Derzeit klagt ein Kleinaktionär des Reisekonzerns TUI beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das deutsche Mitbestimmungsrecht. Der Kläger argumentiert, Auslandsbeschäftigte deutscher Unternehmen würden diskriminiert, weil sie bei den Wahlen der Beschäftigtenvertreter für den Aufsichtsrat nicht mitstimmen dürfen. "Wir vermuten stark: Dem Kleinaktionär der TUI AG geht es nicht um die Verbesserung der Mitbestimmungsrechte. Ihm geht es um ihre Abschaffung!", so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.
Das Gebäude des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg – beim EuGH ist eine Klage anhängig, die eine echte Gefahr für die deutsche Mitbestimmung sein könnte
Dass die Gefahr für die deutsche Mitbestimmung durch diese Klage tatsächlich akut sein kann, hatte Prof. Dr. Johann Mulder von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Oslo erläutert, der gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten auf Einladung der Hans-Böckler-Stiftung und der Chambre des Salariés Luxembourg in dieser Woche in Luxemburg Mitbestimmungsfragen diskutierte.
Viele Rechtswissenschaftler, etwa der Göttinger Arbeitsrechtsprofessor Dr. Rüdiger Krause, halten das juristische Argument des TUI-Aktionärs für konstruiert. Schließlich dürfen die Belegschaften der Auslandsgesellschaften und -filialen schlicht nicht mit abstimmen, weil Deutschland nicht in die Rechte anderer Länder eingreifen und ihnen Regeln zur Aufsichtsratswahl vorschreiben kann. Es sei völlig normal, dass sich bestimmte Rechtsansprüche verändern, wenn Beschäftigte zu einem Betrieb ins Ausland wechseln, zum Beispiel beim Kündigungsschutz. Es komme auch niemand auf die Idee, in deutschen Niederlassungen französischer Konzerne müsse das französische Streikrecht gelten.
"Es kann nicht angehen, dass die europäische Rechtsprechung eine gut funktionierende nationale Mitbestimmungsstruktur in Deutschland unter Druck setzt, während die europäischen Institutionen gleichzeitig keinerlei Ansatz für eine faire, gesetzlich solide abgesicherte Arbeitnehmerbeteiligung auf europäischer Ebene anbieten", sagte Peter Scherrer, Stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Die europäischen Gewerkschaften hatten bereits vor zwei Jahren einen Weg dahin aufgezeigt. Ihr Vorschlag: Über eine EU-Richtlinie ließe sich ein Mindeststandard für bindende Arbeitnehmerbeteiligung in Unternehmen europäischer Gesellschaftsform sicherstellen.
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