Unternehmen klagen über mangelnde Bewerber - doch ein Drittel der Jugendlichen, die sich ernsthaft für eine Ausbildung interessieren, findet keine Stelle. "Das birgt sozialen Sprengstoff", sagt DGB-Vize Elke Hannack. In einer Kurzstudie hat der DGB die Ausbildungschancen von jungen Menschen analysiert.
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Wie stehen die Chancen von jungen Menschen, einen Ausbildunsgplatz zu bekommen? Das hat der DGB in einer Kurzstudie analysiert. Ein Ergebnis: Auch im Ausbildungsjahr 2016 haben insgesamt 283.281 junge Menschen, die ein ernsthaftes Interesse an einer Ausbildung hatten – und von der Bundesagentur für Arbeit (BA) als „ausbildungsreif“ deklariert wurden – keinen Ausbildungsplatz gefunden. Viele von ihnen wurden in Ersatzmaßnahmen geparkt. Diesen Jugendlichen stehen nur 43.478 offene Ausbildungsplätze gegenüber. Die hohe Zahl an ausbildungsinteressierten Jugendlichen zeigt die Attraktivität der dualen Berufsausbildung. Hier liegt auch enormes Potenzial für die Betriebe, um hochqualifizierte Fachkräfte auszubilden.
Zu den Ergebnissen der Studie sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack:
"Es birgt sozialen Sprengstoff, wenn zehntausende Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden und die Wirtschaft gleichzeitig über einen vermeintlichen Azubi-Mangel klagt. Um die Lage auf dem Ausbildungsmarkt für die jungen Menschen zu entspannen, brauchen wir in einem ersten Schritt bundesweit mehr als 82.000 zusätzliche abgeschlossene Ausbildungsverträge. In der Allianz für Aus- und Weiterbildung ist es gelungen, den jahrelangen Sinkflug der Zahl der Ausbildungsverträge zu stoppen. Eine Trendwende steht aber noch aus.
Die duale Ausbildung ist attraktiv: Von 803.000 Jugendliche die sich ernsthaft für eine Ausbildung interessieren, haben nur 64,7 Prozent einen Vertrag unterzeichnet. Dies zeigt, dass Potential für die Betriebe da ist, um Fachkräftenachwuchs zu werben. Allerdings entscheiden sich rund 12.000 dieser Jugendlichen für ein Studium. Das ist auch okay. Dennoch ist es in so unterschiedlichen Ländern wie Bayern und Hamburg bereits gelungen, dass fast 75 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber eine Ausbildung beginnen. Schon diese Marke würde den als ersten Schritt den Ausbildungsmarkt deutlich entspannen. Das muss der Maßstab sein. Nötig sind dafür aber 82.000 zusätzliche Verträge in Deutschland."
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack DGB/Simone M. Neumann
"Nach wie vor gilt: Wer schlechte Ausbildungsbedingungen bietet, darf sich über ausbleibende Bewerbungen nicht wundern. Bewerberinnen fehlen gerade dort, wo die Ausbildungsvergütung mies ist, also vor allem im Lebensmittelhandwerk und im Hotel- und Gaststättengewerbe."
"Die Betriebe müssen endlich wieder jungen Menschen mit Hauptschulabschluss eine Chance auf Ausbildung geben", so Hannack weiter. "Unsere Untersuchungen der bundesweiten IHK-Lehrstellenbörsen zeigen, dass fast zwei von drei der dort angebotenen Ausbildungsplätze den mittleren Schulabschluss als Mindestvoraussetzung haben.
Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich in der Allianz für Aus- und Weiterbildung darauf verständigt, mit der Assistierten Ausbildung die Hilfen für Betriebe und Jugendliche deutlich auszubauen. Dieses neue Instrument hilft den Unternehmen bei der Auswahl der Jugendlichen und beim Erstellen des betrieblichen Ausbildungsplans. Die Assistierte Ausbildung unterstützt die Jugendlichen, wenn sie zusätzliche Förderung – wie etwa Sprachunterricht – brauchen. Jetzt müssen die Betriebe dieses Instrument nutzen.
Die Quote der Ausbildungsbetriebe sinkt seit Jahren. Nur noch jedes fünfte Unternehmen bildet aus. Damit dürfen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht abfinden. Wenn nur zwanzig Prozent der Betriebe ausbilden, aber einhundert Prozent von den qualifizierten Fachkräften profitieren, ist es Zeit für einen fairen finanziellen Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht-ausbildenden Unternehmen. Übrigens: In der Altenpflege hat man in vielen Bundesländern eine solche Umlage eingeführt. Mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Ausbildungsplätze drastisch gestiegen ist.
Und dennoch ist ausschließlich mit betrieblichen Ausbildungsplätzen der Bedarf kaum zu decken. In Regionen mit einem problematischen Ausbildungsmarkt müssen marktbenachteilige Jugendlichen die Chance bekommen, über eine außerbetriebliche Ausbildung einen vollwertigen Berufsabschluss zu erlangen. Diese Ausbildung soll noch enger mit den Betrieben verzahnt werden. Hierbei sind die Ausbildungsplätze die Sozialpartner vor Ort eng einzubeziehen."
DGB-Kurzanalyse der Ausbildungschancen Jugendlicher im Jahr 2016. Januar 2017.
Saarbrücker Zeitung: DGB-Studie sieht keinen Bewerber-Mangel