Das neue Hinweisgeberschutzgesetz tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. Das Gesetz regelt, dass Unternehmen nunmehr Meldekanäle für Hinweise zu Straftaten, bestimmte Ordnungswidrigkeiten sowie Verstöße gegen ausdrücklich im Gesetz aufgelistete Rechtsvorschriften einrichten müssen. Zudem werden mehrere Meldestellen vom Staat eingerichtet. Menschen, die im betrieblichen Kontext auf Unrecht hinweisen - sogennnte Hinweisgeber*innen oder Whistleblower*innen - erhalten einen besonderen Schutz vor einer Schlechterbehandlung, wenn sie die Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes erfüllen.
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Was ändert sich für Beschäftigte mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz? Für wen gilt es und wo kann man eine Meldung einreichen, wenn man einen Verstoß aufdecken will? Wir haben Fragen und Antworten.
Das Gesetz gilt für Arbeitnehmer*innen, für Auszubildende, für Bewerber*innen, für Zivildienstleistende, für Leiharbeitnehmer*innen aber auch für Solo-Selbstständige und Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt beschäftigt sind.
Für Beamt*innen gilt das Gesetz ebenfalls, diese erhalten denselben Schutz wie Arbeitnehmer*innen. Auch Soldat*innen und Richter*innen sind vom persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst.
Geschützt werden zudem Menschen die Hinweisgeber*innen unterstützen oder die mit der Hinweisgeber*innen in Verbindung stehen – zum Beispiel die Ehegatten.
Das Gesetz ist am 02.Juli 2023 in Kraft getreten. Es wurde am 12. Mai im Bundesrat bestätigt und am 02. Juni im Bundesgesetzblatt verkündet.
Die Verpflichtung zur Einrichtung der internen Meldekanäle besteht jedoch für Arbeitgeber mit bis zu 249 Beschäftigten erst ab dem 17.Dezember 2023.
Die Regelung zu den Bußgeldern für Arbeitgeber gilt erst sechs Monate nachdem das Gesetz verkündet wurde, also ab dem 02. Dezember 2023.
Im Wesentlichen gibt es zwei verschiedene Arten von Meldestellen: die interne und die externe.
Die interne Meldestelle müssen die Unternehmen selbst errichten – hierfür können sie entweder spezielle Systeme (wie eine Online-Meldestelle) einrichten, Ansprechpartner*innen im Unternehmen benennen oder Dritte, wie beispielsweise Anwaltskanzleien, mit der Betreuung ihrer Meldestelle beauftragen.
Außerdem gibt es externe Meldestellen. Diese werden vom Staat eingerichtet. Die staatliche Hauptmeldestelle ist beim Bundesamt der Justiz angesiedelt.
Es gibt noch spezielle externe Meldestellen. Für Verstöße bei Finanzgeschäften wird es weiterhin die von der BaFin (Bundesanstalt Finanzdienstleistungen) eingerichtete Meldestelle geben. Zusätzlich wird es eine externe Meldestelle beim Bundeskartellamt geben, an die Meldungen bei Kartellrechtsverstößen zu machen sind.
Hinweisgeber*innen können sich auch direkt an eine externe Stelle wenden. Das ist im deutschen Gesetz zwar nicht ganz deutlich, dort heißt es, dass sich an die interne Meldestelle gewendet werden sollte, wenn zum einen aufgrund der Meldung keine Repressalien befürchtet werden müssen und zum anderen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann. Das kann aber nur als unverbindlicher Appel verstanden werden. Denn zum einen wird für die Hinweisgeber*in nie sicher auszuschließen sein, dass keine Repressalien zu befürchten sind. Zum anderen gibt die europäische Richtlinie deutlich vor, dass interne und externe Meldungen in einem Gleichrangverhältnis zueinanderstehen. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 b), Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 10 2. Halbsatz der Whistleblower-Richtlinie.
Das Gesetz hindert Hinweisgebende grundsätzlich nicht daran anonyme Meldung zu erstatten. Für die Arbeitgeber besteht aber keine Pflicht anonyme Meldekanäle einzurichten. Das bedeutet, es gibt keine Absicherung für die Beschäftigten, dass ihre Meldungen anonym bleiben. Ferner müssen die Unternehmen die anonymen Meldungen nicht unbedingt bearbeiten.
Das Gesetz kennt die Offenlegung – hiermit ist der Gang an die Öffentlichkeit, wie etwa die Presse, gemeint. Der besondere Schutz als Hinweisgeber*in greift dann jedoch nur im Ausnahmefall. Nur wenn Gefahr in Verzug ist, unterfällt auch der Gang an die Öffentlichkeit den strengen Schutzregelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes. Das Gesetz spricht davon, dass der Verstoß – der offengelegt werden soll – wegen eines Notfalls oder der Gefahr irreversibler Schäden eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellt.
