Industriestrompreis und Brückenstrompreis: Alles, was du wissen musst
Warum er uns alle betrifft
Verlässliche und bezahlbare Strompreise sind eine wichtige Grundlage für die Industrieproduktion. Wir als DGB setzen uns daher für einen Industriestrompreis – auch Brückenstrompreis genannt – ein. Doch was ist das überhaupt? Wer profitiert davon? Und was hat das mit Energiewende und Klimaschutz zu tun?
Studie zur Verlängerung und Modifikation der Strompreisbremse
Am 20. September 2023 wurde eine Studie zur Verlängerung und Modifikation der Strompreisbremse vorgestellt. Auch ein Industriestrompreis kann als Teil der Strompreisbremse organisiert werden.
Die Vollversion der Studie kann hier heruntergeladen werden:
Was ist ein Industriestrompreis?
Mit Industriestrompreis ist ein besonderer Strompreis für Industriebetriebe gemeint. Dieses Konzept wird häufig auch Transformationsstrompreis oder Brückenstrompreis genannt.
Momentan gibt es noch keinen einheitlichen Industriestrompreis in Deutschland. Es gibt aber eine Reihe von besonderen Regeln für den Stromeinkauf der Industrie. Im internationalen Vergleich ist der Strompreis für Industriebetriebe in Deutschland wesentlich höher als in anderen Ländern.
Was bringt ein Industriestrompreis?
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Die Industrie steckt momentan in einem großen Umbau ihrer Prozesse und Geschäftsmodelle. Damit die Industrieproduktion mit grünem Strom funktioniert, sind große Investitionen erforderlich. Diese Investitionen kommen nur, wenn klar ist, wie sich die Strompreise in den nächsten Jahren entwickeln. Es ist daher sinnvoll, den Strompreis für die Industrie staatlich abzusichern.
In den energieintensiven Industriezweigen und den nachgelagerten Produktionsketten gibt es hunderttausende gute, tarifgebundene Arbeitsplätze. Diese Beschäftigung darf auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht verloren gehen. Das wäre nicht nur schlimm für die betroffenen Beschäftigten, sondern würde der Wirtschaft insgesamt sehr schaden.
Warum setzen wir uns für einen Industriestrompreis ein?
Wir als DGB setzen uns für die Beschäftigten ein – auch die Kolleg*innen in den energieintensiven Industriebetrieben. Damit die energieintensiven Industrien eine grüne Zukunft in Deutschland haben, brauchen sie preisgünstigen grünen Strom. Gerade in diesen Industrien gibt es Gute Arbeit und starke Tarifverträge.
Die Industrie ist auch ein wichtiger Motor der Gesamtwirtschaft. Die Produkte der energieintensiven Industrie werden für viele andere Wirtschaftszweige gebraucht. Das deutsche Wirtschaftsmodell beruht auf sehr komplexen Wertschöpfungsketten mit einer hohen Fertigungstiefe. Diese Produktionsketten dürfen nicht reißen.
Aus diesen Gründen haben wir auf unserem Ordentlichen Bundeskongress im Jahr 2022 die Forderung nach einem Industriestrompreis beschlossen.
Wer soll vom Industriestrompreis profitieren?
Das Konzept, wie genau der Industriestrompreis funktionieren soll, ist noch nicht fertig ausgearbeitet. Wir als DGB setzen uns dafür ein, dass Betriebe den Industriestrompreis bezahlen sollen, die auf den sogenannten KUEBLL-Listen stehen. Auf diesen Listen finden sich viele verschiedene energieintensive Branchen – neben den sogenannten Grundstoffindustrien zum Beispiel auch Gießereien, die Lebensmittelindustrie oder die Textilindustrie und weitere.
Für uns ist wichtig, dass insbesondere die Beschäftigten vom Industriestrompreis profitieren. Es muss daher klar sein: Nur Betriebe, die tarifgebunden und standorttreu sind, dürfen den Industriestrompreis beziehen. Im Konzept des Wirtschaftsministeriums vom Mai 2023 ist die Tarif- und Standorttreue als Kriterium enthalten. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Bedingung scharf und ohne Schlupflöcher ausgestaltet wird.
Werden mit einem Industriestrompreis nicht einfach veraltete Geschäftsmodelle verlängert?
Nein. Der Industriestrompreis soll im Gegenteil die Transformation hin zur klimaneutralen Produktion unterstützen. Im Konzept des Wirtschaftsministeriums vom Mai 2023 ist vorgesehen, dass Betriebe für den Industriestrompreis eine Transformationsverpflichtung eingehen müssen. Das ist genau der richtige Ansatz – der Staat darf nicht einfach ziellos subventionieren, sondern soll tarif- und standorttreue Betriebe in der Transformation unterstützen.
