Breite Mehrheit der Beschäftigten für Achtstundentag und klare Grenzen für Arbeitszeiten
Pressemitteilung23. Juli 2025
Artikel lesenDGB
Bis zu 13 Stunden arbeiten, wenn viel zu tun ist? Praktisch, finden Arbeitgeber. Die Bundesregierung zieht mit und will den 8-Stunden-Tag abschaffen. Wir sagen: Hände weg vom 8-Stunden-Tag!
Die Bundesregierung will den 8-Stunden-Tag abschaffen und die maximale Arbeitszeit pro Tag verlängern. Sie nennt das “Flexibilität” und “Vereinbarkeit”. Wir nennen das: Rückschritt auf Kosten der Arbeitnehmer*innen. Mit Symbolpolitik sollen die strukturellen Ursachen der Wirtschaftsflaute den Arbeitnehmer*innen in die Schuhe geschoben werden. Dabei löst die Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit keines der aktuellen Probleme der deutschen Wirtschaft.
Die Beschäftigten sind fleißig und leisten bereits zahlreiche Überstunden, oft bis an die Belastungsgrenze. Außerdem gibt es flexible Gestaltungsmöglichkeiten, die in Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und uns Gewerkschaften gemeinsam vereinbart werden.
Der 8-Stunden-Tag ist eine gewerkschaftliche und auch gesellschaftliche Errungenschaft wie der freie Samstag oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Deshalb protestieren wir gegen diesen Rückschritt.
DGB/Frank Rumpenhorst
Sybille nimmt Aufzüge in Betrieb und arbeitet täglich auf Baustellen – einem Arbeitsort voller Gefahren: “Absturz, Quetschung, Strom und natürlich die Baustelle, die sich täglich ändert.”
Die erschreckende Bilanz: 2023 gab es fast 1 Millionen Arbeits- und Wegeunfälle. 599 davon waren tödlich. Das sind fast 2 Tote pro Arbeitstag. Sybille warnt: “Die Unfälle werden mit der Abschaffung des 8-Stunden-Tages, was unsere Regierung ja gerade plant, vermutlich auch steigen.” Damit hat sie Recht: Verlängert sich die Arbeitszeit von 8 auf 12 Stunden am Tag, steigt das Unfallrisiko um 80 Prozent.
Und nicht nur das: Ab der 9. Arbeitsstunde sinkt die Produktivität drastisch, Fehler nehmen zu. Für Sybille und ihre Kolleg*innen können solche Fehler schnell tödlich enden: “Der 8-Stunden-Tag schützt unsere Gesundheit. Wenn die Regierung ihn abschafft, spielt sie mit unserem Leben.”
Lange Arbeitszeiten bedeuten außerdem: Nachtarbeit und krankheitsbedingte Ausfälle. In stark belasteten Berufen, wie der Pflege, sogar eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangels. Die Abschaffung des 8-Stunden-Tages schadet also nicht nur den Beschäftigten – sie bringt auch hohe Folgekosten für die Volkswirtschaft mit sich: durch steigenden Kosten für das Gesundheitssystem, Arbeitsausfälle und Produktivitätsverluste.
Längere Arbeitszeiten als Wirtschaftsbooster? Reines Wunschdenken und Symbolpolitik.
Alexandra Polina
“Wer diesen Schutz abschaffen will, hat keine Ahnung, wie es in der Realität aussieht.” Diese Worte kommen von Hedi, der in einem Amazon-Verteilzentrum arbeitet und Mitglied im Betriebsrat ist. Schon jetzt kommt er oft nach 8 Stunden an seine Grenzen: "Ich arbeite im Schichtsystem in der Logistik – das ist körperlich und psychisch anstrengend", erzählt er. Für ihn ist der 8-Stunden-Tag kein bürokratisches Hindernis, sondern eine Notwendigkeit: "Der 8-Stunden-Tag schützt meine Gesundheit – er gibt mir Luft zum Atmen und zur Erholung."
Genau dieser Schutz wird von der Regierung in Frage gestellt. Gerade Beschäftigte in Hedis Branche würde das hart treffen. Sie arbeiten besonders häufig ohne den Schutz eines Tarifvertrages – wie fast die Hälfte der Arbeitnehmer*innen in Deutschland. Das bedeutet: kein Mitspracherecht durch betriebliche Mitbestimmung, keine Gewerkschaft, die sie schützt. Und auch: keine passgenauen Lösungen, die Gewerkschaften und Arbeitgeber in Tarifverträgen seit über 75 Jahren erfolgreich vereinbaren.
