Rechte und rechtspopulistische Blogs und Webseiten erreichen mittlerweile monatlich Millionen von Menschen. Ihre Texte sind Quelle für Shitstorms auf Facebook und schleichendes Gift für künftige Debatten im Netz. Wir zeigen, wie die Algorithmen von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken den Machern in die Hände spielen und was wir der Entwicklung entgegen halten können.
Keine gute Nachricht für Deutschland – das amerikanische Newsportal Breitbart.com will seine Dienste künftig auch für NutzerInnen in Europa bereitstellen. Die Webseite wurde von Andrew Breitbart, einem Vertreter der rechtskonservativen Tea-Party-Bewegung 2007 ins Leben gerufen. Besonders im US-Wahlkampf 2016 war das Portal Infoquelle für viele Trump-WählerInnen. Täglich produziert die Redaktion vor allem negative Meldungen über MigrantInnen, Homosexuelle, Frauen oder Muslime – mit großer Resonanz. In den vergangenen Jahren wurde so „aus einem obskuren Hass-Sammelbecken das mittlerweile meistbeachtete Hass-Sammelbecken der USA“, urteilte der Spiegel. Laut dem Online-Analysedienst SimilarWeb klicken bis zu 85 Millionen Menschen pro Monat auf die Internetseite.
Auch in Deutschland profitieren rechtspopulistische Newsportale von der aktuellen politischen Stimmung. So besuchen laut SimilarWeb mehr als 2,5 Millionen Menschen die Internetseite der nationalkonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) – jeden Monat. Die Besucherzahlen auf anderen rechtspopulistischen und rechten Internetseiten geben ebenfalls Anlass zur Sorge. Die JF gehört neben den PI-News (bis zu 4,4 Millionen NutzerInnen pro Monat) oder dem Compact-Magazin (bis zu einer Million) zu den Meinungsmachern in der nationalkonservativen und rechten Szene. Beobachter gehen davon aus, dass mehr als 1600 Blogs und Webseiten in diesem Milieu online sind. Auch wenn sie sich inhaltlich und optisch zum Teil stark unterscheiden, ihr gemeinsames Ziel: Sie wollen das Meinungsklima in Deutschland nach rechts verschieben. Viele Online-Beiträge dieser Medien befassen sich einseitig und ausschließlich negativ mit der Situation der Geflüchteten, mit der angeblich gefährdeten inneren Sicherheit, dem Islam, der „Lügenpresse“ oder den „Systemparteien“. „In den vergangenen Jahren ist es der gesamten rechten Szene gelungen mittels den neuen Kommunikationstechniken eine parallele Informationswelt auf- und auszubauen“, sagt der Journalist und taz-Autor Andreas Speit. „Rund um die Uhr können sich Menschen jenseits seriöser und renommierter Medien die vermeintlichen Informationen zusammen suchen“. Die Szene feiert dies als Durchbrechen des „Schweigekartells“. Teile der AfD orientierten sich bereits zu diesen „alternativen Medien“ weg von den „etablierten Medien“. „Da wird lieber erst dem Compact-Magazin ein Interview gegeben als Öffentlich-Rechtlichen-Sendern“, so Speit.
Die Aktivitäten der rechten Medienmacher haben langfristig Spuren im Netz hinterlassen. Kaum eine Google-Suche zu den Themen Migration, Geflüchtete oder Muslime in Deutschland, bei denen nicht Beiträge dieser Portale prominent in den Ergebnissen auftauchen. Je nach Kombination der Suchbegriffe finden sie sich unter den ersten fünf relevanten Suchergebnissen.
Ein großes Problem: Generell verwenden die AutorInnen rechter Blogs und Webseiten Worte oder Formulierungen, die von freien Medien, demokratischen Parteien und Verbänden nicht verwendet werden. So dominieren sie zum Beispiel die ersten zwanzig Suchergebisse auf Google, wenn etwa nach den Schlagworten „Asylant Kriminalität“ gesucht wird. Auf den ersten zwei Ergebnisseiten lauten die angebotenen Texte zum Beispiel „6000 % mehr Asylanten-Kriminalität in 2014“ (pi-news.net), „Asylterror - Straftaten und andere Meldungen von Asylanten“ (asylterror.com) oder „Ausländerkriminalität in Deutschland – Die Liste des Horrors“ (journalistenwatch.com). Meldungen von seriösen Medien und Akteuren tauchen unter den Ergebnissen kaum auf. Dadurch, dass seriöse Newsseiten diese Wortwahl meiden, haben rechte Meinungsmacher in diesen semantischen Feldern nur wenig Konkurrenz – sie dominieren diese Themenaspekte und sorgen dafür, dass sich Gerüchte, Halbwahrheiten und Falschmeldungen halten und weiter verbreiten.
Die Portalbetreiber nutzen hierfür auch die Algorithmen der Suchmaschinen. So fällt auf, wie sehr sich die nationalkonservative und rechte Medienszene gegenseitig „liked“, verlinkt und unterstützt. Der Mechanismus dahinter: Suchmaschinen wie Google honorieren jeden sogenannten Backlink auf einen Beitrag. Der Algorithmus deutet die Verlinkung als Beleg für die Qualität des Artikels und stuft den Text in der Ergebnisliste höher ein, was wiederum zu mehr Klicks führt. Deutlich wird dies am Beispiel des Kopp-Verlags, der als „Ausrüster“ für Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und auch Rechte gilt. Neben dem E-Shop betreibt Kopp einen Infoservice, der im großen Stil auf Meldungen anderer Medien vor allem zu den Themen Migration, Islam und Innere Sicherheit verlinkt. Häufiges Linkziel sind neben den Seiten von JF, Compact oder PI-News die Portale Sputniknews und RT Deutsch. Beides Medien, denen ExpertInnen eine Nähe zum russischen Kreml attestieren. Sie werden zwar nicht als rechte Medien eingestuft, berichten aber tendenziös und einseitig. Der Verfassungsschutz warnt mit Blick auf den Bundestagswahlkampf 2017, dass diese oder ähnliche Newsportale von außen gesteuert werden könnten, um Stimmung vor der Bundestagswahl zu machen.
