Israel hat nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem über tausend Menschen getötet, über 5.000 verletzt und 240 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, sein völkerrechtlich verankertes Recht auf Selbstverteidigung wahrgenommen und eine massive Militäroperation gegen die Hamas begonnen. Noch heute sind 49 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen mindestens 27 gestorben sein sollen. Ihre Familien leiden weiterhin unter der Angst und Ungewissheit über die Lage ihrer Angehörigen. Der Terrorangriff der Hamas hat die israelische Gesellschaft tief erschüttert und traumatisiert.
Als Folge der israelischen Militäroperation ist die Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen inzwischen katastrophal. Nach über eineinhalb Jahren Krieg gibt es mehrere zehntausend Tote und weit über 100.000 Verletzte, darunter viele Kinder. Die Menschen hungern, medizinische Versorgung ist kaum mehr möglich. Gaza gleicht einer Trümmerwüste. Und Teile der rechtsgerichteten israelischen Regierung streben zusätzlich offen die Vertreibung der Palästinenser*innen aus dem Gaza-Streifen sowie eine dauerhafte Besetzung und Besiedelung an.
Als Gewerkschafter*innen trauern wir um alle unschuldigen Opfer des Krieges.
Das unfassbare Leid der Zivilbevölkerung in Gaza bewegt viele Menschen weltweit. Es erzeugt verständlicherweise Schmerz, Wut und berechtigte Kritik an der israelischen Regierung. Immer mehr Regierungen benennen das Vorgehen Israels als völkerrechtswidrig.
Die Zahl ziviler Opfer und die massiven Zerstörungen in Gaza werfen auch nach Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ernsthafte und berechtigte Fragen zur Verhältnismäßigkeit der israelischen Militäraktionen auf. Kriegerische Attacken gegen die Zivilbevölkerung in Gaza und anderswo sowie die dramatische Unterversorgung mit Hilfsgütern der Menschen in Gaza müssen entsprechend der Regeln des Völkerrechts beendet werden. Selbstverteidigung ist kein Freibrief für unbegrenzte Gewalt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich bei der Hamas um eine Terrororganisation handelt, deren Ziel die Zerstörung Israels ist und die im Gazastreifen systematisch auch gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Politische Opposition, freie Meinungsäußerung und Proteste werden unterdrückt.
Berechtigte Kritik an der israelischen Regierung darf jedoch nicht in Antisemitismus umschlagen. Die Sicherheit von Jüdinnen und Juden darf nicht in Verbindung mit der israelischen Kriegsführung gebracht werden. Antisemitische Parolen und Übergriffe sind aufs Schärfste zu verurteilen. Die Sicherheit jüdischen Lebens muss in Israel selbst und in jedem Land gewährleistet sein.
Umgekehrt darf nicht jede Form der Solidarität mit den Menschen in Palästina unter Generalverdacht gestellt werden. Kritik am israelischen Regierungshandeln ist nicht gleichzusetzen mit Antisemitismus. Solidarität mit Palästinenser*innen bedeutet für uns keine Unterstützung der Hamas.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften verurteilen jede Form von Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus, die das Leben von Muslim*innen und Jüdinnen und Juden erschwert. Und wir verurteilen jegliche Gewalt, insbesondere die sich dann auch direkt gegen unsere Kolleg*innen von der GdP richtet.
Vor diesem Hintergrund fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften:
- Die Gewalt und v.a. alle völkerrechtswidrigen Handlungen der verantwortlichen Akteure im Nahen Osten müssen beendet werden. Beide Konfliktparteien müssen sich zur Achtung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte verpflichten, um ziviles Leben zu schützen.
- Die vollständige Wiederaufnahme der Hilfslieferungen und der Aufbau eines verlässlichen, Chaos und Opfer vermeidenden Verteilsystems in der Verantwortung der UN müssen schnellstmöglich umgesetzt werden.
- Die Hamas muss alle noch im Gazastreifen befindlichen Geiseln freilassen und aufhören, die eigene Bevölkerung als Schutzschild zu missbrauchen und Kritiker*innen zu verfolgen und zu ermorden. Die Palästinenser*innen haben ein Recht auf ein Leben in Frieden, Würde und in einem unabhängigen Staat. Die palästinensische Zivilgesellschaft braucht jede internationale Unterstützung, um sich gegen Unterdrückung von innen und außen zur Wehr zu setzen und am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens zu arbeiten.
- Israel hat ein unzweifelhaftes Recht auf eine friedliche Existenz und auf Selbstverteidigung – im Rahmen des Völkerrechts. Das bedeutet auch, dass die israelische Regierung ihre zusätzlich eskalierende Siedlungspolitik und den Siedlungsausbau im Westjordanland und im Golan beenden muss. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften verurteilen die zunehmende Siedlergewalt im Westjordanland sowie die Zwangsumsiedlung palästinensischer Gemeinden.
- Das Verhalten der Konfliktparteien verhindert eine friedliche Lösung des Konfliktes. Nichtsdestotrotz müssen sich die EU und die Bundesregierung nachdrücklicher denn je für diplomatische und humanitäre Lösungen, einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen einsetzen sowie die Wiederaufnahme eines politisches Prozesses, um auf der Grundlage einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung einen gerechten und dauerhaften Frieden unter Einhaltung des Völkerrechts zu erreichen. Gerade die Geschichte des Nahen Ostens liefert viele Belege dafür, dass Gewalt stets weitere Gewalt provoziert. Doch auch dafür, dass dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann, liefert die Region mit dem Oslo-Prozess ein Beispiel.
- Die Bundesregierung und die EU müssen eine klare Haltung einnehmen. Insbesondere müssen sie sich entschlossen dafür einsetzen, dass eine ausreichende Versorgung mit Hilfsgütern sichergestellt wird. Wenn Kriegsverbrechen oder Völkermord nachgewiesen werden, müssen die Verantwortlichen - auf allen Seiten – strafrechtlich belangt werden.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stehen solidarisch an der Seite der Menschen, der Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Israel, Palästina und weltweit, die sich für ein sofortiges Ende des Krieges und für einen dauerhaften Frieden einsetzen. Die für eine der Solidarität verpflichteten Bewegung teilweise unerträgliche Kritik an unseren Kolleg*innen von der Histadrut auch in gewerkschaftlichen Bünden verurteilen wir scharf. Nirgendwo anders werden Gewerkschaften mit dem Handeln ihrer Regierung gleichgesetzt und dafür verantwortlich gemacht. Die Histadrut steht immer wieder an der Spitze von Protesten gegen die israelische Regierung und setzt sich für ein friedliches Miteinander und den Austausch zwischen allen Beschäftigten ein.
Unser Ziel bleibt es, die Situation für die Menschen in Israel und Palästina zu verbessern - jetzt und in Zukunft. Wir werden weiterhin gemeinsame Projekte unterstützen und den Dialog zwischen israelischen und palästinensischen Gewerkschaften fördern. Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Gewerkschaftsrechte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Schutz von Minderheiten sind für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nicht verhandelbar. Wir lehnen Krieg, Gewalt und alle Formen von Rassismus entschieden ab. Verhandlungslösungen müssen stets Vorrang vor militärischen Konflikten haben.