Für sie ist das Arbeitszeitgesetz der einzige verlässliche Rahmen. Ein Rahmen, der bereits jetzt flexibel ist: Bis zu 10 Stunden am Tag sind erlaubt, 60 Stunden die Woche oder 13 Tage ohne freien Tag – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wer also behauptet, das Arbeitszeitgesetz wäre zu starr, lügt.
DGB/Simone N. Neumann
"Multitasking hoch 10" – so beschreibt Tugba ihren Alltag. Als alleinerziehende Lehrerin jongliert sie Unterricht, Kinderbetreuung und Gewerkschaftsarbeit. "Oft schwanke ich zwischen Austritt aus dem Ehrenamt und der Überzeugung, genau das Richtige zu tun", sagt sie.
Tugbas Dilemma ist kein Einzelfall. Lange Arbeitszeiten schließen Menschen systematisch aus – aus der Politik, aus dem Ehrenamt, aus wichtigen gesellschaftlichen Entscheidungen. Das ist Gift für unsere Demokratie. Besonders betroffen: Alleinerziehende und Menschen mit Sorgeverantwortung. Meist Frauen, die durchschnittlich 9 Stunden mehr unbezahlte Care-Arbeit pro Woche leisten als Männer.
Jetzt soll der 8-Stunden-Tag weg und dafür die wöchentliche Höchstarbeitszeit mit bis zu 13 Stunden täglich kommen. Doch wer stemmt die 13-Stunden-Tage, wenn die Kita um 16 Uhr schließt? Für Alleinerziehende wie Tugba ist das schlicht unmöglich. Für Paare bedeutet das häufig: Eine Person muss beruflich zurückstecken und in Teilzeit arbeiten, um die Kinderbetreuung zu übernehmen – auch hier meist die Frauen.
Für Tugba ist klar: "Mehr geht einfach nicht." Schon jetzt arbeitet sie wie viele andere regelmäßig länger als 8 Stunden. 1,2 Milliarden Überstunden wurden 2024 in Deutschland geleistet, 638 Millionen davon unbezahlt.
Beschäftigte brauchen Entlastung statt Experimente auf ihrem Rücken.
Sybilles, Hedis und Tugbas Erfahrungen zeigen: Die geplante wöchentliche Höchstarbeitszeit ist ein gefährlicher Irrweg.
Die Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit löst kein Problem, sie schafft neue. Viele Beschäftigte arbeiten jetzt schon an der Belastungsgrenze und leisten zahlreiche Überstunden. Eine weitere Ausdehnung der Arbeitszeiten gefährdet die Gesundheit, bedeutet eine Rolle rückwärts für die Gleichberechtigung und schwächt die Demokratie. Arbeitszeiten müssen an den Bedürfnissen der Beschäftigten ausgerichtet werden – nicht einseitig an den Interessen der Arbeitgeber.
Das Arbeitszeitgesetz bietet bereits alle notwendige Flexibilität. Hier ein paar Beispiele: 10 Stunden am Tag, 60 Wochenstunden, 6 Tage die Woche, Montag bis Samstag 9 bis 20 Uhr, 13 Tage Arbeit ohne Pause am Stück, ein Einsatz von 8 bis 21 Uhr. All das ist bereits möglich bei Einhaltung der Pausen- und Ruhezeiten.
Mit Tarifvertrag geht mehr: Je nach Branche können mit Tarifvertrag zum Beispiel kürzere Ruhezeiten und längere Arbeitszeiten vereinbart werden. So werden seit 75 Jahren die besonderen Anforderungen beispielsweise in Krankenhäusern, in der Pflege und in der Landwirtschaft berücksichtigt und gute Lösungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern verhandelt. Anders als bei einer einseitigen Gesetzesänderung haben die Beschäftigten bei Tarifverträgen eine starke Stimme. Sie können mitbestimmen, wie ihre Arbeitszeit gestaltet wird. Gleichzeitig bekommen sie dafür oft etwas zurück: höhere Löhne, mehr Urlaub oder bessere Arbeitsbedingungen. Diese bewährte Sozialpartnerschaft funktioniert seit Jahrzehnten – warum sollte man sie durch eine Verschlechterung des Arbeitszeitgesetzes schwächen?
Wissenschaftler*innen sind sich einig: Wer mit längeren Arbeitszeiten die Wirtschaft ankurbeln will, setzt aufs falsche Pferd. Die Wirtschaft braucht Investitionen, nicht erschöpfte Beschäftigte. Mehrarbeit bedeutet außerdem nicht automatisch mehr Produktivität. In stark belasteten Branchen wie der Pflege kann sie sie den bestehenden Fachkräftemangel verschärfen, weil der Beruf damit nicht attraktiver wird.
