Kurz vor der Bundestagswahl ist der Mindestlohn wieder Top-Thema. Im Juli 2022 soll er auf 10,45 Euro pro Stunde steigen. Doch das reicht nicht, um ihn existenzsichernd zu machen. Der DGB fordert deshalb die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro.
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Der Wahlkampf zur Bundestagswahl ist in der heißen Phase. Und mittlerweile rücken auch sozialpolitische Themen in den Fokus – beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn. Seine Höhe wurde am Wochenende nicht nur im letzten TV-Triell der Kandidat*innen für das Kanzleramt diskutiert. Auch in den Zeitungen ist der Mindestlohn Top-Thema. Dabei werden die unterschiedlichen Positionen der Parteien klarer. Während SPD, GRÜNE und die LINKE für eine substanzielle Erhöhung des Mindestlohns sind, möchten CDU/CSU und FDP allein der Mindestlohn-Kommission im üblichen Verfahren die Festsetzung der Lohnuntergrenze überlassen.
Die Kommission hatte entschieden, dass der Mindestlohn im Juli 2022 auf 10,45 Euro pro Arbeitsstunde steigen wird. Das reicht nicht, um ihn existenzsichernd zu machen. Mehr war in der zur Hälfte mit Arbeitgeber-Vertreter*innen besetzten Mindestlohn-Kommission aber nicht zu erreichen. Deshalb brauchen wir eine Mindestlohn-Anpassung außerhalb des üblichen Verfahrens auf 12 Euro. Nach dieser einmaligen Erhöhung kann die Kommission dann nach ihren Regeln weitermachen.
Eine aktuelle Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Bis zu 10 Millionen Beschäftigte würden von einem Mindestlohn in Höhe von 12 Euro unmittelbar profitieren. Das stärkt die Kaufkraft, steigert die Steuereinnahmen und sichert auch langfristig Wirtschaftswachstum. Die Befürchtungen, der Mindestlohn könne Beschäftigung gefährden, erweisen sich als haltlos. Ganz im Gegenteil: Langfristig steigt laut Studie die reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Zudem zeigen weitere aktuelle Untersuchungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts, dass vor allem Frauen, Teilzeitbeschäftigte, befristet und in kleinen Betrieben arbeitende Beschäftigte profitieren, denn sie arbeiten derzeit meist unter 12 Euro (siehe Abbildung).
Quelle: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung
Dabei ist klar: Der Mindestlohn kann nur die unterste Haltelinie sein. Wirklich gute Lohn- und Arbeitsbedingungen gibt es nur mit Tarifverträgen. Doch nur noch 51 Prozent der Beschäftigten sind tarifgebunden. Vor allem im Osten gibt es viele tariffreie Zonen. Auch deshalb braucht die Tarifbindung unterstützende Maßnahmen seitens der Politik: Öffentliche Aufträge und Fördergelder sollten nur noch an Unternehmen gehen, die Tarifverträge anwenden, die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen muss erleichtert werden.
Vor allem dürfen Beschäftigte nicht mehr um ihren Lohn geprellt werden. Millionen Arbeitnehmer*innen erhalten nicht den Mindestlohn, obwohl er ihnen zusteht. In Summe haben die geprellten Beschäftigten 14,5 Milliarden Euro weniger im Geldbeutel, dem Staat gehen Milliarden an Steuereinnahmen und Sozialbeiträgen verloren – und das jedes Jahr. Um die Einhaltung des Mindestlohns effektiv kontrollieren zu können, müssen die zuständigen Kontrollbehörden personell aufgestockt werden. Zudem muss gelten: Wer gegen den Mindestlohn verstößt, darf keine öffentlichen Aufträge bekommen. Dies wird vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages bestätigt.
Um einen effektiveren Mindestlohn, mehr Tarifbindung und andere Maßnahmen zur Eindämmung des Niedriglohnsektors geht es auch auf einer DGB-Veranstaltung mit der Bestseller-Autorin Julia Friedrichs: Am 7. Oktober, 19.00 Uhr, als Livestream auf der DGB-Website und als Präsenzveranstaltung in Berlin.