Die aktuell verhandelte, grundlegende Reform der EU-Fiskalpolitik wird Alle betreffen. Warum das der Fall ist, warum eine Demokratisierung der Entscheidungsfindung dringend notwendig ist und wie sich das positiv auswirken würde, wird in diesem klartext beleuchtet.
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Die EU-Institutionen verhandeln aktuell über eine grundlegende Reform der wirtschaftspolitischen Koordinierung. Was wie ein kompliziertes Thema für Insider klingt, hat Auswirkungen für Alle: Es geht darum, die finanziellen Grenzen für die Politik der Mitgliedstaaten neu zu justieren.
Wenn die EU-Institutionen zukünftig zum Beispiel darüber entscheiden, in welchem Umfang und in welchem Tempo die Mitgliedstaaten ihre Staatsschulden abbauen müssen, kann das Auswirkungen haben auf die sozialen Sicherungssysteme der Mitgliedstaaten, auf den öffentlichen Dienst und andere wichtige inländische Belange. Es wird darüber hinaus den Spielraum der Mitgliedstaaten für Investitionen in den ökologischen Wandel und die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur festlegen. Da die öffentlichen Schuldenstände vieler Mitgliedstaaten in den letzten Jahren aufgrund der Corona- und der Energiekrise gestiegen sind (siehe Grafik) und sich die Refinanzierungsbedingungen aufgrund der geldpolitischen Straffung verschlechtert haben, sind die zukünftigen fiskalpolitischen Entscheidungen der EU besonders brisant.
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Für den DGB ist klar: Politische Entscheidungen von dieser Tragweite müssen in den Parlamenten unter Einbeziehung der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft getroffen werden. Eine Stärkung des Demokratieprinzips in der europäischen wirtschaftspolitischen Steuerung ist wichtig, um die Legitimität politischer Entscheidungen zu erhöhen.
Eine Demokratisierung der Verfahren könnte darüber hinaus dazu beitragen, die Umsetzung von EU-Reformempfehlungen in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Klar ist, dass die Mitgliedstaaten mehr Verantwortung übernehmen müssen für EU-Entscheidungen. Allerdings bleibt das Gesetzespaket hier auf halbem Wege stehen. Es enthält nur Mechanismen zur Vertiefung der bilateralen Beziehungen zwischen den nationalen Regierungen und der EU-Kommission. Wichtig ist aber vor allem eine Stärkung von Beteiligungs- und Entscheidungsrechten jenseits der Regierungsebene, damit EU-Entscheidungen zukünftig auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung stoßen.
Eine Demokratisierung der wirtschaftspolitischen Steuerung ist schließlich notwendig, um eine soziale und ökologische Balance der EU-Politikentscheidungen herzustellen. Der aktuelle technokratische Politikstil begünstigt unausgewogene Politikergebnisse, die die sozialen und ökologischen Folgen fiskalpolitischer Entscheidungen nicht angemessen berücksichtigen. Der einseitige Fokus auf die Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen ist kontraproduktiv und verhindert eine ausgewogene europäische Wirtschaftspolitik.
Eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung entwickelt nun juristisch tragfähige Vorschläge für den aktuellen Reformprozess. Autor Mark Dawson, Professor für EU-Recht an der Hertie School in Berlin, macht darin klar, dass die EU-Verträge einer umfassenden Demokratisierung der europäischen wirtschaftspolitischen Koordinierung nicht im Weg stehen. Mehr noch: Die Studie entwickelt konkrete Reformmaßnahmen, die auf eine Stärkung des Europäischen Parlaments sowie eine effektive Einbindung der nationalen Parlamente und der organisierten Zivilgesellschaft abzielen.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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