Nachtarbeit und Schichtarbeit gibt es in vielen Branchen - von der Industrie-Arbeit am Hochofen über Bäckereien im Handwerk bis hin zu Feuerwehren, Rettungsdiensten, Polizei, Krankenhäusern im öffentlichen Dienst wird im Schichtdienst gearbeitet. Doch was bedeutet Schichtarbeit für die Gesundheit und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten? Was ist "Schichtarbeit" überhaupt? Welche Modelle gibt es und welche Gesetze regeln Schichtarbeit? Ein Überblick.
Probleme mit Schichtarbeit, Nachtarbeit, Schichtdienst? die DGB-Gewerkschaften und Betriebsräte helfen dabei, Arbeit fair und im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gestalten. Und im Fall der Fälle steht Gewerkschaftsmitgliedern der DGB-Rechtsschutz zur Seite.
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Der Begriff "Schichtarbeit" ist gesetzlich nicht genau definiert - auch wenn verschiedene Aspekte von Schichtarbeit im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) erwähnt werden. So behandelt etwa §6 des Arbeitszeitgesetzes "Nacht- und Schichtarbeit":
(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.
(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.
(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.
(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.
(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.
(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.
Dieser Paragraf des Arbeitszeitgesetzes regelt bei Nacharbeit also unter anderem:
Die Normalarbeitszeit bezeichnet Arbeit, die montags bis freitags tagsüber zur jeweils gleichen Zeit liegt. Schichtarbeit zählt zu den atypischen Arbeitszeitformen. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt Schichtarbeit vor, wenn mehrere Beschäftigte sich an einem Arbeitsplatz nach geregelter zeitlicher Reihenfolge abwechseln.
Wechselschicht ist eine besondere Form der Schichtarbeit, in der die Arbeitszeit einem Mehrschichtsystem folgt, z.B. einem Zwei- oder Dreischichtsystem. Eine Person leistet also Wechselschicht, wenn sich die Arbeitszeit dauerhaft rhythmisch verändert, sie also ihre Arbeit zu wechselnden Zeiten ausübt (Frühschicht / Spätschicht, Tagschicht / Nachtschicht oder Frühschicht/Spätschicht/Nachtschicht).
Nach dem Arbeitszeitgesetz ist die Nacht- und Schichtarbeit nach „gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen“. Diese beruhen auf arbeitsmedizinischen Untersuchungen.
Für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes ist der Ausgleich für Arbeit in Schicht- und Wechselschicht im TVöD und im TV-L geregelt (§§ 8, 27). Beamtinnen und Beamte erhalten einen Ausgleich gemäß den Erholungsurlaubs- und Erschwerniszulagenverordnungen, die im Bund und in den Bundesländern unterschiedlich geregelt sind. Die genauen Voraussetzungen für eine Zulage bzw. Zusatzurlaub können an dieser Stelle nicht dargestellt werden.
In einem so genannten 2-Schicht-Modell gibt es in der Regel eine Frühschicht und eine Spätschicht zu je acht Stunden.
In einem 3-Schicht-Modell wird ein Betrieb in der Regel 24 Stunden "rund um die Uhr" besetzt - mit einer Frühschicht, einer Spätschicht und einer Nachtschicht zu je acht Stunden Arbeitszeit.
4- oder 5-Schichtmodelle können beispielsweise dann zum Einsatz kommen, wenn in Tarifverträgen Arbeitszeiten geregelt sind, die sich in einem "Vollkonti-Schichtsystem" mit einem 3-Schicht-Modell nicht realisieren lassen.
"Vollkonti" ist ein abgekürzter Begriff für ein "vollkontinuierliches Schichtssystem". Bei vollkontinuierlichen Schichtsystemen wird in einem Betrieb rund um die Uhr (24 Stunden pro Tag) an sieben Tagen in der Woche gearbeitet.
