Deutscher Gewerkschaftsbund

19.12.2011
Standpunkte zur Hochschule der Zukunft

Huber: "Wissenschaft als kritische Wissenschaft etablieren"

Das Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule“ in der Diskussion

Mit dem gleichen Selbstbewusstsein, mit dem die IG Metall für die Verbesserung der Ausbildungsbedingungen für die Auszubildenden eintritt, wird sie sich künftig auch für die Qualität von Studium und Lehre einsetzen. Es geht um den Anteil der Hochschulen an der demokratischen und sozialen Entwicklung der Gesellschaften und letztendlich um ihren Einfluss auf die Entwicklung von Arbeit und die Sicherung von Beschäftigung.

Von Berthold Huber, Erster Vorsitzender der IG Metall

Huber

DGB/Simone M. Neumann

Nicht der Wettbewerb der Ideen, sondern der ökonomische Wettbewerb erscheint weltweit zum Antrieb im Bildungssystem geworden zu sein. Hochschulen sollen sich als Unternehmen begreifen. Steuerungskonzepte aus der Privatwirtschaft werden neben die hochschulische Selbstverwaltung gestellt oder ersetzen sie.

Dazu kommt, dass das öffentliche Bildungssystem deutlich unterfinanziert ist. Das auf dem Bildungsgipfel 2008 verkündete Ziel, die öffentlichen und privaten Bildungsausgaben auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern, ist nicht eingelöst. Doppelte Jahrgänge drängen in die Hochschulen, die Hörsäle sind überfüllt, während die Zahl der Lehrenden nicht angepasst wurde.

"Wissenschaft muss sich als kritische Wissenschaft etablieren, die auf Fehlentwicklungen hinweist und Alternativen entwickelt"

Es geht es um viel. Es geht darum, welchen Anteil die Hochschulen auch künftig für die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaften zu leisten bereit sind und zu leisten vermögen. Es geht um ihren Anteil an der demokratischen und sozialen Entwicklung der Gesellschaften und letztendlich um ihren Einfluss auf die Entwicklung von Arbeit und die Sicherung von Beschäftigung. Und es geht um eine gute wissenschaftliche Berufsausbildung, die auch Kritikfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung umfasst.

Mit dem Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule" und dem in Diskussion befindlichen Hochschulpolitischen Programm mischen sich die Hans-Böckler-Stiftung und die Gewerkschaften ganz bewusst in die gesellschaftliche Debatte ein, um Alternativen aufzuzeigen und die öffentliche Diskussion zu sensibilisieren.

  • Wissenschaft und Forschung tragen zur Gestaltung von Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei. Hochschulen haben einen wichtigen Anteil an der Sicherung von Beschäftigung, an der Gestaltung von technischer und sozialer Innovation und an der Lösung drängender Zukunftsfragen.
  • Hochschulen müssen Verantwortung für eine demokratische und soziale Entwicklung der Gesellschaft übernehmen. Wissenschaft muss sich als kritische Wissenschaft etablieren, die auf soziale und ökonomische Fehlentwicklungen hinweist und Alternativen entwickelt. Dafür müssen staatliche Rahmenbedingungen geschaffen und gesichert werden. Die Gewerkschaften setzen sich für ein öffentlich verfasstes und finanziertes Hochschulsystem ein. Die Politik muss die notwendigen Ressourcen bereitstellen.
  • Die öffentliche Verantwortung für die Hochschulen zieht die Verpflichtung der Hochschulen zu Transparenz und Rechenschaft gegenüber der Gesellschaft nach sich. Die Hochschule muss offen sein für den Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen.
  • Die "soziale" Hochschule hat eine besondere Verpflichtung zur Reduzierung von ungleichen Bildungschancen. Die soziale Öffnung der Hochschulen ist notwendig, um den Bedarf an hoch qualifizierten Fachkräften zu decken. Dies bedeutet, sich stärker beruflich Qualifizierten zu öffnen. Die von den Bundesländern verbesserten Regelungen zum Hochschulzugang für Berufserfahrene ohne Abitur müssen nun auch in den Hochschulen umgesetzt werden. Dazu benötigt man Beratungsangebote, spezielle Eingangsphasen und eine weitreichende, die berufliche Erfahrung einbeziehende Reform der Studiengänge.
  • Der Anteil der Studierenden aus Arbeitnehmerhaushalten oder von Studierenden mit Migrationshintergrund ist in Deutschland zu gering. Die soziale Öffnung der Hochschulen macht auch eine größere Flexibilität des Studienangebots notwendig. Es ist aber nicht zu akzeptieren, dass die staatlichen Hochschulen das Feld der berufsbegleitenden Studiengänge weitgehend den Privaten überlassen. Duale Studiengänge müssen ausgebaut, ihre Qualität muss erhöht werden.
  • Die IG Metall setzt sich für eine substanzielle Verbesserung der Studienfinanzierung ein. Das BAföG ist zu erhalten und zu einer bedarfsdeckenden Förderung auszubauen, der Darlehensanteil muss zugunsten eines nicht rückzahlungspflichtigen Zuschusses zurückgeführt werden. Studiengebühren sind abzulehnen.

Seit mehr als vierzig Jahren pflegt die IG Metall erfolgreich die Kooperation mit der Ruhr-Universität in Bochum. Die IG Metall hat in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Studierendenarbeit verstärkt, um junge Menschen, die nach der Ausbildung ein Studium anschließen und zu einem großen Teil auch schon Mitglied der IG Metall sind, weiter an sich zu binden und um neue Mitglieder zu gewinnen. Mit dem gleichen Selbstbewusstsein, mit dem die IG Metall für die Verbesserung der Ausbildungsbedingungen für die Auszubildenden eintritt, wird sie sich künftig auch für die Qualität von Studium und Lehre einsetzen.

 

 


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