Die meisten Menschen wollen nicht länger arbeiten. 72 Prozent aller Beschäftigten würden bei freier Wahl maximal 8 Stunden pro Tag arbeiten. 95 Prozent wollen spätestens um 18 Uhr Feierabend haben. Besonders Eltern brauchen planbare Arbeitszeiten. Von denen, die heute schon oft nach 19 Uhr arbeiten müssen, wünschen sich 97 Prozent, früher Schluss zu haben. Zu diesen Ergebnissen kommt die repräsentative Umfrage Index Gute Arbeit. Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache: Menschen wollen Zeit für ihre Familie, für Freunde, für Hobbys und für sich selbst. Sie wollen nicht ihr ganzes Leben der Arbeit opfern.
Längere Arbeitszeiten machen das Familienleben nicht einfacher, sondern schwerer. Wer 12 Stunden arbeitet, kann nicht um 14 Uhr das Kind aus der Kita holen. Frauen leisten schon heute 25 Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche, Männer nur 17 Stunden. Wenn die Arbeitszeiten noch länger werden, wird das vor allem zu Lasten der Frauen gehen. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit, um die Sorgearbeit zu übernehmen. Mit der Verlängerung der Arbeitszeit dürfte sich diese Entwicklung verstärken – das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung. Familien brauchen verlässliche Zeiten, nicht noch mehr Stress.
Nach 8 Stunden Arbeit steigt das Unfallrisiko steil an. Nach 12 Stunden ist es fast doppelt so hoch. Lange Arbeitszeiten machen krank: Burn-out, Herzkrankheiten, Schlafstörungen und Depressionen nehmen zu. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat berechnet: Die Krankheitskosten liegen mit 77 Milliarden Euro pro Jahr doppelt so hoch wie vor 15 Jahren. Wer die Arbeitszeiten verlängert, macht die Menschen krank und treibt die Kosten weiter hoch.
Seit 1918 gibt es in Deutschland den 8-Stunden-Tag. Er sorgt dafür, dass Menschen Zeit für ihre Familie, ihre Gesundheit und ihr Leben haben. Er ist auch ein Baustein unserer Demokratie – denn wer ständig arbeitet, hat keine Zeit für Politik und Gesellschaft. Diese Errungenschaft dürfen wir nicht aufgeben! Der 8-Stunden-Tag schützt alle Beschäftigten, vom Bauarbeiter bis zur Bürokraft, von der Pflegekraft bis zur Ingenieurin.
Die Regierung und Arbeitgeber versprechen mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit "mehr Flexibilität" und "bessere Vereinbarkeit" für Beschäftigte. Doch die sehen das anders, wie unsere repräsentative Umfrage unter Arbeitnehmer*innen zeigt:
Besonders deutlich wird der Widerspruch bei Eltern: 97 Prozent derjenigen, die häufig nach 19 Uhr weiterarbeiten müssen, möchten ihren Arbeitstag vor 19 Uhr beenden. Sie brauchen Planbarkeit für Familie und Kinderbetreuung – keine 13-Stunden-Schichten.
Kein Wunder, denn lange Arbeitszeiten machen nachweislich krank! Arbeitsunfälle, Herzinfarkte, Schlaganfälle und psychische Erkrankungen sind die Folge.
Und die beschworene “Flexibilität”? Die liegt im Zweifel allein beim Arbeitgeber. Er bestimmt, wann die bis zu 13 Stunden gearbeitet werden – nicht die Beschäftigten. Echte Flexibilität und Vereinbarkeit sehen anders aus.
Das Arbeitszeitgesetz bietet bereits alle notwendige Flexibilität. Schon heute sind beispielsweise 10 Stunden täglich, 60 Wochenstunden oder Arbeit an 6 Tagen möglich bei Einhaltung der Pausenzeiten.
Zusätzlich verhandeln wir Gewerkschaften in Tarifverträgen seit 75 Jahren erfolgreich passgenaue Lösungen mit unterschiedlichen Branchen – von verkürzten Ruhezeiten bis zu Bereitschaftsdiensten.
Doch rund die Hälfte aller Beschäftigten profitiert aufgrund von Tarifflucht nicht von Tarifverträgen. Für sie ist das Arbeitszeitgesetz der einzig verlässliche Schutzrahmen. Sie haben wenig Einfluss auf ihre Arbeitszeiten. Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde genau diese Menschen am härtesten treffen: Paketauslieferer, Pflegekräfte, Beschäftigte in der Gastronomie könnten zu 13-Stunden-Schichten gedrängt werden.
Beschäftigte brauchen:
Der 8-Stunden-Tag ist eine hart erkämpfte Errungenschaft von uns Gewerkschaften für unsere Gesellschaft. Ist er einmal abgeschafft, bekommen wir so schnell nicht wieder. Deshalb verteidigen wir das Arbeitszeitgesetz!
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