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Schichtdienst rund um die Uhr: Krankenhäuser und Pflegestationen müssen beispielsweise 24 Stunden am Tag besetzt sein
Ein Blick auf die Zahlen: Hier wird deutlich, wie sehr sich belastende Arbeitszeiten ausbreiten. Spätschichten, Nacht- und Wochenendarbeit gehören für immer mehr Beschäftigte zum Joballtag. In allen diesen Bereichen gab es zwischen 1992 und 2016 deutliche Zuwächse (siehe Grafiken). Arbeiteten 1992 noch 15,5 Prozent der Beschäftigten abends zwischen 18 und 23 Uhr, so waren es 2016 bereits 25,2 Prozent. Der Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die Schichtarbeit leisten, ist laut Eurostat zwischen 1992 bis 2016 von 11,5 auf 17,4 Prozent angewachsen.
Seit 1992 arbeiten deutlich mehr Beschäftigte in den Abendstunden bis 23 Uhr. Auch zwischen 23 und 6 Uhr und an Samstagen und Sonntagen gehen mehr Beschäftige als noch Anfang der 1990er Jahr zur Arbeit. DGB Beamtenmagazin
Arbeit in Wechselschicht wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit aus. Die Beschäftigten müssen zeitverschoben schlafen, essen und arbeiten. Weil viele Körperfunktionen einem tagesperiodischen Rhythmus unterliegen, ist dabei eine Anpassung an die Nachtarbeit nicht vollständig möglich. Der Körper kommt aus dem Takt, als wesentliche Folge gelten Ein- und Durchschlafstörungen. Dazu kommt, dass der Schlaf nach einer Nachtschicht durch Helligkeit und Lärm eher gestört wird, kürzer ausfällt und damit weniger erholsam ist.
Die gesundheitliche Belastung wird durch die Forschung immer wieder bestätigt. So beschreibt eine zusammenfassende Studie der BAuA, dass das kumulierte Schlafdefizit und die geringere Erholsamkeit des Schlafs „mit Erschöpfung einhergeht, die sich langfristig in Formen von Burnout (z. B. chronischer Erschöpfung) äußern kann“ (Quelle: Amlinger-Chatterjee, Monischa (2016): Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Atypische Arbeitszeiten, Dortmund, S. 26). Es wird zudem ein Zusammenhang gesehen zwischen Nachtarbeit und depressiven Stimmungslagen, Angstzuständen und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Andere Studien zeigen, dass das Unfallrisiko in der Nachtschicht deutlich höher ist und bei mehreren aufeinanderfolgenden Schichten noch weiter ansteigt (Vgl. z.B. Folkard, Simon; Tucker, Philip (2003): Shift work, safety and productivity. Occupational Medicine 53/2, S. 95-101). Hauptursache auch hier: Erschöpfung.
Fragt man die Beschäftigten selbst, ergeben sich ebenfalls deutliche Hinweise auf die Belastung: Menschen, die in Wechselschicht arbeiten, berichten in der BAuA-Arbeitszeitbefragung deutlich häufiger von gesundheitlichen Beschwerden (siehe Grafik; Quelle: BAuA (2016): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2015. Unfallverhütungsbericht Arbeit, Dortmund, S. 64). Wer nachts oder in wechselnden Schichten arbeiten muss, schätzt seine eigene Gesundheit also messbar als schlechter ein (Vgl. dazu auch „Schicht schlaucht“; Böckler Impuls Ausgabe 09/2017, S. 6). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Betroffenen dieser Belastung über lange Jahre ausgesetzt sind. So ist auffällig, dass Schichtdienstbeschäftigte im höheren Erwerbsalter "einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen und häufiger unter Schlafstörungen leiden als gleichaltrige Normalarbeitszeitbeschäftigte" (Quelle: Leser, Carina et al. (2013): Schichtarbeit und Gesundheit, IAB-Kurzbericht 21/2013, S. 7). Diesen negativen Einfluss lang andauernder Schichtarbeit bestätigt auch eine Befragung der Hans-Böckler-Stiftung.
Schichtarbeit: Wer nachts oder in wechselnden Schichten arbeiten muss, schätzt seine eigene Gesundheit in Umfragen deutlich schlechter ein - und leidet häufiger unter Rückenschmerzen, Kreuzschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Erschöpfung, Niedergeschlagenheit. DGB Beamtenmagazin
All diese Studien liefern Hinweise darauf, dass Erholungsphasen unmittelbar nach der Belastung nicht ausreichend vorhanden sind. Und auch Zeit für soziale Kontakte fehlt: Die Abendstunden oder das Wochenende werden durch die Schichten regelmäßig besetzt. Das stört das Zusammenspiel von Arbeit und Privatleben massiv.
