale und nationale Klimaschutzstrategien.

Glasklare Weltkugel in grünem Gras

DGB/stockwerkfotodesign/123RF.com

Was ist die ILO und welche Rolle spielen Gewerkschaften? 

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO; International Labour Organization) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit sozialer Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitnehmerrechten und setzt internationale soziale Standards.

Die ILO arbeitet tripartistisch. Das heißt, Gewerkschaften verhandeln gemeinsam mit Arbeitgebern und Regierungen – auf Augenhöhe. Auch der DGB ist fester Teil der jährlichen Vollkonferenz der ILO, bei denen zu inhaltlichen Schwerpunkten gemeinsame Handlungsempfehlungen verabschiedet werden. Dazu gibt es jährlich verschiedene Ausschüsse, an deren Ende in der Regel gemeinsame Vereinbarungen stehen. In diesem Jahr stand unter anderem „Just Transition“ auf dem Programm.

Warum wurde Just Transition verhandelt und warum ist das wichtig?

Die Veränderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Beschäftigten auf Grund des notwendigen klimaneutralen Umbaus treiben nicht nur die Debatte in Deutschland und Europa, sondern sind rund um den Globus ein zentrales Handlungsfeld für Politik.

Die ILO hat deshalb schon 2014 Richtlinien mit klaren Handlungsempfehlungen „für einen gerechten Übergang zu ökologisch nachhaltigen Volkswirtschaften und Gesellschaften für alle“ formuliert. 

Diese Richtlinien beschreiben die gewerkschaftlichen Kernanforderungen in Sinne einer „Just Transition“ – einer gerechten Gestaltung der Transformation – ziemlich präzise.

Allerdings gibt es keine Verschränkung mit den Verhandlungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention – zu denen die Klimakonferenzen gehören und die ebenfalls unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfinden. Das ist in doppelter Sicht bemerkenswert. Zum einen findet seit Jahren ein Kampf um die Deutungshoheit von Just Transition statt. Zwar haben Gewerkschaften den Begriff bei den Klimakonferenzen geprägt und 2015 dafür gesorgt, dass ein gerechter Strukturwandel im Sinne der Beschäftigte im Pariser Klimaabkommen verankert wurde. Doch gibt es zunehmend Interessengruppen, die den Schlagbegriff für ihre Zwecke nutzen. Das sind u.a. kapitalgetriebene Akteure, die damit Geschäftsmodelle vermarkten wollen, Staaten, die so ihre CO2-intensiven Strategien rechtfertigen oder ganz andere Gruppen mit eigenen Agenden. Eins haben die Akteure allerdings gemein – sie sind weit weg von Beschäftigung, von Guter Arbeit und von sozialer Ausgestaltung.

Vor diesem Hintergrund ist eine klare Definition von Just Transition mit einem klaren Handlungsauftrag für Staaten aber auch für die Institutionen der Vereinten Nationen wichtiger denn je. Daher ist es ein großes Problem, dass die ILO bisher wenig Schnittmengen mit den Klimakonferenzen hat und die gut formulierten Richtlinien von 2014 kaum Beachtung finden.  

Gruppenbild mit: Bert De Wel, ITUC; Siglinde Hessler, DGB Nord; Jan Philipp Rohde, DGB

Gewerkschafter*innen für mehr Klimaschutz (v. l. n. r.) Bert De Wel vom ITUC, Siglinde Hessler vom DGB-Nord und Jan Philipp Rohde vom DGB-Bundesvorstand. DGB

Was ist das Ergebnis des Ausschusses zu Just Transition?

Nach zähen Verhandlungen hat der Ausschuss eine richtungweisende Entschließung verabschiedet. So konnten nach kontroversen Debatten - in erster Linie zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften - wichtige Übereinkünfte getroffen werden, dazu zählen unter anderem:

