So bewerten wir die Regierungsarbeit
Nach bald 100 Tagen im Amt zeigt sich: Die neue Regierung kann handeln, wenn sie will. Bei manchen Themen hat sie Gas gegeben – bei anderen lässt sie die Beschäftigten hängen. Wir zeigen dir, was läuft und wo es hakt.
Das läuft: Wichtige Weichenstellungen
Endlich wird Geld in die Hand genommen
Jahrelang haben wir dafür gekämpft: mehr Geld für Brücken, Schulen und Krankenhäuser. Jetzt ist es da – 500 Milliarden Euro! Die Schuldenbremse wurde dafür gelockert. Das war auch höchste Zeit. Aber es fehlt ein klarer Plan, wofür das Geld verwendet wird. Zwar stehen Infrastruktur und Klimaschutz im Gesetz über die Verwendung der Gelder, aber das ist zu vage.
Das Problem: Während Verteidigungsausgaben praktisch ohne Obergrenze möglich sind, bleiben Zukunftsinvestitionen zeitlich und finanziell begrenzt. Diese Prioritätensetzung passt nicht zu den Herausforderungen unserer Zeit.
Was wir fordern: Wir brauchen klare Regeln! Nur Unternehmen, die Tarifverträge einhalten, Arbeitsplätze in Deutschland sichern und Umweltstandards beachten, sollen öffentliches Geld bekommen. Die Gewerkschaften müssen von Anfang an in einem Begleitgremium mitreden. Und der Erfolg darf nicht nur an Zahlen gemessen werden, sondern daran, ob sich das Leben der Beschäftigten wirklich verbessert. Außerdem braucht es eine echte Reform der Schuldenbremse, die langfristige Investitionen per Kredit ermöglicht.
Deine Rente ist sicher – bis 2031
Die gute Nachricht: Die Renten werden nicht gekürzt. Das Rentenniveau bleibt bei 48 Prozent – bis 2031. Konkret bedeutet das: Wer 40 Jahre durchschnittlich verdient hat, bekommt mindestens 48 Prozent dieses Durchschnittsverdienstes als Rente, das sind derzeit etwa 1.600 Euro monatlich. Zusätzlich hat die Regierung Verbesserungen beschlossen: Mütter bekommen mehr Rentenpunkte angerechnet, und es gibt flexiblere Möglichkeiten für den Übergang in die Rente.
Das zentrale Problem bleibt aber ungelöst: Was geschieht nach 2031? Diese Unklarheit verunsichert viele Beschäftigte. Hinzu kommt, dass die betriebliche Altersvorsorge – die zweite Säule neben der gesetzlichen Rente – noch nicht ausreichend funktioniert. Viele Arbeitnehmer*innen haben keine oder nur geringe Ansprüche aus Betriebsrenten.
Die Lösung liegt darin, mehr Menschen als Beitragszahlende zu gewinnen: durch mehr sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung, erfolgreiche Integration von Arbeitslosen und die Einbeziehung von Selbstständigen in das Rentensystem. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnen wir strikt ab.
Das bringt dir das DGB-Rentenkonzept
Das aktuelle Rentenniveau liegt bei 48 Prozent. Wenn es keine grundlegende Reform der Rente gibt, wird es in Zukunft deutlich sinken. Wir wollen das verhindern – und nicht nur das: Mit unserem Konzept würden die Renten künftig sogar steigen. Rechne aus, was das für deine Rente bedeutet und wie viel Geld du dadurch jeden Monat mehr auf dem Konto hättest.
Schluss mit Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen
Bisher war es so: Eine Firma bekommt einen Auftrag vom Staat – zum Beispiel eine Schule zu bauen oder Büros zu reinigen – und zahlt ihren Beschäftigten trotzdem niedrige Löhne. Das soll sich in diesem Sommer ändern: Das von der Regierung zu beschließende Bundestariftreuegesetz verpflichtet Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, zur Zahlung von Tariflöhnen.
Das bedeutet: Wer mit Steuergeldern Geschäfte macht, muss seine Leute anständig bezahlen. Das ist ein wichtiger Erfolg gegen unfairen Wettbewerb. Bisher konnten Firmen nur deshalb billiger anbieten, weil sie schlechte Löhne zahlten. Bald müssen alle nach den gleichen Regeln spielen.
Aber das reicht noch nicht: Wir brauchen weitere Maßnahmen, damit mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren. Dazu gehören Steuervorteile für Gewerkschaftsmitglieder und bessere Möglichkeiten für uns, in Betrieben präsent zu sein. Die Regierung hat versprochen, bis Jahresende einen Plan für höhere Tarifbindung vorzulegen. Wir nehmen sie beim Wort.
Das hakt: Wo nachgebessert werden muss
Steuerpolitik: Unternehmen werden entlastet, Beschäftigte warten weiter
Die Steuerpolitik der Regierung ist einseitig zugunsten der Unternehmen ausgefallen. Während Unternehmenssteuersenkungen mit der Gießkanne beschlossen wurden, warten die versprochenen Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen sowie steuerliche Anreize für Gewerkschaftsmitgliedschaften weiterhin auf ihre Umsetzung.
