Deutscher Gewerkschaftsbund

23.02.2022
Geringfügige Beschäftigung

Null soziale Sicherheit bei Minijobs

DGB bewertet die Ausweitung der Minijobgrenze als Fehler

Minijobs sollen nicht als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle besonders für Frauen werden. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Sogenannte Minijobs sollten deshalb ab dem ersten Euro Einkommen voll in die Sozialversicherung einbezogen werden. Die geplante Ausweitung der Geringfügigkeitsgrenze auf 520 Euro bedeutet aber: Es gibt zukünftig noch mehr Minijobs, die den Beschäftigten null soziale Sicherheit bieten.

Paketbote mit Paketen

DGB

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisiert die Ausweitung der Minijobgrenze, die laut Kabinettsbeschluss künftig an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt werden soll: „Das ist ein großer Fehler. Die Chance auf eine grundlegende Reform wird damit erstmal vertan. Viele Millionen Beschäftigte fallen damit auch weiterhin nicht unter den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung. Dabei brauchen wir dringend mehr reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung statt prekärer Minijobs. Gerade für Frauen ist der Minijob oft das sichere Ticket in die Altersarmut. Die Ausweitung der Minijobs schwächt außerdem die Sozialversicherung, weil sie ihr Beiträge entzieht. Dieser politische Kompromiss geht auf den Rücken abhängig Beschäftigter und der Versichertengemeinschaft. Außerdem bauen Minijobs nur selten Brücken in reguläre Beschäftigung. Vielmehr setzen sie Anreize, Arbeitszeit zu begrenzen. Hier muss der Gesetzgeber zwingend nachsteuern.“

Armutsfalle für Frauen

Piel erinnerte die Ampel-Parteien an den im Koalitionsvertrag angekündigten Gleichstellungscheck für künftige Gesetze: „Hätte er hier bereits Anwendung gefunden, wäre das Votum klar ausgefallen: Zwölf Euro Mindestlohn sind ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, die Erhöhung der Minijobgrenze hingegen führt weiterhin viele Frauen in die Armutsfalle.“

Lückenlose digitale Arbeitszeiterfassung nötig

Auch den Wegfall der ursprünglich geplanten Pflicht zur Arbeitszeitdokumentation kritisiert der DGB: „Die lückenlose digitale Arbeitszeiterfassung macht es möglich, Schwarzarbeit in besonders anfälligen Branchen einzudämmen. Einige Arbeitgeber wollen Digitalisierung offenbar aber nur dann, wenn es ihnen nützt – für eine manipulationssichere Erfassung der geleisteten Arbeit lehnen sie es ab. Das ist skandalös“, kritisierte Piel. „Das öffnet Tür und Tor für Betrug und Lohndumping. In Deutschland werden ohnehin schon jährlich rund 1 Milliarde unbezahlter Überstunden geleistet. So eine Verweigerungshaltung führt dann am Ende zu nichts anderem als Lohndiebstahl.“

Die Kritikpunkte des DGB am aktuellen BMAS-Referentenentwurf

Der DGB fordert eine umfassende Reform der sogenannten Minijobs. Der aktuelle Vorschlag des Ministeriums greift hier zu kurz:

  • Die Anhebung und Dynamisierung der Geringfügigkeitsgrenze werden die Situation der geringfügig Beschäftigten nicht verbessern. Künftig werden noch mehr Menschen betroffen sein.
  • Der Entwurf sieht keine Verbesserungen beim Sozialversicherungsschutz für geringfügig Beschäftigte vor.
  • Die Hürden zur Ausweitung der Arbeitszeit werden nur gemildert, aber nicht beseitigt.
  • Der gleitende Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge darf nicht in einer Form umgesetzt werden, die den Sozialversicherungen Geld entzieht. Das geht zu Lasten der Versichertengemeinschaft.

 Die DGB-Stellungnahme kann hier nachgelesen werden.

DGB fordert: Längst überfällige Minijobreform endlich angehen

Bei Jobverlust kein Kurzarbeitergeld, kein Arbeitslosengeld und für viele nach Arbeitsende auch keine Rentenansprüche – das bleibt die bittere Kehrseite der Minijobs. Minijobs sind im Arbeitsmarkt leider fest verankert. Damit es sich für Beschäftigte lohnt, mehr Stunden zu arbeiten, spricht sich der DGB für eine volle Übernahme des Sozialversicherungsbeitrags durch den Arbeitgeber ab dem ersten verdienten Euro aus. Arbeitnehmer*innen könnten dann mit steigendem Bruttolohn schrittweise bis zur Parität an der Finanzierung beteiligt werden. Die Folge wäre eine Abkehr vom Brutto-für-Netto-Prinzip der Minijobs. Da dies für Haushalte mit geringem Einkommen problematisch sein könnte, fordert der DGB, gleichzeitig Geringverdiener*innen steuerlich zu entlasten. Bisher sind die Sozialversicherungsbeiträge zwar bei der Steuer absetzbar. Davon profitieren aber Menschen mit niedrigem Lohn kaum oder gar nicht. Hier könnte ein neu zu berechnender Entlastungsbetrag einen Ausgleich leisten.

Geringverdiener*innen besser sozial absichern

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel fordert: "Ziel muss sein, Geringverdiener insgesamt besser sozial abzusichern, besonders für Frauen Anreize für eine eigenständige Existenzsicherung zu setzen und aus unfreiwilliger Teilzeit gute Arbeit zu entwickeln. Eine Reform der Minijobs wird nicht alle arbeitsmarkt-, verteilungs-, steuer- und sozialpolitischen Ungleichgewichte insgesamt und alle Probleme fehlender Gleichstellung lösen. Sie ist aber ein wichtiger Baustein im Kampf für gute Arbeit und gegen Altersarmut."

Mehr Informationen rund um das Thema Minijobs: Der DGB-Überblick zu "Was ist ein Minijob?" mit zahlreichen Fragen und Antworten.

Aktionen und Petitionen gegen eine Ausweitung der Minijobgrenze

Aktuell machen die Gewerkschaften mobil gegen die Ausweitung der Minijobgrenze:

  • Die DGB Frauen fordern von den Regierungspartien: "Wenden Sie einen Gleichstellungs-Check an, bevor Sie die Einführung des Mindestlohns mit der Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs koppeln!" Jetzt mitmachen beim Online-Apell!
  • Die Gewerkschaft ver.di sagt: "Altersarmut, fehlende Sicherheit, prekäre Beschäftigung: Wir protestieren gegen die Ausweitung der Minijobs!" Jetzt die Petition unterzeichnen!

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