  • Klares Bekenntnis der Beteiligten, dass die Bekämpfung des Klimawandels zentrale Menschheitsaufgabe ist. Die Gestaltung der damit einhergehenden Strukturveränderungen allerdings sozial, gerecht und unter Wahrung von Mensch- und Arbeitnehmerrechten erfolgen muss;
  • Feststellung, dass die Kosten eines Nichthandelns um ein Vielfaches höher sein werden, als die dringend erforderlichen Investitionen in widerstandsfähige, inklusive und ökologisch nachhaltige Volkswirtschaften und Gesellschaften. Dabei sollen Investitionen an Kriterien einer Just Transition ausgerichtet werden;
  • Übereinkunft darin, dass Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zentrale Akteure des Wandels sind. Sozialer Dialog und Tarifverträge einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Zudem braucht es sozialpartnerschaftliche Strategien auf regionaler, sektoraler und betrieblicher Ebene;
  • zentrale Verankerung der ILO-Richtlinien für einen gerechten Übergang. Damit haben alle Beteiligten unterstrichen, dass die gewerkschaftlichen Anforderungen an eine „Just Transition“ gestärkt werden müssen;
  • Stärkung des ILO-Mandats mit Blick auf die internationalen Prozesse insbesondere im Rahmen der internationale Klimaverhandlungen. Die ILO ist eine wichtige Ressource, um die gewerkschaftlichen Anliegen – auch in Sozialpartnerschaft – in die Breite zu tragen und im internationalen Diskurs zu verankern.

Hier geht’s zum Abschlussdokument.

Wie geht es weiter?

Die Entschließung beschreibt wichtige Anforderungen an eine „Just Transition“. Damit ist das Ergebnis eine wichtige Grundlage für die weiteren Verhandlungen im Rahmen der Klimakonferenzen, an denen sich der DGB seit Jahren aktiv beteiligt. Auch national kann die Entschließung wichtige Impulse senden. Denn sowohl Arbeitgeber als auch Regierungen hab sich darauf verständigt und sich bereit erklärt, ihren Beitrag u.a. auf Basis von Tarifverträgen und sozialem Dialog zu leisten.

Auch die ILO hat gefordert, sich weiterhin intensiv mit dem Thema Just Transition auseinanderzusetzen und sich bei den internationalen Verhandlungen stärker einzubringen. Das können neben Studien und Forschungsprojekten auch politische Handlungsempfehlungen wie die Entwicklung von Just Transition Kriterien für nationale Klimaverpflichtungen sein.


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Der DGB-Smart-O-Meter

DGB-Smart-O-Meter Startbild
DGB
Immer mehr Städte und Gemeinden wollen durch digitale Angebote effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner oder sozial inklusiver werden. Aber wie sind E-Scooterverleih per App, Chatbots für Verwaltungen oder smarte Verkehrslenkung aus gewerkschaftlicher Sicht zu bewerten? Der Smart-O-Meter des DGB soll dabei helfen, Smart City-Vorhaben besser einschätzen zu können.
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DGB-TransfoMeter

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Workshop-Reihe Digitale Plattformen

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In immer mehr Branchen und gesellschaftlichen Bereichen gewinnen digitale Plattformen an Bedeutung. Sie treten formal nur als Online-Vermittler auf, entscheiden aber oft über Marktzutritt, Geschäfts- und Arbeitsbedingungen. In einer Workshop-Reihe wollen wir die Bedeutung digitaler Plattformen auf unterschiedliche Felder des Wirtschaftslebens diskutieren.
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Aktuelles von DGB-Vorstand Stefan Körzell

#Ta­rif­wen­de: Jetz­t!
Infografik mit Kampagnenclaim "Eintreten für die Tarifwende" auf roten Untergrund mit weißen Pfeil, der leicht nach oben zeigt.
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Immer weniger Menschen arbeiten mit Tarifvertrag. Die Tarifbindung sinkt. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und starten für dich und mit dir die Kampagne #Tarifwende!
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Haus­halt 2025: Ge­stal­ten statt kür­zen!
Symbolbild mit verschiedenen, kreisförmig angeordneten Elementen vor grünem Hintergrund: Hand hält Erde, kleine Pflanzen etc.
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Wir brauchen einen Kurswechsel in der Haushaltspolitik! Als Partner in einem neuen sozial-ökologischen Bündnis blicken wir Gewerkschaften mit großer Sorge auf die Sparpolitik der Bundesregierung: "Die angekündigten Kürzungen bremsen die Wertschöpfung, gefährden zukunftsfähige Arbeitsplätze und treiben die gesellschaftliche Spaltung voran."
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Wech­sel in der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on
Portaitfoto Guido Zeitler (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Geststätten NGG)
Foto: www.ngg.net
Die Mindestlohnkommission bekommt ein neues Mitglied. Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), wurde heute von der Bundesregierung auf Vorschlag der Gewerkschaften ernannt. Zeitler folgt auf Robert Feiger, Vorsitzender der IG BAU, der die Kommission auf eigenen Wunsch verlässt. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell ist auch weiterhin Teil der Kommission.
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