Das Problem: Wenn die Maßnahmen dazu führen, dass Länder und Kommunen wegen Einnahmerückgängen zu Ausgabenkürzungen gezwungen werden, belastet das die Konjunktur und mindert die Lebensqualität vor Ort. Zwar will der Bund den Kommunen helfen, aber nur bis 2029. Danach ist Schluss mit der Unterstützung. Anstatt die staatliche Einnahmebasis mit einseitigen Steuersenkungen weiter zu schwächen, braucht es ein gerechtes Steuersystem – durch eine Vermögensteuer und eine gerechtere Erbschaftsteuer. Mit unserem DGB-Steuerkonzept würden 95 Prozent aller Menschen entlastet, während die reichsten 5 Prozent endlich ihren fairen Beitrag leisten.
Strompreissenkung verschoben, Industrie wartet
Bei den Energiepreisen hat die Regierung viel versprochen, aber die Umsetzung lässt auf sich warten. Drei wichtige Entlastungen kommen frühestens nächstes Jahr: ein Stopp der steigenden Stromnetzkosten für alle Verbraucher*innen, günstigerer Industriestrom und mehr Unterstützung für stromintensive Unternehmen.
Immerhin gibt es eine gute Nachricht: Ab 2026 müssen Haushalte weniger für Gas zahlen, weil eine teure Umlage wegfällt. Günstigere Strompreise für die Industrie sind grundsätzlich richtig. Stahlwerke, Chemieunternehmen und andere Industriezweige brauchen Planungssicherheit, um in Deutschland zu bleiben und Arbeitsplätze zu sichern. Aber die Verzögerung schadet: Unternehmen können nicht planen, Investitionen werden verschoben.
Die Regierung hatte versprochen, den Strompreis um 5 Cent pro Kilowattstunde zu senken – das muss jetzt schnell kommen. Für verlässliche Energiepreise muss die Regierung konsequenter handeln, damit Beschäftigte und Wirtschaft mit Planungssicherheit in die Zukunft blicken können.
Niedriglöhne: 800.000 Menschen stocken auf
Trotz Mindestlohnerhöhung auf 14,60 Euro müssen 800.000 Beschäftigte ihr Einkommen mit Bürgergeld aufstocken, und das, obwohl sie Vollzeit arbeiten. Viele dieser sogenannten Aufstocker sind Familien mit Kindern.
Der Skandal: Während die Beschäftigten für wenig Geld schuften, subventionieren die Steuerzahler*innen indirekt Unternehmen, die zu wenig zahlen. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors hat uns kein Wirtschaftswunder beschert, sondern Menschen in Jobs gedrängt, von denen sie nicht leben können. Das Problem sind nicht die Menschen, die aufstocken müssen; das Problem sind Löhne, die nicht zum Leben reichen.
Pflege und Gesundheit: Notlösungen statt Reformen
Bei Pflege und Krankenversicherung wird nur an den Symptomen herumgedoktert, statt die Ursachen anzugehen. Die Kassen haben kein Geld mehr? Dann bekommen sie eben einen Kredit vom Staat. Diese Schulden müssen aber später zurückgezahlt werden, entweder über höhere Beiträge oder schlechtere Leistungen.
Viele Krankenkassen haben bereits ihre Zusatzbeiträge erhöht, weitere werden folgen. In der Pflege zahlen Familien oft Tausende Euro aus eigener Tasche, weil die Pflegeversicherung nicht ausreicht. Eine Pflegekommission soll jetzt Lösungen finden, aber für die Krankenversicherung gibt es noch nicht einmal das. Wir sagen: Gesundheit und Pflege dürfen nicht arm machen – weder die Versicherten noch ihre Angehörigen.
Das muss passieren
Die Regierung hat erste Schritte in die richtige Richtung gemacht, bleibt in einigen Punkten aber vage oder hinter dem Notwendigen zurück. Wir haben wirksame Rezepte gegen die drängendsten Probleme:
Konkrete Lösungen
- Überreiche zur Kasse bitten: Bringt Hunderte Milliarden für Schulen und Krankenhäuser.
- Rente ohne länger arbeiten sichern: Mehr Vollzeitjobs, weniger Arbeitslosigkeit, alle zahlen ein – auch Selbstständige und Beamte.
- Tarifverträge stärken: Tarifwende jetzt!
- Strompreise jetzt senken: Die versprochenen 5 Cent pro Kilowattstunde müssen schnell kommen – für Haushalte und Industrie.
- Pflege bezahlbar machen: Eigenanteile deckeln, damit Pflege nicht arm macht. Steuerlicher Bundeszuschuss muss her.
- Frauen gleichstellen: Entgeltlücke schließen, Elterngeld erhöhen, Familienpflegegeld einführen.
- Gesundheit für alle: Schluss mit steigenden Zusatzbeiträgen – alle Bürger*innen in eine solidarische Krankenversicherung.
- Wohnen wieder bezahlbar machen: Mehr sozialer Wohnungsbau, Mietpreisbremse durchsetzen, Schlupflöcher stopfen.
- Klimaschutz mit sicheren Jobs: Qualifizierungsoffensive für grüne Jobs, regionale Strukturhilfen.
- Gewerkschaften einbeziehen: Bei Investitionsprogramm und Pflegereform müssen die Sozialpartner von Anfang an mitreden.