Wenn im Fall einer externen Meldung Repressalien drohen oder Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten, führt der unmittelbare Gang an die Öffentlichkeit ebenso zu den besonders strengen Schutzmechanismen zu Gunsten der Hinweisgeber*in, die im Hinweisgeberschutzgesetz geregelt sind. Die Offenlegung ist außerdem möglich, wenn zuvor eine externe Meldung erfolgte (Achtung! Hier kommt es auf den Wortlaut an: nur eine interne Meldung reicht nie aus!) und hierauf entweder innerhalb der Fristen keine geeigneten Folgemaßnahmen ergriffen wurden, oder innerhalb der Fristen keine Rückmeldung erfolgte. Fazit: Arbeitnehmer*innen sollten sich zuvor unbedingt beraten lassen.
Der Schutz hängt davon ab, ob ein Verstoß gegen einschlägige Rechtsvorschriften gemeldet wird oder eine berechtigte Offenlegung gemacht wurde. Außerdem, ob die Meldung an die richtige Stelle erfolgte und schließlich, ob die Umstände der Wahrheit entsprechen oder die meldende Person sich „im guten Glauben“ befand.
Hinweisgeber*innen werden dann geschützt, wenn sie eine Meldung oder Offenlegung nach den Regeln des Gesetzes gemacht haben.
Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz abgesichert ist nur, wer sich an die externe oder interne Meldestelle richtet oder eine berechtigte Offenlegung vorgenommen hat. Eine externe Meldestelle im Sinne des Gesetzes sind die Staatsanwaltschaften oder die Polizei nicht.
Arbeitnehmer*innen ist deswegen zu raten, die vorgesehenen gesetzlichen Meldewege (interne oder externe Meldestelle) einzuhalten!
Zunächst muss es sich um einen Verstoß handeln, von dem im beruflichen Kontext Kenntnis erlangt wurde. Also weil er beim eigenen Arbeitgeber oder bei einem Dritten, mit der die meldende Person im Rahmen der Arbeit in Kontakt stand oder steht, vorgefallen ist.
Geschützt sind nicht alle möglichen Meldungen von Missständen, sondern nur solche, die speziell vom Gesetz aufgeführte Rechtsverstöße betreffen. Es muss sich entweder um eine Straftat handeln, oder es handelt sich um eine Ordnungswidrigkeit - soweit mit der Vorschrift, die das Verhalten als ordnungswidrig erklärt, entweder Leib, Leben, Gesundheit oder aber die Rechte von Arbeitnehmer*innen oder ihrer Vertretungsorgane geschützt sind.
Zudem gibt es eine lange Liste von speziellen Verstößen, bei denen Meldungen außerdem geschützt sind. Diese sind in § 2 Nr. 3 des Hinweisgeberschutzgesetzes abschließend aufgelistet.
Der Schutz besteht immer dann, wenn eine Meldung im guten Glauben an ihre Richtigkeit erfolgte. Kein Schutz besteht, wenn absichtlich Falsches gemeldet wurde. Genauso besteht kein Schutz, wenn sehr leicht ohne Aufwand hätte herausgefunden werden können, dass der Inhalt der erfolgten Meldung nicht stimmt.
Sollte also aus Versehen ein falscher Sachverhalt gemeldet werden – also entweder ein Verhalten gemeldet werden, das nicht stattgefunden hat, oder fälschlicherweise davon ausgegangen worden sein, dass es sich bei dem Verhalten um eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit handelt – ist der Schutz trotzdem gegeben.
Es ist weiterhin gestattet auch Hinweise zu geben, die nicht die Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes erfüllen. Personen, die solche Hinweise geben, sind auch nicht gegenüber Repressalien völlig schutzlos. In diesen Fällen ist vielmehr auf allgemeine Rechtsvorschriften zurückzugreifen, wie etwa das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Hiernach ist jede Schlechterbehandlung verboten, wenn sie darauf beruht, dass eine Arbeitnehmer*in ihre Rechte in Anspruch genommen hat. Ob die Rechtsprechung angesichts der neuen Rechtslage auch in diesen Fällen den Schutz von Hinweisgebern stärken wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einzubeziehen.
Das Gesetz enthält zunächst die Feststellung, dass alle „Repressalien“ aufgrund der Meldung verboten sind. Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich, was Repressalien sind. Die Whistleblower-Richtlinie der EU ist da deutlicher und listet einige mögliche Repressalien ausdrücklich, aber nicht abschließend, in Art. 19 auf:
Erfolgte „Repressalien“ sind nach dem Hinweisgeberschutzgesetz unwirksam. Eine Kündigung, Abmahnung oder Versetzung, Nichtbeförderung oder Gehaltskürzung sind damit null und nichtig. Beschäftigte müssen jedoch im Blick behalten, dass das Angreifen einer unwirksamen Maßnahme im Arbeitsrecht oftmals an kurze Fristen gebunden ist. Wer zum Beispiel die Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung geltend machen will, muss dies innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch eine entsprechende Klage beim Arbeitsgericht tun.