Klar ist: Energieintensive Industrien werden auch in Zukunft gebraucht. Es muss gelingen, diese Industrien in Deutschland klimaneutral umzubauen. Wenn diese Branchen aus Deutschland abwandern, hilft das dem Klimaschutz nicht und hat verheerende Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung.
Wie soll der Industriestrompreis funktionieren?
Das Konzept des Industriestrompreises wird derzeit noch ausgearbeitet. Im Mai 2023 hat das Wirtschaftsministerium ein 1. Arbeitspapier vorgelegt. Auch die SPD-Fraktion hat im August 2023 ein Positionspapier vorgelegt. Aus unserer Sicht sind die folgenden Eckpunkte wichtig:
- Vom Industriestrompreis dürfen nur tarifgebundene und standorttreue Betriebe profitieren. Außerdem ist es wichtig, dass sich die Betriebe zum grünen Umbau ihrer Produktion verpflichten.
- Der Industriestrompreis sollte für eine breite Reihe energieintensiver Branchen greifen (die sogenannten KUEBLL-Listen).
- Der Industriestrompreis sollte höchstens 5 Cent pro Kilowattstunde betragen.
- Der Industriestrompreis sollte so lange garantiert werden, bis die günstigen erneuerbaren Energien einen Börsenstrompreis auf niedrigem Niveau garantieren.
- Der Industriestrompreis muss so finanziert werden, dass die Strompreise für andere Verbraucher*innengruppen nicht ansteigen.
Ein juristisches Gutachten im Auftrag der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE hat ergeben, dass ein Industriestrompreis mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar sein kann.
Wird mein Strompreis steigen, wenn der Industriestrompreis kommt?
Das darf auf keinen Fall passieren. Der Industriestrompreis muss so finanziert werden, dass er die anderen Verbraucher*innengruppen nicht belastet. Das Wirtschaftsministerium hat in seinem 1. Arbeitspapier im Mai 2023 vorgesehen, dass der Industriestrompreis aus dem sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert werden soll. Aus unserer Sicht ist das ein guter Ansatz – so kann der Strombezug der Industrie unterstützt werden, ohne dass die Strompreise der anderen Verbraucher*innen ansteigen.
Ein juristisches Gutachten im Auftrag der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE zeigt, dass diese Finanzierung auch rechtlich zulässig sein kann.
Was tun wir als DGB für andere Stromverbraucher*innen?
Wir setzen uns nicht nur für die Industriebeschäftigten, sondern auch für Privatverbraucher*innen und die Beschäftigten anderer Wirtschaftszweige ein. Im Jahr 2022 haben wir uns erfolgreich für die sogenannten Energiepreisbremsen starkgemacht, von denen alle Stromverbraucher*innen profitieren. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass die Strompreisbremse auch über das Frühjahr 2024 hinaus verlängert werden.
Klar ist: Die Strompreise für alle Verbraucher*innen müssen sinken. Aus unserer Sicht muss der Strommarkt daher tiefgreifend reformiert werden. Zum Beispiel braucht es eine stärkere Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis. Für diese Forderung setzt sich auch der Europäische Gewerkschaftsbund ein.
Wie hängen Energiewende und Industriestrompreis zusammen?
Das deutsche Energiesystem wird mit Blick auf den Klimaschutz derzeit grundlegend umgebaut – zukünftig soll unsere Energie vollständig aus erneuerbaren Quellen kommen. Im Jahr 2022 wurden schon über 48 Prozent des Stroms erneuerbar erzeugt.
Auch die Industrie soll wegkommen von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas und zukünftig mit erneuerbaren Energien funktionieren. Um diesen Umbau voranzubringen, setzen wir uns für einen Industriestrompreis ein. Für die steigenden Strombedarfe muss der Ausbau der Erneuerbaren und der Netze unbedingt weiter entschlossen vorangetrieben werden.
Langfristig können erneuerbare Energien günstige Strompreise sicherstellen – Strom aus Wind und Sonne hat sehr niedrige Gestehungskosten. Das heißt, dass die Kosten für die Produktion von Strom aus Wind und Sonne sehr gering ausfallen. Es ist wichtig, dass diese Kostenvorteile auch an die Stromverbraucher*innen weitergegeben werden. Wir als DGB setzen uns daher für eine Strommarktreform ein, von der alle Stromverbraucher*innen profitieren.
DGB-Informationspapier
"Strompreise – Bezahlbar, verlässlich und gerecht für alle Stromkund*innen"
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Strompreise – Bezahlbar, verlässlich und gerecht für alle Stromkund*innen (PDF, 90 kB) Wir setzen uns für eine Reform des Strommarktes ein. Sie muss Privathaushalte, die Industrie, kleine und mittlere Unternehmen und die öffentliche Daseinsvorsorge entlasten – und gleichzeitig eine langfristige Perspektive bieten. Wie das funktioniert, erklären wir hier auf 2 Seiten. Jetzt unser Faktenblatt herunterladen. Download PDF