DGB-Stellungnahme zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten
Stellungnahme09. März 2023
Datei herunterladenSo gelingt es: Wir brauchen einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt, gute Arbeitsbedingungen und eine Willkommenskultur.
Unternehmen klagen über Fachkräfteengpässe. Einwanderung kann einen wichtigen Beitrag leisten, Fachkräftelücken zu füllen. Entscheidend sind ein einfacherer Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, gute Arbeitsbedingungen und eine tatsächliche Willkommenskultur.
Die deutsche Wirtschaft ruft nach Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland. Dabei herrscht bei uns kein allgemeiner Arbeitskräftemangel, insbesondere nicht bei Tätigkeiten mit geringer Qualifikation. Vielmehr sind es bestimmte Branchen, in denen es ernste Fachkräfteengpässe gibt. Benötigt werden z. B. Pflegekräfte, die unsere immer älter werdende Bevölkerung versorgen, Handwerker*innen, die bei der Umsetzung der Energiewende helfen, oder Software- und IT-Profis für die zunehmend digitale Welt. Ursachen für Fachkräfteengpässe sind oft unattraktive Arbeitsbedingungen – am Beispiel der Pflege ist dies gut belegt.
Klar ist schon jetzt: Es wird nicht ausreichen, unsere inländischen Potenziale am Arbeitsmarkt zu aktivieren. Zwar können wir dafür sorgen, dass mehr ältere Menschen, Frauen oder bereits hier lebende Asylbewerber*innen in Arbeit kommen und dass mehr ausgebildet wird. Auch können wir Weiterbildung fördern und so vermeiden, dass Menschen arbeitslos werden, weil ihre Qualifikationen nicht zum Bedarf auf dem Arbeitsmarkt passen. Die Fachkräftelücke ist aber größer. Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen: Der jährliche Bedarf an Nettoeinwanderung insgesamt liegt bei 400.000 Menschen. Ausländische Fachkräfte können diese Lücke füllen. Sie stärken unsere Wirtschaft und sichern den Wohlstand von uns allen. Denn die Herausforderungen der Arbeitswelt sind riesig, z. B. durch die Digitalisierung oder den notwendigen Umbau zum klimaneutralen Wirtschaften.
Fachkräfteeinwanderung braucht jedoch die richtigen Grundlagen und Anreize. Menschen, die ihr Heimatland verlassen, sollen gern zu uns kommen und dauerhaft bleiben wollen. Nur dann haben beide Seiten etwas davon. Wichtig sind vor allem bessere Arbeitsbedingungen in den betroffenen Jobs. Dies sind wir den eingewanderten Menschen schuldig, die diese wichtigen Arbeiten übernehmen. Nur wenn das gelingt, ist Deutschland als Einwanderungsland für Fachkräfte attraktiv.
Unser Land profitiert von den Menschen, die zum Arbeiten zu uns kommen. Doch auch zugewanderte Arbeits- und Fachkräfte brauchen gute Arbeitsbedingungen. Sie müssen auf dem Arbeitsmarkt genauso behandelt werden wie inländische Arbeitnehmer*innen. Dazu gehört allem voran mehr Tarifbindung mit Tarifvertrag. Das garantiert, dass Zugewanderte nicht in schlecht bezahlten Jobs zu Dumpinglöhnen festhängen – und leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration.
Die Grundregel für alle Beschäftigten, egal welcher Herkunft und mit welchem Pass, muss lauten: Gleiche Entlohnung am gleichen Ort für die gleiche Tätigkeit. Die Realität sieht leider anders aus: Fast ein Drittel (32 Prozent) der Zugewanderten, die hier in Vollzeit arbeiten, erhält nur einen Niedriglohn. Dieser Anteil ist damit doppelt so hoch wie bei deutschen Staatsbürger*innen. Das zeigen aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit. Doch Migrationshintergrund darf kein Niedriglohnrisiko sein! Vor allem die prekären Arbeitsbedingungen, unter denen z. B. Saisonarbeiter*innen massenhaft leiden, müssen eingedämmt werden.
Zugewanderte Menschen arbeiten häufiger in unsicheren und schlecht bezahlten Jobs. Warum eigentlich?
