Obwohl es eigentlich längst verboten ist, werden in vielen Dax-Konzernen dekadent hohe Managergehälter gezahlt. Bei VW etwa verdient ein Topmanager 171 mal soviel wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer. Damit muss Schluss sein, fordert der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann im Manager Magazin.
DGB/Shao-Chun Wang/123rf.com
Ein Gastbeitrag von Reiner Hoffmann im manager magazin vom 02.02.2017
Eigentlich ist es längst verboten. Würden die Manager der Dax-Konzerne, die - obschon bis zum Platzen reich - immer noch reicher werden wollen, Gesetze respektieren, dann wären ihre Bezüge nicht so dekadent hoch. Im Aktiengesetz von 1965 steht, dass sich die Vergütungen - während wie nach der Beschäftigung - in einem "angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft" bewegen sollen. Nach der Finanzkrise verschärfte die Bundesregierung 2009 das Gesetz, indem sie auch die Leistungen der Manager zum Maßstab erhob. Schon danach würden sich Pensionsbezüge von 3100 Euro pro Tag für einen Manager, dessen Unternehmen 30.000 Stellen abbauen muss, eigentlich verbieten.
Allein das zeigt, dass das bisherige Gesetz wirkungslos ist. Und grundsätzlich nicht greift: 2005, vor der Finanzkrise, verdienten Spitzenmanager im Schnitt das 42-fache der Beschäftigten. 2014 war es das 57-fache. Etliche Vorstände lagen sogar darüber, bei VW verdienen Manager das 171-fache eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Es wird höchste Zeit, dass hier Begrenzungen eingeführt werden.
Denn mit "Lage der Gesellschaft" ist in dem Gesetz zwar die Aktiengesellschaft als Unternehmung gemeint. Doch die finanziellen Eliten sollten durchaus die doppelte Deutungsmöglichkeit dieses Begriffs in den Blick nehmen. Auch die Lage der Zivilgesellschaft ist ein Maßstab. Und diese Zivilgesellschaft ist es, die die ausufernde Maßlosigkeit nicht mehr erträgt.
Den Bezügen in Millionenhöhe stehen rund 22 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland gegenüber, die im Niedriglohnsektor arbeiten und damit keine 2000 Euro im Monat verdienen - und zwar brutto. Fast ein Viertel aller Beschäftigten, das sind mehr als 7 Millionen Menschen. Diese Diskrepanz ist nicht hinnehmbar. Rund 82 Prozent der Bürger in diesem Land stören sich an der wachsenden sozialen Ungleichheit. Fast 75 Prozent der Bevölkerung sprechen sich dafür aus, Managergehälter zu begrenzen.
Man kann das ignorieren, es erinnert ja auch ein wenig an die Ermahnung aus Kinderjahren: Iss auf, in Afrika wird gehungert. Und ja, in den USA verdienen Manager noch mehr. Aber dennoch gilt: Die Gehälter dieser relativ kleinen Gruppe sind mehr als nur ein betriebswirtschaftliches Element. Sie beeinflussen gesellschaftliche Prozesse, sie stehen für etwas - und derzeit stehen sie für Maßlosigkeit.
DGB/Christoph Michaelis
Grenzen zu setzen, ist ein politisch wie gesellschaftlich notwendiges Signal. Denn die Unzufriedenheit über die Ungleichheit sucht sich ihren Weg, in Wahlen, in Protesten, in eigenen Forderungen. Wer wollte es Menschen verdenken, dass sie die Forderung "Ich zuerst - me first" gnadenlos erheben - privat, beruflich und politisch - wenn sie in den Vorstandsetagen, wo Vorbilder sein sollten, nur dieses Credo vorfinden?
Dazu gehört, dass hinter den exorbitanten Vergütungen mehr steht als nur jemand, der mehr verdient, als er ausgeben kann. Dahinter stehen auch Arbeitgeber, die sich politisch engagieren - und anderen keine Verbesserungen gönnen. Sie arbeiten über ihre Verbände konstant daran, in der Politik bessere Renten zu verhindern und stemmen sich gegen die Eindämmung der Leiharbeit ebenso wie gegen Lohngleichheit.
Die bisherigen Initiativen reichen nicht aus. Die EU-Richtlinie zum Aktionärsrecht, die im März erlassen werden soll, sieht lediglich vor, dass die Vergütung offen gelegt werden soll. Für Deutschland ist das kein großer Schritt - der deutsche Corporate Governance Kodex verpflichtet Konzerne bereits heute dazu. Immerhin: Dieses Mehr an Transparenz war eine langjährige Forderung der Gewerkschaften. Ohne diesen Schritt wüsste vermutlich kaum jemand, wie groß die politische Verantwortungslosigkeit in den oberen Etagen wirklich ist.
Transparenz allein reicht jedoch nicht. Was also tun, wenn Manager sich nicht selber in Bescheidenheit üben wollen, Aktionäre alles abnicken und Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten überstimmt werden können? Es geht nicht um eine absolute Grenze. Aber der Gesetzgeber sollte den Aufsichtsräten vorschreiben, dass sie ein festes Manager-to-worker-pay-Verhältnis einrichten und veröffentlichen müssen. Damit würden die Vergütungen gedeckelt - je nach Branche unterschiedlich, aber immerhin Grundsätzlich sollte sich die Vorstandsvergütung auch an Zielen der sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung orientieren.
Außerdem sollten die Gesamtbezüge und die Abfindungen eines Vorstandsmitgliedes nur noch begrenzt als Betriebsausgaben von der Steuer abgezogen werden könnten. Damit würden wirksame Anreize gegen sehr hohe Vorstandsvergütungen gesetzt. Auch Aufsichtsratsvergütungen können bereits heute nur zum Teil von der Steuer abgezogen werden. Es gibt keinen Grund, dies nicht auch für Vorstandsvergütungen gesetzlich festzuschreiben. SPD und Grüne diskutieren dies bereits.
In der Regierung hat man längst erkannt, dass das maßlose Treiben der Manager ein gesellschaftliches Problem ist. In den neuen Vorschlägen der Regierungskommission für den deutschen Corporate Governance Kodex, über die demnächst abgestimmt werden soll, soll künftig in der Präambel stehen, dass für Aufsichtsrat und Vorstand auch die "ethisch ausgerichteten Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft" eine Rolle spielen sollen. Es wird nicht nur Legalität, sondern auch Legitimität von Verhalten und Entscheidungen gefordert. Es gehe, schreibt die Kommission, um Verantwortung und damit um das Leitbild des "Ehrbaren Kaufmanns".
Wenn die Kommission das ernst meint, dürfen diese Vorschläge nicht die letzten sein.
Ein Gastbeitrag von Reiner Hoffmann im manager magazin vom 02.02.2017