Die schwarz-rote Bundesregierung hat bereits im März mit den Stimmen der Grünen eine erste Reform der deutschen Schuldenbremse durchgesetzt. Dieser Schritt ermöglicht es, die staatlichen Ausgaben für das Militär und die Infrastruktur in den kommenden Jahren massiv auszuweiten. Doch ein Problem bleibt dabei ungelöst: die chronische Unterfinanzierung des Bildungssektors.
Bildungsinvestitionen als Schlüssel für Wirtschaftswachstum und Chancengleichheit
Deutschland muss nicht nur in Beton, sondern auch in Köpfe investieren! Öffentliche Bildungsinvestitionen sind nicht nur gut für das langfristige Wirtschaftswachstum, sondern sie sind Voraussetzung für eine sozial gerechte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Denn nur mit hinreichend guten Bildungsmöglichkeiten werden Kinder ihre Fähigkeiten und Talente so entwickeln, dass sie ihr künftiges Erwerbsleben gut bestreiten können. Ebenso sind berufliche Aus- und Weiterbildung ein zentrales Instrument, damit die Beschäftigten erfolgreich am Transformationsprozess teilhaben. Anders ausgedrückt: Ein gutes öffentliches Bildungswesen stärkt die Chancengleichheit und schafft Wirtschaftswachstum, das bei allen ankommt.
Die Bedeutung von Bildung ist unstrittig, aber die Investitionslücke in diesen Bereich ist trotzdem groß. Dabei sind es nicht nur die fehlenden Investitionen in die Schulgebäude, die das Bildungssystem in Deutschland belasten, noch problematischer ist der Mangel an Personal: Studien schätzen einen zusätzlichen Bedarf an Lehr- und Betreuungspersonal von bis zu hunderttausend Fachkräften, um den Rechtsanspruch auf Ganztagsunterricht bzw. Ganztagsbetreuung in Kitas und Grundschulen umzusetzen, wenn alle Kinder ihren Anspruch wahrnehmen und die Personalausstattung in Ost- und Westdeutschland angeglichen würde. Hinzu kommen der Personalbedarf im sekundären Bildungsbereich und die fehlende digitale Ausstattung an den Schulen. Grob geschätzt beläuft sich der zusätzliche Investitionsbedarf im Kita- und Schulbereich auf jährlich circa 15 Milliarden Euro. Weitere Mittel von 5 Milliarden Euro pro Jahr werden für die berufliche Aus- und Weiterbildung angesetzt, so dass insgesamt ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von jährlich 20 Milliarden Euro besteht – hauptsächlich auf der Ebene von Kommunen und Ländern. Denn Bildung ist in Deutschland eine föderale Aufgabe.
Vermögensteuer und Erbschaftssteuer als Finanzierungsquellen
Wie lassen sich die Ausgaben für das zusätzliche Personal im Bildungsbereich dauerhaft finanzieren? Der ökonomisch vernünftige Weg ist über eine stärkere steuerliche Belastung der großen Vermögen, die in Deutschland – im Gegensatz zu den Arbeitseinkommen – sehr gering ist. Konkret bedeutet dies eine Änderung der bestehenden, sehr großzügigen Ausnahmeregeln bei der Vererbung von größeren Vermögen und die Reaktivierung der Vermögensteuer für sehr große Vermögen. Die Mehreinnahmen aus einer verbesserten Erbschaftssteuer und reaktivierten Vermögensteuer könnten die notwendigen Ausgaben zur Rettung des deutschen Bildungssystems leicht finanzieren. Sie haben den zusätzlichen Vorteil, dass die Einnahmen aus diesen Steuern den Ländern direkt zukommen und damit für den Bildungssektor verwendet werden können.
Erbschafts- oder Vermögensteuer sind also eine wichtige Einnahmequelle, aber häufig wird der Einwand vorgebracht, dass sie wachstumsfeindlich seien. Die Evidenz ist jedoch wesentlich weniger eindeutig, als die öffentliche Debatte vermuten lässt – eine Erbschafts- oder Vermögensteuer kann sogar wachstumsfreundlich sein. Insbesondere wird sie die Wachstumspotenziale anheben, wenn die zusätzlichen Einnahmen für Bildungsausgaben genutzt werden. Dieser Punkt soll im Folgenden an der Vermögensteuer illustriert werden.
Einerseits würde eine Reaktivierung der Vermögensteuer die Rendite auf neue Investitionen senken, sodass Unternehmen weniger investieren und die Kapitalakkumulation zurückgeht. Darüber hinaus werden sich einige Unternehmen aufgrund der erhöhten Steuerbelastung gegen Deutschland als Produktionsstandort entscheiden und Betriebsstätten ins Ausland verlagern. Dies reduziert Wachstum und wirkt sich zudem negativ auf Arbeitsnachfrage und Beschäftigung aus. Dieser Wirkmechanismus ist nicht von der Hand zu weisen und muss bei einer Gesamtabwägung berücksichtigt werden.
Andererseits gibt es zwei Effekte, die für eine positive Wirkung der Vermögensteuer auf Wachstum und Beschäftigung sprechen. Zum Ersten führt eine Vermögensteuer zu einem Anstieg der durchschnittlichen Unternehmensproduktivität. Und zwar deshalb, weil sie einen zusätzlichen Anreiz bietet, unproduktive Methoden aufzugeben und unproduktive Betriebe zu schließen – das ist die sogenannte “Produktivitätspeitsche”. Die Produktivitätsgewinne können erheblich sein, auch wenn es voreilig erscheint, daraus einfache wirtschaftspolitische Empfehlungen abzuleiten.
Zum Zweiten kann die Steuer die Leistungsgerechtigkeit stärken und damit einen positiven Wachstumseffekt entfalten. Das ist immer dann der Fall, wenn große Vermögen dazu genutzt werden, um durch Lobbyarbeit oder aggressive Medienkampagnen den Wettbewerb in einem Sektor der Wirtschaft oder Gesellschaft zu beschränken. Dieses grundsätzliche Problem der Vermögenskonzentration ist in den USA stärker ausgeprägt als in Deutschland, wo durch die Einflussnahme starker Gewerkschaften ein Gegengewicht zu den Interessenvertretern des Kapitals existiert. Doch auch hierzulande ist Lobbyismus der Kapitalseite ein erhebliches Problem, das immer größer wird.
Fazit: Vermögensteuer für Bildungsinvestitionen stärkt die Wirtschaft
Zusammengefasst: Die Auswirkungen einer Vermögensteuer auf das wirtschaftliche Wachstum sind theoretisch nicht eindeutig – es gibt einen negativen Effekt, aber auch zwei mögliche positive Effekte. Zudem entstehen sehr starke Wachstums- und Beschäftigungsimpulse, wenn die Steuermehreinnahmen für Investitionen in das öffentliche Bildungssystem genutzt werden. Das spricht eindeutig dafür, dass eine Reaktivierung der Vermögensteuer für größere Vermögen, deren Einnahmen zur Finanzierung der notwendigen Bildungsinvestitionen verwendet werden, die Beschäftigung und das Wirtschaftswachstum erheblich steigern würden. Wer sich also eine Besteuerung großer Vermögen in Deutschland widersetzt, muss andere Gründe als die Sorge um die deutsche Wirtschaft haben.
Über den Autor: Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim. Er ist unter anderem auch Mitglied der Mindestlohnkommission.