Für Jörg Mitzlaff von openPetition sind Online-Petitionen ein eleganter Weg, um Politik zu machen. Im Interview erklärt er, worauf GewerkschafterInnen achten müssen, wenn sie eine Petition starten.
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Online-Sammelpetitionen auf der Plattform openPetition eignen sich besonders gut, um einer breiten Öffentlichkeit politische Anliegen näher zu bringen. So, wie man es zurzeit bei der Petition des DGB “Mit deiner Stimme den Renten-Sinkflug stoppen!” beobachten kann. Durch das Unterschreiben einer Petition können Unterstützende ihre Zustimmung signalisieren. Dies hilft einerseits, um Stimmungen in der Bevölkerung ab zu tasten also quasi als Seismograph der Gesellschaft und andererseits, breite Teile der Bevölkerung auf wichtige Themen hinzuweisen. Dies gilt nicht nur für Gewerkschaften, sondern auch Verbände, NGOs oder Verbraucherschützer. Auch Gemeinden können unsere Technologie mittlerweile als Software as a Service nutzen, um ein eigenes Petitionssystem zu ermöglichen.
Seit 2012 ist Jörg Mitzlaff Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der openPetition gemeinnützige GmbH. Geboren und aufgewachsen in Ost-Berlin, studierte er an der TU Berlin von 1990 bis 1995 Informatik. Danach verbrachte er viele Jahre in der Internet- und Medienwelt u.a. bei Infoseek, eBay und idealo. Jörg Mitzlaff engagiert sich in seiner Community als Vorsitzender des örtlichen Bürgervereins. openPetition
Meistens achten die Petenten selber ziemlich genau darauf, was in der Petition stehen soll und was nicht. Grundsätzlich gilt: je engagierter die Petentinnen und Petenten, desto erfolgreicher die Petition. Eine Petition sollte ein verständlich und knapp formuliertes, konkretes Anliegen vorweisen können, den richtigen Empfänger haben und Interessen von größeren Menschengruppen vertreten. Ganz wichtig sind Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerken mit Influencern des jeweiligen Themenbereichs. Doktoranden des Max-Planck-Instituts für Humanwissenschaften und des Robert-Koch-Instituts für Virologie versuchen zur Zeit mit Hilfe eines anonymisierten Datensatzes, bestimmte “Prädiktoren” für den Erfolg einer Petition zu erforschen. Es gibt immer externe Faktoren, die den Verlauf und Erfolg einer Petition beeinträchtigen können. Zum Beispiel: Aktuelle politische Ereignisse, Verhalten der Petenten, Weiterführung auf dem Rechtsweg, etc.
Online-Sammelpetitionen haben im Vergleich zu anderen Arten von Petitionen den entscheidenden Vorteil, dass sie ein hohes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit erzeugen. Menschen, die durch das Netz der Gesetze und Regeln in Deutschland zu fallen drohen, können öffentlich eine Veränderung der Gesetzeslage, ihrer Situation oder die anderer einfordern. Weiterführend können Anliegen, die durch viele Unterstützerunterschriften legitimiert wurden, auf kommunaler Ebene, in Landtagen oder dem Bundestag eingereicht werden. OpenPetition fragt zusätzlich zum offiziellen Einreichungsprozess Stellungnahmen bei den Adressaten der jeweiligen Petition an. Sobald die regionale Relevanzschwelle (Quorum) einer Petition erreicht wird, schreiben wir die Abgeordneten an und bitten um eine Stellungnahme zum Anliegen der Petition. 2015 wurden zehn Prozent aller Anfragen beantwortet, im Jahr 2016 waren es 32 Prozent – mit steigender Tendenz. Das Ziel ist ein Dialog zwischen politischen Eliten und Bevölkerung in Form eines Dialogs auf Augenhöhe.
Ja durchaus! Vor allem regionale Themen funktionieren besonders gut. Das haben wir letztes Jahr gemerkt. Von den über 170 erfolgreichen Petitionen, waren 88 an kommunale Parlamente adressiert. Wir erklären dieses Phänomen zum einen dadurch, dass wir auf den höheren politischen Ebenen noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen und zum anderen dadurch, dass lokale bzw. kommunale Petitionen einen höheren Identifikationswert haben. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Petenten und Unterstützenden, sondern auf die Abgeordneten der kommunalen Parlamente. Der Kontaktaufbau zu Abgeordneten, das Einreichen und etwaige öffentliche Anhörungen oder Ortsbegehungen sind leichter zu gestalten.
Wir möchten mit openPetitionen unsere parlamentarische Demokratie modernisieren. Ich bin ein Social Software Engineer, der sich der Idee einer offenen demokratischen Beteiligungsgesellschaft verschrieben hat. Das Petitionswesen kann sich viel eleganter an die neuen Möglichkeiten des Internets anpassen. Politische Teilhabe muss so einfach sein wie Online-Shopping und dabei auf Dauer so wirksam sein wie zur Wahl zu gehen. 10 Jahre nach dem Web 2.0 ist es endlich an der Zeit für Partizipation 2.0.