Doch wie umgehen mit den Inhalten von unseriösen, rechtspopulistischen und rechten Newsportalen? Simone Rafael von der Amadeu-Antonio-Stiftung fordert, dass LeserInnen sich kritischer mit ihren Newsquellen im Netz befassen. „Auf den ersten Blick sind viele Portale modern gestaltet, optisch fallen sie nicht negativ auf“, erklärt Rafael. Sie rät: „Bevor man einen Text von einem bisher nicht bekannten Portal nutzt oder verbreitet, sollte man sich kritisch mit der jeweiligen Quelle befassen.“ Häufig genüge es, wenn man diese googelt, um erste Hinweise auf Wikipedia oder anderen Seiten über die Ausrichtung des Portals zu bekommen. Auch ein Blick ins Impressum kann Aufschluss geben. Vorsicht ist angesagt, wenn dort eine Adresse oder ein Betreiber im Ausland aufgeführt ist oder es kein Impressum gibt. Mehr Aufklärung sei notwendig, damit nicht noch mehr Menschen den Rechtspopulisten auf den Leim gehen, so Rafael.
Wenn NutzerInnen auf Inhalte stoßen, die zu Gewalt aufrufen oder volksverhetzend sind, dann können sie diese über die Hotline von jugendschutz.net melden. Das Portal ist zugleich Kompetenzzentrum für den Jugendmedienschutz und recherchiert jugendgefährdende Inhalte im Netz. MitarbeiterInnen nehmen Hinweise auf Verstöße entgegen und sorgen dafür, dass die Texte möglichst schnell beseitigt werden. Fabian Jellonnek, Referent bei jugendschutz.net, betont: „Hassrede erfordert sichtbaren Widerspruch.“ NutzerInnen sollen Hetze und Rassismus im Netz kommentieren und beispielsweise rechtsextreme Äußerungen argumentativ entkräften oder ihre Solidarität mit den Opfern rassistischer Anfeindungen ausdrücken.
Das gilt vor allem auf Facebook und Twitter. Fast alle Newsportale verbreiten ihre Nachrichten auch über diese und andere sozialen Netzwerke. Eine Auswertung des Onlinedienstes 10000flies.de, der die Likes auf Facebook, Twitter und Google+ verschiedener Medien analysiert, zeigt: die unseriösen, rechtspopulistischen und rechten Portale gehören mittlerweile zu den Top-100-Newsportalen in Deutschland. Unter den 50 meistgelikten Seiten im Oktober 2016 finden sich die Junge Freiheit (Platz 32), RT Deutsch (Platz 28) und Epochtimes (Platz 15). Sie alle lagen vor tagesschau.de oder stern.de. Mit Unzensuriert.at taucht auch ein rechtspopulistisches Portal aus Österreich in der Liste (Platz 69) auf. Neueinsteiger im Oktober war die rechte Plattform anonymousnews.ru auf Platz 52. Die Aktivitäten der Seite wurden auf Facebook und Co. 186 904 mal geliked.
Gerade hier haben Rassisten und Rechte jegliche Hemmungen verloren. Immer wieder sind auch GewerkschafterInnen Ziel von hasserfüllten Attacken. Häufig entzündet sich der Zorn an Meldungen, die ihren Ursprung auf JF, Compact oder auch auf der AfD-Homepage haben. Die Partei hat in den vergangenen Monaten einen beachtlichen Zuwachs an „Likes“ auf Facebook erhalten. Wie kann es sein, dass diese noch sehr junge Partei so viel erfolgreicher auf Facebook ist als CDU, SPD, Linke und Grüne? Professor Simon Hegelich von der Technischen Universität München hat im Auftrag für das ZDF alle Aktivitäten zur Debatte um die Geflüchteten im Facebook-Milieu von AfD und Pegida analysiert. Sein Fazit: „Unsere Daten zeigen, dass im Umfeld von AfD und Pegida hyperaktive Nutzer auf Facebook aktiv sind.“ Während der durchschnittliche Nutzer auf Facebook relativ passiv ist, sind die hyperaktiven Nutzer mehrere Stunden täglich damit beschäftigt, Beiträge zum Thema zu kommentieren und zu „liken“. Hegelich stellt fest: „Dadurch wird die Netzwerkstruktur auf Facebook nachweislich verzerrt: Es entsteht der Eindruck, Posts, die sich gegen Geflüchtete wenden, wären wesentlich populärer und würden häufiger kommentiert.“ Es sei anzunehmen, dass dieser Verzerrung sich auch auf die Algorithmen auswirkt, mit denen Facebook anderen Nutzern Seiten empfiehlt. „Wir vermuten – da wir keine umfassende Kenntnis der Algorithmen haben –, dass Nutzern, die einmal im Pegida-Umfeld landen, automatisch mehr Inhalte aus diesem Bereichen vorgeschlagen werden als es ohne die hyperaktiven Nutzer der Fall wäre“, so Hegelich. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat nun erste Maßnahmen gegen Falschmeldungen angekündigt.