Da es im Einzelfall schwierig ist, zu beweisen, dass der Arbeitgeber oder Vertragspartner gerade aufgrund der erfolgten Meldung die nachteilige Maßnahme ergriffen hat, sieht das Gesetz eine Vermutungsregelung vor. Wenn eine entsprechende Meldung gemacht wurde und die Person danach eine Benachteiligung erfährt, wird vermutet, dass die Benachteiligung aufgrund der Meldung erfolgt. Das bedeutet, in der Praxis muss der Arbeitgeber dann beweisen, dass er bspw. die Versetzung gerade nicht aufgrund der Meldung vorgenommen hat. Allerdings muss diese Vermutung des Zusammenhangs zwischen Meldung und Benachteiligung ausdrücklich geltend gemacht werden. Das bedeutet, die benachteiligte Person muss ausdrücklich sagen, dass sie schlecht behandelt wurde, weil sie die Meldung gemacht hat.
Das Gesetz sieht einen eigenen Schadensersatzanspruch vor. Die benachteiligten Personen haben einen Anspruch darauf, dass sie so gestellt werden, als ob die Benachteiligung nicht eingetreten wäre. Europarechtlich geboten wäre außerdem ein Anspruch auf einen immateriellen Schadensersatz – umgangssprachlich Schmerzensgeld genannt, dies ergibt sich aus Art. 21 Abs. 8 der Whistleblower-Richtlinie. Das Gesetz sieht einen solchen jedoch – europarechtswidrig – nicht vor. Das Gesetz schließt es auch aus, dass die Hinweisgeber*in die Begründung eines Vertragsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg verlangen kann. Das ist zum Beispiel in Fällen von Bedeutung, in denen eine Bewerber*in die Stelle nicht erhält, weil sie auf einen Rechtsverstoß hingewiesen hat. Auch dies steht im Widerspruch zu der europarechtlich gebotenen vollständigen Wiedergutmachung für die Hinweisgeber*in, die eine Repressalie in Folge ihrer Meldung erleidet.
Dann, wenn die Hinweisgeber*in vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Information meldet, ist sie dem Betroffenen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aufgrund der Falschmeldung eingetreten ist.
Jeder Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitnehmer*innen muss einen internen Meldekanal einrichten. Davon gab es laut Statistischen Bundesamts im Jahr 2021 in Deutschland circa 90.000 Arbeitgeber. Arbeitgeber mit weniger Beschäftigten müssen nur dann interne Meldekanäle einrichten, wenn sie einer der gesetzlich gesondert aufgelisteten besonderen Branchen zugehören – wie etwa Wertpapierhändler oder Kapitalverwertungsgesellschaften.
Das Gesetz schreibt zwar klar vor, dass der Arbeitgeber einen internen Meldekanal einrichten muss, aber wie genau dieser ausgestaltet wird, darüber besteht Entscheidungsspielraum. Genau dort setzt die Mitbestimmung an. Das bedeutet, nicht die Einrichtung an sich – also das „ob“ – sehr wohl aber die Ausgestaltung des Meldekanals ist mitbestimmungspflichtig. Hierbei handelt es ich um das Ordnungsverhalten im Betrieb.
Das Gesetz sieht Bußgelder gegen den Arbeitgeber vor, wenn er keinen Meldekanal einrichtet. Grundsätzlich sind bei Nichtbeachtung des Hinweisgeberschutzgesetzes Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro möglich. Arbeitnehmer*innen haben zudem immer die Möglichkeit, sich an die externe Meldestelle zu wenden.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleitet und immer wieder angemahnt, dass die Richtlinie zeitnah, umfassend und kohärent umgesetzt wird sowie dass dabei vor allem die Interessen von Arbeitnehmer*innen in den Blick genommen werden. Das nun verabschiedetet Hinweisgeberschutzgesetz erfüllt unsere Erwartungen nur teilweise – es ist ein erster wichtiger Schritt hin zu einem besseren Schutz für Whistleblower*innen.
Anja Piel, Vorstandsmitglied des DGB-Bundesvorstandes, sagte zum Hinweisgeberschutzgesetz, es können zu einer Kultur in Unternehmen beitragen, in der Whistleblower nicht mehr als Querulanten gelten. Das sei gut so, denn:
„Wer den Mut hat, Missstände zu melden, sollte nicht Repressalien und Nachteile befürchten müssen, sondern verdient Dank und Anerkennung.“
Die Stellungnahmen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften zum Gesetzentwurf können online nachgelesen werden.
Unser Eckpunktepapier "Mehr Rechtssicherheit, klare Regeln: Whistleblower*innen besser schützen!" zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie finden sie hier:
Positionspapier: Die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23. Oktober 2019) in deutsches Recht – Anforderungen aus gewerkschaftlicher Sicht