Deutscher Gewerkschaftsbund

16.01.2019
Reihe "Darf mein*e Chef*in...?"

Darf mein*e Chef*in mich anschreien?

DGB-Expert*innen beantworten Fragen aus dem Arbeitsrecht

Wo Menschen zusammen arbeiten, gibt es Meinungsverschiedenheiten – das ist normal und kommt in den besten Unternehmen vor. Doch was, wenn der oder die Vorgesetzte dabei laut wird, sich im Ton vergreift und mich beleidigt: Muss ich mir das gefallen lassen? Und was kann ich dagegen tun?

Geschäftsmann spuckt Feuer

DGB/Romolo Tavani/123rf.com

"Sie unfähiger Idiot!", "Du Trottel": Solche und ähnliche Beschimpfungen muss sich niemand gefallen lassen, auch von seinem Chef oder seiner Chefin nicht. Auch im Unternehmen müssen sich die Menschen an Recht und Gesetz halten – und persönliche Beleidigungen sind ein Straftatbestand (§185 StGB).

Der Arbeitgeber hat gegenüber Arbeitnehmer*innen sogar eine besondere Fürsorgepflicht. Das heißt: Er muss die Beschäftigten nicht nur entsprechend Recht und Gesetz behandeln, sondern auch auf ihre berechtigten Interessen Rücksicht nehmen und sie vor Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz schützen. Das gilt auch für psychische Belastungen, die zum Beispiel durch Schikanen entstehen. Wenn Vorgesetzte sich schikanös verhalten, ist der Arbeitgeber dafür grundsätzlich verantwortlich – und sollte dafür sorgen, dass sie sich nicht wiederholt im Ton vergreifen.

Die besondere Fürsorgepflicht schlägt sich auch in den Pflichten des Arbeitgebers nach dem Betriebsverfassungsgesetz nieder. Der Arbeitgeber hat, genauso wie der Betriebsrat, "darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden" (§75 BetrVG). Tut er das nicht, kann sich der oder die Betroffene beim Betriebs- oder Personalrat beschweren. Auch das ist gesetzlich geregelt: "Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt" (§ 84 BetrVG).

Büroutensilien und Block mit Schrift "Mobbing"

DGB/Asnida Marwani/123rf.com

Schikanen müssen bewiesen werden

Je nach Grad der Anfeindungen oder Beleidigungen und ihrer Auswirkungen können sich die Betroffenen auch anders zu Wehr setzen und Strafanzeige erstatten. Grundsätzlich können sie auch auf Schadenerstatz klagen und / oder Schmerzensgeld geltend machen. Das setzt jedoch voraus, dass der (finanzielle) Schaden oder die Schmerzen bewiesen werden können. Deshalb sollten sich Betroffene im Vorfeld von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin oder – für Gewerkschaftsmitglieder –  von einem oder einer Rechtssekretär*in der zuständigen Gewerkschaft beraten lassen. Denn: Die Behauptung des Vorgesetzten, er hätte lediglich – in einem etwas rauen Ton – Arbeitsanweisungen erteilt, muss der oder die Beschäftigte widerlegen.

Kündigung wegen unbegründeter Strafanzeige

Wer seinen Vorgesetzten zu Unrecht einer entsprechenden Schikane beschuldigt, kann fristlos gekündigt werden. Das hat das LAG Rheinland-Pfalz entschieden. Ein Arbeitnehmer hatte nach einem Streit mit seinem Arbeitgeber Strafanzeige wegen Nötigung, Körperverletzung und Beleidigung gestellt, konnte das aber letztlich nicht begründen. Zudem drohen Strafanzeigen, zum Beispiel wegen Verleumdung.

Wenn aus einem Ausrutscher Mobbing wird

Letztendlich muss sich aber kein*e Beschäftigte*r von seinem oder seiner Vorgesetzten oder seinem Arbeitgeber zur Schnecke machen oder als "Idiot*in" beschimpfen lassen – egal ob in einer Bank oder auf dem Bau. Auch in Branchen, in denen üblicherweise ein rauerer Ton herrscht, müssen die üblichen Umgangsformen gewahrt bleiben. Das gilt allerdings auch umgekehrt: Wer in so einem Fall zurückschreit und den oder die Chef*in beleidigt, riskiert seinen Job. Besser: Sachlich bleiben, die Gesprächssituation protokollieren, Zeugen und Zeuginnen benennen. Und dann mit diesen Informationen zum Betriebsrat gehen und eine Klärung anstreben.

Wenn es nicht bei einem einmaligen Ausrutscher bleibt, wenn der Chef oder die Chefin also ständig laut wird und schikaniert, kann das rechtlich als Mobbing einzustufen sein. Auch hier gilt: Alles genau festhalten und Unterstützung suchen. Der oder die Betroffene muss die Vorfälle beweisen können. Leider ist der Begriff Mobbing nicht im Gesetz definiert, im deutschen Arbeitsrecht gibt es keine ausdrückliche Regelung dazu. Das macht es für Betroffene oft schwer, zu ihrem Recht zu kommen. Trotzdem sollten sie sich auf jeden Fall wehren und sich dabei vom Betriebsrat, einem Anwalt oder einer Anwältin oder dem DGB Rechtsschutz unterstützen lassen.

Fazit:

Niemand muss sich von seinen oder ihren Vorgesetzten anschreien oder beleidigen lassen. Sachlich bleiben und Hilfe suchen ist im Zweifel erfolgsversprechender und sicherer als zurückzuschreien. Vorgesetzte, die sich regelmäßig nicht an die üblichen Umgangsformen halten, können und sollten vom Arbeitgeber gekündigt werden.


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