Deutscher Gewerkschaftsbund

20.06.2023

Profitorientierung zurückdrängen!

Für eine wirksame Regulierung von investorenbetriebenen medizinischen Versorgungszentren

Medizinische Versorgungszentren (MVZs) gehören seit 2004 zur deutschen Versorgungslandschaft. Sie ermöglichen eine ambulante Versorgung von Ärzt*innen unterschiedlicher Fachrichtungen unter einem Dach. Doch es gibt ein Problem: Immer mehr Private-Equity-Firmen haben in MVZs investiert – mit oftmals negativen Auswirkungen für Patient*innen und Beschäftigte. Es ist Zeit dem Einhalt zu gebieten.

Hand hält Stethoskop ins Bild

DGB/everythingpossible/123rf.com

Für Private-Equity-Unternehmen und Finanzinvestoren sind MVZs ein interessantes Renditeobjekt, denn hier kann durch Rationalisierung und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung gutes Geld verdient werden. Dies trifft insbesondere auf lukrative Fachbereiche wie Zahnmedizin, Orthopädie und Radiologie, aber auch den hausärztlichen Bereich zu. Bereits 2018 betrug der Anteil der Trägerschaften mit Investorenbeteiligung 13 Prozent und 2020 ging man von fast 1000 Standorten bundesweit aus. In diesen sogenannten investorenbetriebenen MVZs werden oft höhere Honorare abgerechnet als in Einzelpraxen für vergleichbare Behandlungen. Gleichzeitig kann sich die Profitorientierung negativ auf die Versorgung der Patienten auswirken, da weniger lukrative, aber medizinisch notwendige Leistungen oft nicht mehr angeboten werden. Stattdessen werden oft teure Operationen durchgeführt, obwohl gegebenenfalls alternative Behandlungen im medizinischen Interesse der Patienten gewesen wären. Und auch viele der Beschäftigten, die oft nicht nach Tarif bezahlt werden, leiden unter den Profitmaximierungsabsichten: Arbeitsverdichtungen und Überstunden sind keine Seltenheit und führen nicht selten dazu, dass insbesondere nichtärztliches Personal die Einrichtungen verlässt – wie eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie belegt.

Diese Entwicklungen zeigen, wie problematisch die zunehmende Profitorientierung in der Gesundheitsversorgung für Patient*innen, Versicherte und Beschäftigte ist. Dass ein Umsteuern daher dringend notwendig ist, wurde bereits von vielen Akteuren, wie der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband erkannt. Und auch Gesundheitsminister Lauterbach hatte bereits im Dezember des vergangenen Jahres angekündigt, dem Kauf von Arztpraxen durch Finanzinvestoren einen Riegel vorschieben zu wollen.

Am vergangenen Freitag (16. Juni 2023) wurde nun eine entsprechende Entschließung im Bundesrat eingebracht, die viele der bereits kursierenden Forderungen aufgreift und umfassende Regulierungsmaßnahmen vorschlägt. Konkret sollen bspw. die MVZ-Praxen verpflichtet werden, ihre Träger- und Inhaberstruktur bereits sichtbar auf dem Praxisschild zu kennzeichnen. Außerdem sollen in einem MVZ-Register auch die nachgelagerten Inhaberstrukturen für alle einsehbar sein, um so für mehr Transparenz zu sorgen. Weiterhin sollen klare Vorgaben für die Gründung zukünftiger MVZs durch Krankenhäuser festgelegt werden, einschließlich einer Begrenzung auf einen Umkreis von 50 Kilometern und auch für regionale Höchstversorgungsanteilen für Haus- und Fachärzt*innen. So soll die Angebotsvielfalt erhalten bleiben und Monopolbildungen verhindert werden. Ausnahmen sollen in Regionen gelten, in denen andernfalls eine Unterversorgung droht. Zusätzlich sollen Regelungen geschaffen werden, um die Unabhängigkeit der ärztlichen Berufsausübung vor dem Einfluss von Kapitalinteressen zu schützen, zum Beispiel durch einen besonderen Abberufungs- und Kündigungsschutz für die ärztliche Leitung und Vorgaben zu deren Mindesttätigkeitsumfang. Auch soll es die Möglichkeit geben, MVZ-Ärzt*innen ihre Zulassungen zu entziehen, wenn diese ihren vertragsärztlichen Pflichten nicht gerecht werden.

Diese Regelungen sollen nun in einem der angekündigten Versorgungsgesetze eingebracht werden. Wie genau sich Lauterbach die Regulierung vorstellt und welche Maßnahmen er letztendlich auch umsetzen wird, ist allerdings noch offen. Schließlich hängt die Versorgungsreform, die ursprünglich für das erste Quartal dieses Jahres angekündigt war, noch immer in der Ressortabstimmung fest. Der DGB fordert, dass der Gesundheitsminister seinen Ankündigungen nun auch Taten folgen lässt. Denn eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Versorgung kann nur gewährleistet werden, wenn ausnahmslos das Wohl der Patient*innen und der Beschäftigten im Vordergrund steht – und nicht die Gewinnmaximierungsabsichten von Investoren.


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