Unsichere und schlecht bezahlte Arbeit verschlimmert diese Probleme und verstärkt sie. Ein Beispiel: Viele Menschen sind zeitlich, körperlich oder psychisch durch ihre Arbeit oder schlechte Wohnsituation in Beschlag genommen. Daher fehlt ihnen Zeit und Energie, Freundschaften und Bekanntschaften aufzubauen. Das wiederum erschwert es ihnen, richtig Deutsch zu lernen. Geringe Sprachkenntnisse machen es aber wahrscheinlicher, dass sie eine unsichere Beschäftigung annehmen oder wenig Geld verdienen. Ein Teufelskreis entsteht.
Werden Qualifikationen nicht, nur teilweise oder verzögert anerkannt, verschlechtern sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls. Auch das macht abhängig von unsicherer oder schlecht bezahlter Arbeit. Hinzu kommen Beschäftigungsformen, die es besonders schwer machen, Rechtsverstöße zu erkennen und die Rechte von Arbeitnehmer*innen durchzusetzen. Dazu gehören z. B. Scheinselbstständigkeit, lange Subunternehmensketten oder die Beteiligung mehrerer Vermittlungsagenturen. Mehr darüber erfährst du auch in der Studie „Prekäre Beschäftigung – prekäre Teilhabe. Ausländische Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohnsektor“ des Sachverständigenrats für Migration und Integration.
Gute Arbeit und faire Bezahlung sind die eine Seite der Medaille. Wenn Menschen zu uns kommen – und bleiben – sollen, braucht es auch die richtigen (rechtlichen) Rahmenbedingungen. Das beginnt bei einem einfacheren und transparenteren Einwanderungsprozess. Das heißt vor allem: Die Hürden in den Beantragungsverfahren der Visa sowie bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse müssen sinken. Die Verfahren müssen kürzer und berechenbarer werden.
Eine weitere wichtige Rolle spielt die leichtere Einbürgerung. Durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sind endlich Mehrstaatsbürgerschaften erlaubt. Menschen können nun mehrere Pässe haben und müssen sich nicht mehr für einen entscheiden. Viele hat dies bisher davon abgehalten, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Jetzt können Millionen Menschen, die hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, auch politisch voll teilhaben und mitwirken. Das stärkt ihre Integration. Um den zu erwartenden deutlichen Anstieg der Einbürgerungen zeitnah bewältigen zu können, müssen die zuständigen Behörden gut ausgestattet werden.
Darüber hinaus müssen wir den Familiennachzug ermöglichen und die Angehörigen von Fachkräften bei uns willkommen heißen. Denn das Familienleben ist ein wichtiger Faktor, damit ausländische Fachkräfte sich langfristig hier niederlassen. Hier braucht es Unterstützung z. B. bei der Wohnungssuche oder mit Bildungsangeboten.
All das ist jedoch nichts ohne eine gelebte Willkommenskultur im Land und in den Betrieben. Zugewanderte Arbeits- und Fachkräfte müssen sich willkommen fühlen und vor Diskriminierung und Rassismus geschützt sein. Erst dann entwickeln sie eine Bleibeperspektive.
„Wer Menschen für den Arbeitsmarkt gewinnen will, muss es ihnen und ihren Familien leichter machen, anzukommen.“
In unserem Ratgeber „Fachkräfte aus Drittstaaten und Arbeitnehmerrechte“ beantworten wir die wichtigsten Fragen für ausländische Arbeitskräfte. Informier dich darin ausführlicher z. B. zu folgenden Aspekten:
Damit Obst und Gemüse auf unseren Tellern landen, arbeiten zahlreiche Saisonarbeitnehmer*innen aus dem Ausland bei der Ernte mit. Was die Verbraucher*innen dabei nicht sehen: Die Arbeitsbedingungen und Unterkünfte dieser Menschen sind oft miserabel. Sie arbeiten hart, ohne Krankenversicherung und stehen am Schluss ohne Rentenansprüche da. Das kann nicht die Lösung sein. Deshalb setzen wir uns gemeinsam mit unserer Mitgliedsgewerkschaft IG BAU für ein Ende der Sonderregelungen bei der Saisonarbeit und für mehr Schutz der Beschäftigten ein. Dazu gehört:
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