Die Arbeitgeber vertreten die Position, dass diese Belastungen ja ausgeglichen würden, durch Zulagen und ein paar zusätzliche Urlaubstage. Aber ob dies ausreicht und ob der Ausgleich in einer vernünftigen Form geschieht, muss gerade angesichts des steigenden Durchschnittsalters der Beschäftigten im öffentlichen Dienst diskutiert werden. So entsteht etwa durch Zulagen das Dilemma, dass Anreize für die Inkaufnahme von gesundheitsschädlichen Arbeitszeiten gesetzt werden. Die langfristigen Folgen eines Raubbaus an der Gesundheit machen sich erst im Laufe der Zeit bemerkbar – den finanziellen Ertrag gibt es jedoch sofort. Aufgabe des Arbeitsschutzes ist es, die aus der Arbeit resultierenden Belastungen zu prüfen, soweit möglich zu beseitigen und dabei arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Es braucht Entlastung, getreu dem ergonomischen Leitbild, „die Arbeit an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt“ (Quelle: Wirtz, Anna (2010): Gesundheitliche und soziale Auswirkungen langer Arbeitszeiten, Dortmund, S. 17).
Ein gewählter Betriebsrat hat weitgehende Rechte beim Thema Schichtarbeit und kann so die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schicht- oder Nachtarbeit wirksam vertreten. Denn der Betriebsrat bestimmt laut §87 des Betriebsverfassungsgesetzes unter anderem mit bei "Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage".
Damit fällt unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unter anderem,
Die Details zu Schichtarbeit im Betrieb wird der Betriebsrat in der Regel mit dem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung zur Schichtarbeit festhalten. Eine Betriebsvereinbarung ist ein rechtlich bindender Vertrag zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Betriebsvereinbarungen kann aber nur ein ordentlich gewählter Betriebsrat abschließen - auch deshalb sollte jeder Betrieb einen Betriebsrat haben.
Warum rechtlich verbindliche und verlässliche Regelungen (z.B. mit einer Betriebsvereinbarung) zum Thema Schichtarbeit so wichtig sind, zeigt die folgende Grafik. Denn 40 Prozent der Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter wünschen sich "eine geregelte Arbeitszeit mit festem Anfang und Ende" (bei Beschäftigten ohne Schichtarbeit äußern diesen Wunsch nur 17 Prozent).
Hans Böckler Stiftung
Kurzauswertungen von Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen über flexible Schichtsysteme hat die Hans-Böckler-Stiftung veröffentlich (Download PDF).
Wie viel ein Betriebsrat beim Thema Schichtarbeit mit einer Betriebsvereinbarung für die Beschäftigten erreichen kann, zeigen etliche Beispiele. Etwa der Betriebsrat der LEAR Corporation Wismar GmbH. Er erhielt für das von ihm durchgesetzte Schichtmodell 2017 den Deutschen Betriebsräte-Preis in Silber. Unter Beibehaltung eines Vollkonti-Schichtsystems hat der Betriebsrat durchgesetzt, dass der Wert einer tarifkonform bezahlten Pause in Freizeit umgewandelt wird. So haben die Beschäftigten bei gleichem Entgelt mehr Freizeit zur Verfügung. Aufgrund der gesundheitlichen Entlastung und einem Plus an Freizeit wird die Neuregelung von den Beschäftigten gut angenommen. Es gibt keinen einzigen 7-Tageblock mehr. Die Blocklängen sind unterschiedlich von mindestens 2 bis maximal 6 Arbeitstage und mindestens 2 bis maximal 4 Tagen Freizeit am Stück.
Sprache | Übersetzung |
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Schichtarbeit auf Englisch | shift work / shift working |
Schichtarbeit auf Französisch | travail posté |
Schichtarbeit auf Spanisch | trabajo por turnos |
Schichtarbeit auf Italienisch | lavoro a turno |
Teile dieses Beitrags basieren auf dem Beitrag "Schichtarbeit: Gegen den biologischen Rhythmus" aus dem DGB-Beamtenmagazin 1/2018